Bauers DepeschenMittwoch, 20. Februar 2008, 118. DepescheDiese Woche gastierte der Flaneursalon in der Stuttgarter Rosenau.In der Stuttgarter Zeitung schreibt darüber Michael Werner: ZUM JUBILÄUM EIN GRUBENUNGLÜCK Joe Bauers Flaneursalon feiert Wenn ein einsamer Cowboy vom Mars auf den Stuttgarter Schlossplatz gebeamt werden würde, wenn er als kosmischer Berichterstatter innerhalb eines Abends herausfinden müsste, wie Stuttgart im dritten Jahrtausend funktioniert, dann müsste er in die Rosenau reiten - zu Joe Bauers Flaneursalon. Am Dienstagabend feierte Stuttgarts triftigste, präziseste und schlichtweg schönste Kleinkunstinstitution ihr zehnjähriges Bestehen. Und also wurde ein Stuhl auf einen gedeckten Tisch im Publikum gestellt, der Kolumnist der "Stuttgarter Nachrichten" wurde draufgesetzt, und dann musste er sich von Johannes Zeller, dem Gründer und ehemaligen Betreiber der Lokalität Rosenau, anhören, wie seine Kunst so sei. "Er erklärt die Normalität zur Ausnahmesituation und die Ausnahmesituation zur Normalität", las Zeller aus seinem Brief, und Joe Bauer brummelte ein paar Schroffheiten daher. Das sollte wahrscheinlich heißen: Bin gerührt. Bin aber auch genervt. Der Zeller-Brief war zuvor aus einer "Glückskeks" titulierten Betonplatte geplumpst, die ein paar Augenblicke lang gemütlich auf Michael Gaedts nacktem Bauch gelegen hatte, bis sie von der Sängerin Dacia mit einem beherzten Hammerschlag zum Bersten gebracht wurde. Gaedt bemühte sich auch sonst eifrig, Zellers Laudatio auf Bauer zu folgen: Er verteilte Unterhosen an die Damen im Publikum, damit die textilen Verzückungsbeweise während seines Gesangvortrags auf die Bühne geworfen werden konnten. Beim Flaneursalon regiert der Rock 'n' Roll auch im geknurrten Wortbeitrag. Und in der schaurig schön scheppernden Tex-Mex-Hommage von Los Gigantes natürlich. Stefan Hiss (Akkordeon) und Ralf Groher (Trompete) rissen in gewohnt beseelter Manier verhangene Himmel über jenen Wüsten auf, die Joe Bauer mit genau getimtem verbalen Nieselregen zum Erweichen brachte. Der vorlesende Jubilar war in Hochform: Bauer nimmt Witterung auf, dann reitet er dem wahren Leben mit einem vermeintlich lahmen Gaul namens Sprache hinterher. Schließlich wirft er zielsicher sein Lasso. Da mutieren Apotheken zu Bestattungsinstituten für die Laufkundschaft, da werden junge Frauen zu Imken-Oettinger-Kopien umfrisiert, und der Ministerpräsident selbst wacht über ein "Grubenunglück" namens Stuttgart 21. Sonst noch schön: wie Michael Gaedt zum Song "Nackt im Pelz" mit seinem Mantel randalierte. Mit welch ungekünstelter Zuneigung Dacia, die Neue, Leonard Cohens "Chelsea Hotel No. 2" besang. Und die Premiere einer Bauer-Geschichte mit Gaedt'scher und Hiss'scher Instrumentalbegleitung. Der Flaneursalon fiebert nicht nur. Er fetzt auch. „Kontakt“ |
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