Bauers Depeschen


Samstag, 29. Oktober 2016, 1692. Depesche

 

FLANEURSALON IN DER ROSENAU

MIT CHRISTINE PRAYON

Sonntag, 11. Dezember: Flaneursalon in der Rosenau. Durch den Abend führt die famose Kabarettistin Christine Prayon. Musik machen der Gitarrist Steve Bimamisa und - erstmals - die südafrikanische Sängerin Thabilé sowie der Rapper Toba Borke & und der Beatboxer Pheel. Beginn: 19 Uhr!



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



VON FÜCHSEN UND MENSCHEN

Neulich ging im Abendlicht der Tübinger Straße ein Fuchs spazieren. Ich sagte: „Guten Abend, Herr Kollege“ – er war aber, wohl etwas besser zu Fuß als ich, ziemlich schnell verschwunden. Schon lange hatte ich keinen echten Fuchs mehr getroffen. Vermutlich hätte ich ihn nicht mal als Fuchs erkannt, wäre er nicht mit einem dieser Dinger ausgerüstet gewesen, die in den siebziger Jahren Böblinger Opel­Manta-Piloten an ihren Autoantennen befestigten, um der Damenwelt ihre buschige Männlichkeit zu signalisieren.

Heute rasen ganz ähnliche Typen durch die Stadt. Man nennt sie Auto-Poser, sie lassen die Motoren und HiFi-Anlagen ihrer Protzkübel aufheulen, verzichten aber auf den Schwanz an der geleasten Karre, damit niemand auf die Idee kommt, sie nach ihrem eigenen zu fragen.

Der Fuchs gilt als clever und subversiv. Als das Tübinger Landestheater vergangene Saison Goethes Schauspiel „Reineke Fuchs“ auf dem Spielplan hatte, war im Programmheft zu lesen: „Reineke, der schlaue Fuchs, treibt schon seit der Antike sein trickreiches Unwesen in der Welt der Tierfabeln. Stets schlägt er den Mäch­tigeren, Größeren und Stärkeren ein Schnippchen, legt sie aufs Kreuz und entgeht dennoch ihrer Rache (. . .). Er spielt virtuos nach den Regeln einer Welt, in der gilt: ‚Fressen oder gefressen werden‘. Dabei entlarvt Reineke die Doppelmoral der Gesellschaft und bringt deren offizielle Wahrheit durch seine Lügen ins Wanken (. . .). Diese bitterböse und zugleich komische Geschichte über Macht und Machtmissbrauch, Konkurrenzkampf, Abhängigkeitsverhältnisse und Manipulation erzählt uns mehr über unsere heutige Zeit, als uns lieb ist. Reineke Fuchs ist ein charmanter Verbrecher, den wir wider Willen bewundern müssen und der uns an heutige Spieler und Profiteure denken lässt.“

Was für Sätze! Hatte ich es mir doch gedacht: Die ganze Stadt ist voller Füchse. Die Spieler, global auch „Player“ genannt, erkennt man allerdings nicht mehr an ihrem Schwanz oder ihrem Charme. Wenn sie dennoch bewundert werden, so wegen der allgemeinen Sehnsucht nach Geld.

In den vergangenen Tagen sind beim Spiel der Profiteure sehr komische Geschichten abgelaufen, etwa bei der sogenannten Debatte über „die Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21“ im Gemeinderat. Obwohl vom geplanten Höhlenbahnhof noch nicht mehr zu sehen ist als ein Baggerloch, erzählt uns ein lauer Fuchs namens Kuhn, dieses obskure Milliardenprojekt sei „kein Rückbau, sondern gegenüber dem heutigen Kopfbahnhof ein Zuwachs“: Irgendwann einmal (wenn viele von uns schon tot sind) seien „30 Prozent mehr Taktverkehr möglich“. Statt 21, so der OB, würden 30 Züge pro Stunde fahren – und am Morgen, wenn sich Fuchs und Hase im Kessel gute Nacht gesagt haben, sogar noch viel mehr.

