Bauers DepeschenDonnerstag, 03. Januar 2008, 99. DepescheDas Jahr begann mit Fanpost:![]() ![]() „Lieber Joe, ![]() Deine Zeitungsecken lesen wir immer. Wir sind aber der Meinung etwas weniger würde mehr Qualität bringen. Man merkt, Du stehst unter Zugzwang jeden Tag etwas schreiben zu müssen. Das ist nicht gut und eine Überlegung wert. ![]() Mit freundlichen Grüssen ![]() Fam...“ ![]() ![]() Das lasse ich mal so stehen. Stimmt wahrscheinlich. ![]() Zurück in die Depeschenecke. In meiner jüngsten StN-Kolumne habe ich unter anderem erzählt, wie ich am Neujahrstag im Hauptbahnhof in einem Haufen Marshmallows stand. In einem neuen Süßwarenladen war hinter mir ein Eimer voll Mäusespeck auf den Boden gefallen, und alle verdächtigten mich. Es war ein kleiner Text über die Gablenberger Hauptstraße, über Kinderkram, über vergessene Modellbahnläden. Was in dieser Kolumne nicht zu lesen war und warum sie mir eingefallen ist: Anfang der neunziger Jahre habe ich zusammen mit Michael Gaedt im Tübinger Foyer an der Blauen Brücke eine Varieté-Reihe unter dem Titel „Foyer und Flamme“ organisiert. Herr Gaedt moderierte und dachte sich Nummern aus, ich stellte das Programm zusammen, mit Luftgitarristen, Hölderlin-Rezitatoren, Mountainbike-Fahrern, Strip-Tänzerinnen und der einzigen Vertikalseil-Akrobatin des Zirkus Bonanza. ![]() Einmal sind wir am Morgen vor der Show nach Esslingen in einen Großmarkt gefahren, um kartonweise Marshmallows und Besen und Schaufel zu kaufen. Die Marshmallows wurden am Abend im Publikum mit der Aufforderung verteilt, sie auf die Bühne zu werfen. Das Publikum machte davon reichlich Gebrauch. Herr Gaedt musste, assistiert von seinem Co-Moderator Andy Goldner, ziemlich lang kehren. ![]() Marshmallows spielen im Tingeltangel eine Rolle, seit es sie gibt. Mitte der Neunziger haben Herr Gaedt und ich fliegende Marshmallows in der „Blue Man Group“-Show in einem New Yorker Off-Broadway-Theater gesehen. ![]() Die Marshmallows-Geschichte interessiert mich heute noch, weil ich mich daran erinnere, wie Herr Gaedt vor dem Tübinger Abend gesagt hat: „Bauer, wir führen ein privilegiertes Leben. Wir gehen morgens kiloweise Marshmallows kaufen, während andere Leute arbeiten müssen.“ ![]() Er hat es nicht im Spaß gesagt, ich habe mir diesen Satz als Warnung gemerkt. ![]() Die betagte „Blue Man Group“-Inszenierung wird im Möhringer Musical übrigens auch noch im Jahr 2008 als „Die Show-Sensation“ angekündigt. ![]() Heute Vormittag war ich mit dem Fotografen Lutz Schelhorn auf offizieller Mission im Leonhardsviertel. Ich denke an eine Reportage mit dem Arbeitstitel „Das vergessene Viertel“. Es geht darin weniger um Rotlicht und Schmuddel, im Mittelpunkt stehen Handwerker, die in diesem Stadtquartier leben und arbeiten. In der Altstadt, auch als „Städtle“ bekannt, gibt es einige Menschen, die verdammt viel wissen über Stuttgart. Vor allem wissen sie, dass man unter „Städtle“ das Revier zwischen Wilhelmsplatz, Katharinenstraße, Pfarrstraße und Hauptstätter Straße versteht – und nicht die Innenstadt, wie es immer wieder in diversen Zeitungsecken zu lesen ist. ![]() Das war die erste Depesche des Jahres – die neunundneunzigste von allen. ![]() „Kontakt“ ![]() |
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