Bauers DepeschenMittwoch, 16. Januar 2008, 106. DepescheDie Depeschen sind womöglich auf dem Weg zu ihrem Bestimmungsort aus der Spur geraten, da muss was dran sein. Mirjam mit jott, eine der zuverlässigsten Kritikerinnen meines Gewurstels, sieht die Texte zu nahe an den Zeitungskolumnen. Richtig, manchmal überschneidet sich das in der Machart, weil ich nicht konsequent bin oder zu sehr auf Fremde höre.Vielleicht gehe ich generell zu inflationär mit Text um, so wie der liebe Tanzkompanie-Chef Eric Gauthier in seiner Theaterhaus-Premiere von "Six Pack". Die Depeschen sollten gefühlsmäßig aus dem tiefsten Innern meines Privathaushalts abgeschickt werden, nicht aus dem Angestelltenbüro. Wenn sie aus dem tiefsten Innern meines Privathaushalts abgeschickt werden, kommen sie in der Regel als Rohrpost aus einem Cowboystiefel; mittlerweile besitze ich ein Paar grüne Cowboystiefel, sehr dezentes, schönes Grün aus dem tiefsten Innern von Boots by Boots, Stuttgart, Gerberviertel. Dieser Laden ist eine Falle: Er liegt in unmittelbarer Nähe des Kieser-Studios, einer Gymnastikeinrichtung für Hausfrauen mit Rückenproblemen. Seit ich regelmäßig Kieser besuche, also seit Jahren, ist mein Rücken in gutem Zustand, nur die rechte Schulter muss schon wieder wöchentlich in Feuerbach gespritzt werden. Eigentlich hätte ich zurzeit wegen Verletzung Sportverbot, aber ich will nicht, dass man mich in die Kategorie Bundesligaprofi/Bastürk einteilt. Zurück zum Leben: Jedesmal, wenn ich vom Kieser komme, habe ich Probleme, die Kurve am Boots-by-Boots-Laden zu kriegen. Sind nette Leute dort. Man kommuniziert auf Lebenserfahrungsbasis. Leben ist wie Leder, es will gepflegt sein (für diesen Satz übernehme ich nicht die volle Verantwortung). Wenn man sich über einen Menschen nicht ganz im Klaren ist, sagt man hier zu Lande: „Man steckt nicht drin.“ Mittlerweile sage ich: Wer einen Cowboystiefel von Boots by Boots trägt, steckt sehr wohl drin. Nachdem der Rasen auf dem Eintracht-Platz hinter der Kickers-Tribüne auf der Waldau lange gefroren war, habe ich mit Coach Peter Schwemmle vergangene Woche zwei Sonderschichten Torwarttraining eingelegt. Die Trainingspause habe ich sofort gespürt, auch wenn ich mir nicht vorwerfen muss, ich hätte über Weihnachten auf dem Sofa gesessen und Chips gefressen und danach als Bundesligaprofi am Trainingslager in Dubai teilgenommen. Meine Kondition ist zurzeit nicht gut; zuletzt habe ich nur dank Eddy, genannt Eddy der serbische Partisan, die übliche Waldlaufstrecke oberhalb der Hasenbergsteige geschafft. Wie ein Sieger habe ich nicht ausgesehen. Habe gerade die Universität und danach die Hochschule für Medien in Vaihingen besucht, ein uralter Bekannter wollte was. Hab mich unauffällig in die Cafeteria gesetzt, ein Buch auf den Tisch gelegt und so getan, als sei ich Professor für Stiefelkunde. Aufgefallen ist mir Folgendes: Die Bundesrepublik Deutschland hat keine Zukunft. Fast alle Studenten, Männlein wie Weiblein, haben Berge von Pommes mit Ketchup und Mayonaise in sich hineingefressen. Wer gerade nicht Pommes mit Ketchup und Mayo gefressen hat, stand am Kicker-Automaten und spielte Tischfußball. So geht sonst nur ein Bundesligaprofi/Bastürk mit seinem Körper um. Und dann habe ich noch eine Frage: Wieso heißt das Betonmonster gegenüber vom Hauptbahnhof 75 Jahre nach Hitlers Machtergreifung immer noch Hindenburgbau? „Kontakt“ P.S.: Die Flaneursalon-Seite ist mit dem Internet-Magazin Glanz & Elend verlinkt www.glanzundelend.de |
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