Ich tippe auf extrem geistigen Rückbau im Rathaus, wenn so etwas verbreitet wird, noch ehe von Stuttgarts geplanter U-Bahnhaltestelle auch nur ein einziges Glasauge zu sehen ist. Die naiven Verlautbarungen des OB erinnern an die Steinzeit des S-21-Konflikts. Seine Einschätzung des alltäg­lichen Personentaktverkehrs reicht im Übrigen nicht einmal aus, einen Rathaussaal mit genügend Zuhörerplätzen für seine Propaganda-Show klarzumachen. Man musste umziehen, was mehr als doppelt so viel Zeit kostete, wie man durch S 21 auf der Strecke Stuttgart–Ulm gewinnen will.

Spektakulär wurde besagte Veranstaltung jedoch erst durch den Auftritt des Chefs der Projektgesellschaft Stuttgart–Ulm. Der heißt Peter Sturm und verkündete im Ernst, Stuttgart bekomme „den schönsten Bahnhof Europas“. Es wäre eine Dorfdeppenreaktion, Sturm auf Europas schönste Eisenbahnstationen hinzuweisen (vielleicht in Madrid, Paris oder wo auch immer). Bezeichnend ist, dass beim Blick auf die eigene Miste der kategorische Superlativ immer in der Provinz fällt. Wer vom „schönsten Bahnhof Europas“ schwafelt, vergleicht die Architektur eines Tiefbahnhofs, den er bestenfalls mithilfe geschönter Computerbilder erahnen kann, mit den großen Baudenkmälern des Kontinents. Sturms Privatexpertise erzählt uns rein gar nichts über die Qualität eines Bahnhofs – aber viel über seine Weltsicht und Geschmacksausbildung. Der „schönste Bahnhof Europas“ ist in diesem Fall einer, der noch gar nicht existiert, aber einem Herrn Sturm von der schwäbischen Eisenbahn schon mal am besten gefällt. Und da zieht man mal wieder zügig seinen Stuttgarter Schwanz ein und fragt sich: Hört denn dieser kleingeistige Größenwahn nie auf in dieser Stadt?

Gesunde Füchse, habe ich gelesen, greifen keine Menschen an, auch nicht, wenn sie Unsinn reden. Sie weichen dem Zweibeiner aus und gehen ihm höchstens mal neugierig hinterher, wenn er einen Hund bei sich hat. Da ich bei meiner Begegnung mit Reineke nicht von einem Hund, sondern einer Dame begleitet wurde, bestand für mich im nächtlichen Stuttgart keinerlei Gefahr, jedenfalls nicht durch den Fuchs.

Ich bin mir nicht sicher, ob man vierbeinige Füchse in der Stadt heute noch zu den Randgruppen zählen kann. Sie tauchen immer häufiger auf. Es heißt, man dürfe sie auf keinen Fall füttern, weil sie sich sonst schon am nächsten Tag mit an den gedeckten Gartentisch setzen und selbst den Leuten in der Stadt mit dem schönsten Bahnhof das Abendbrot wegfressen.

Denkbar ist allerdings auch, dass demnächst zur Bekämpfung des Stadtfuchses auf Befehl des Ordnungsamts alle Gartentische abgebaut werden, so wie in der Königstraße neuerdings die Sitzbänke für Passanten. Mit dieser Null-Toleranz-Attacke wollen die Saubermänner und -frauen der Politik Obdachlose und „Randgruppen“ daran hindern, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten. Ihr Anblick könnte andere Randgruppen in der Stadt stören, womöglich auch solche, für die seit Jahrzehnten vorzugsweise teure, für Normalverdiener und Arme nicht bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Und bei diesem Thema verkrieche ich mich rasch in meinen Fuchsbau, bevor sie mir auch noch meine Parkbank unterm Hintern wegziehen.



 

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