Bauers DepeschenDienstag, 08. November 2016, 1695. DepescheFLANEURSALON IN DER ROSENAU MIT CHRISTINE PRAYON Sonntag, 11. Dezember: Flaneursalon in der Rosenau. Durch den Abend führt die famose Kabarettistin Christine Prayon. Musik machen der Gitarrist Steve Bimamisa und - erstmals - die südafrikanische Sängerin Thabilé sowie der Rapper Toba Borke & und der Beatboxer Pheel. Beginn: 19 Uhr! Der Klick zum LIED DES TAGES Die aktuelle StN-Kolumne SCHUHCREME Am Morgen war es frisch. Fast klar der Himmel, nahezu sonnig der Tag. Es war der Morgen davor, der 7. November 2016, am Tag bevor sie in den Vereinigten Staaten das große Ding drehen werden. Viel Laub war gefallen, es raschelte bei jedem Schritt. Namen spielen keine Rolle, sie sind Schall und Rauch, keiner kann etwas dafür, wenn er Meier heißt – und deshalb benachteiligt wird, beispielsweise bei Bewerbungen. Menschen mit Namen wie Fürst, Kaiser oder Baron, ergab mal eine Studie, landen viel öfter in Führungspositionen als die Beckers und Schusters. So gesehen bin ich dankbar, dass ich Bauer heiße – auch wenn sich bei späteren Namensforschungen herausgestellt hat, dass die erstgenannte Analyse reiner Bullshit war. In Wahrheit kannst du heute sogar mit dem zweifelhaften Namen einer Biermarke politische Karriere machen. Beim Stichwort Bullshit sind wir in den USA, oft auch nur Amerika genannt, als gäbe es auf diesem Kontinent nichts anderes als Amis. Für Angst und Schrecken in Amerika steht zurzeit – noch mehr als der Horror-Clown – Donald Trump, einer der Typen, die für keinen Gruselfilm extra in die Maske müssten. Er hat es trotz seines Namens ganz schön weit gebracht. Das englische Wort Trump bedeutet unter anderem Trumpf und Trompete – aber auch Maultrommel und Furz. Es spricht also für die Demokratie, wenn einer namens Donald Furz Präsident der USA werden kann – schon weil unsere Fürsts und Kaisers eher Begriffe wie „Flatulenz“ und „Leibwind“ bevorzugen. Ich weiß, dass Namenswitze im Humorfach als die billigsten gelten und auf dem Index stehen. Aber man muss sich die Regeln dieser politischen Korrektheit ja weiß Gott nicht mehr, äh, merkeln, solange es um die Tagespolitik geht. Da kann man doch schon mal frei von der Leber weg furzen, as we say. Das wissen wir nicht erst, seit der große Maultrommler Herbert Wehner die CDU-Lusche Wohlrabe „Übelkrähe“ und den jungen Kollegen Todenhöfer „Hodentöter“ genannt hat. Als es Donald Trump mal wieder nicht so gut ging, weil seine Hotels und Casinos nur noch Miese einspielten, wechselte er die Branche: Er dealte nicht mehr mit Häusern, sondern mit seinem Namen. Das macht er bis heute. Unsereins bekam erst neulich zur Aufmunterung eine Krawatte aus der „Donald J. Trump Signature Collection“ geschenkt – produziert in China, einem Land, gegen das Trump im Wahlkampf fast so viel hetzte wie unlängst unser schwäbischer Staatsmann mit dem Biernamen. Es grenzt an ein Wunder, dass es in Stuttgart heute kein weiteres Produkt aus der Trump-Kollektion gibt außer meiner Krawatte. Nach den Plänen eines visionären Stadtplaners, der es trotz seines Namens Schuster zum OB gebracht hatte, sollte Anfang des neuen Jahrtausends ein 55 Stockwerke und 220 Meter hoher „Trump Tower“ auf dem Pragsattel gebaut werden. Kosten: 250 Millionen Euro. Ob Donald Trump selbst bei diesem Projekt mitmischte, weiß man bis heute nicht. Für das Geschäft zuständig war ein Hamburger Pflegeheim-Unternehmer mit dem göttlichen Namen Ulrich Marseille. Der unterstützte den rechtspopulistischen Politiker Roland Schill und machte unter anderem Schlagzeilen, als er 2002 Schill in seinem Privatflugzeug nach München transportierte, wo der Parteiführer eine entlastende Haarprobe gegen den Vorwurf des Kokainmissbrauchs abgeben wollte. Zu diesem Zeitpunkt betrieb unser großer Solist Schuster immer noch vollmundig die Luftnummer „Trump Tower“, begleitet von Wortgetöse, das jedem Gurkenhobel-Verkäufer auf dem Rummelplatz peinlich wäre. Die Eröffnung eines letztlich 180 Meter hohen Turms samt kleineren Hochhäusern war für 2004 geplant: Shopping Mall mit Wasserfall, Superhotel, Nobelrestaurants, Luxuswohnungen – lauter Dinge, wie sie auch heute gern in der Stadt gebaut werden. Erst Anfang 2003 ließ der Gemeinderat die schmutzigen Finger von dieser architektonischen Grausamkeit: Der Investor hatte nichts geliefert außer Großkotzigkeiten, die jeden Dorfschultes viel früher stutzig gemacht hätten. Bevor unsere Provinzleuchten mit Dollar-Zeichen in den Augen wieder mal ihren Kessel in die Weltliga hieven wollten, hatten Berlin und Frankfurt die Investoren abblitzen lassen. Die Trump Tower AG ging später in Insolvenz. Schuster wurde Ehrenbürger der Stadt Stuttgart. Trotz allem ist es etwas schade, dass heute kein „Trump Tower“ auf der Prag steht und stattdessen ein schwäbischer Hochhäuslebauer mit lausigen 16 Stockwerken hinterm Bahnhof „New Yorker Lebensgefühl“ versprechen muss. Das Problem unserer Zeit sind ja weniger die Trumps selber als die Leute, die solche Typen als Heilsbringer sehen. Lange vor der Wahl sagte mein amerikanischer Lieblingsautor Richard Ford über Trump: „Er unterscheidet sich so sehr von allem, was sonst in der politischen Rhetorik zu hören ist – vor allem von Obamas wohlgesetzten, vernunftbetonten Worten. Das macht ihn für viele attraktiv.“ Die neue Rhetorik, das hemmungslose und hetzerische Gebrüll, ist längst kein amerikanisches Privileg mehr. „Attraktiv“ ist dieser Ton, weil viele darin in ihrer Wut auf die ungerechten sozialen Zustände eine Auflehnung gegen das Marketing-Gelaber der Parteien sehen. Rücksichtsloses Dummgeschwätz lässt sich von den Reaktionären auch bestens als Waffe gegen die verhassten „Weicheier“ mit ihrer „politischen Korrektheit“ einsetzen, gegen die „Tugendwächter“ ohne Sinn für lustige Folklore aus dem Musikantenstadl. So findet auch unsere Biernase in Brüssel feixende Anhänger, wenn er in seinem Ditzinger Kalaschnikow-Schwäbisch über „die Schlitzaugen“ herzieht: „Alle Anzug, Einreiher, dunkelblau. Alle Haare von links nach rechts, mit schwarzer Schuhcreme gekämmt.“ Bei dieser Art Witz, von gewissen Lachsäcken für Humor gehalten, stellt sich die Frage: Wenn Chinesen Schuhcreme im Haar haben, was hat dann Oettinger im Hirn? Ich muss Obacht geben, wohin ich trete, wenn ich über frisch gefallenes Herbstlaub spaziere. |
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