Bauers DepeschenSonntag, 11. Oktober 2009, 388. DepescheBETR.: LETZTER AUFRUF (Depeschen-Schnorrer!): ES GIBT NOCH KARTEN Joe Bauers Flaneursalon mit Buchvorstellung ("Schwaben, Schwafler, Ehrenmänner - Spazieren und vor die Hunde gehen in Stuttgart"), es singen und spielen: Eric Gauthier, Roland Baisch & The Countryboys, Dacia Bridges. Michael Gaedt moderiert. Donnerstag, 22. Oktober, 20.15 Uhr: www.theaterhaus.com - Kartentelefon: (0711) 4 02 07 20 UND BIS DAHIN IMMER WIEDER NEUE LEKTÜRE: Kolumnen in den Stuttgarter Nachrichten BETR.: MAIL EINES FREMDEN AUS DEM KOHLENPOTT oder Wie Fußball Brücken schlägt: Dortmund, den 10. Oktober 2009 Guten Tag, Joe Bauer, heute feiere ich meinen letzten Geburtstag mit einer „5“ vorne dran. Demnächst kommen die Gäste, und die Vorbereitungen auf die Fete stagnieren. Schuld ist ihr Buch „Schwaben, Schwafler, Ehrenmänner“, das mir meine Frau, die Buchhändlerin mit schlafwandlerischer Sicherheit, geschenkt hat. Ich habe es schon zur Hälfte gelesen. Das Buch ist unglaublich, es hat mich tief beeindruckt und angerührt. Nach 20 Jahren Stuttgart und 10 Jahren Tübingen lebe ich seit 29 Jahren in Dortmund. Doch wenn ich Ihre Stuttgarter Momentaufnahmen von heute lese, dann spüre ich: jawohl das ist Stuttgart, genau so, mit all dem Schönen und all dem Dreck, all den tollen Typen und all den Scheißkerlen, genau so. Ihren Kickers-Blues kann ich besonders gut nachfühlen. 1958 hat mich mein großer Bruder zum ersten Mal aufs Kickersplätzle mitgenommen, 7:0 gegen Bamberg, werde ich nie vergessen. Seitdem bin ich ein Blauer. In meinen ersten Dortmunder Jahren bin ich den Kickers auf allen Spielen im Westen nachgereist und habe auf die Art mehr Stadien kennengelernt als die meisten anderen Dortmunder Fußballfans, die ich kenne. Natürlich bin ich inzwischen Borusse. Wenn du als Fußballfan nach Dortmund kommst und dort bleibst, dann wirst du Borusse. In keiner anderen Stadt in Deutschland übt der Fußball eine solche Anziehungskraft aus. Vielleicht noch in Gelsenkirchen, was ich als Borusse jetzt aber nicht vertiefen möchte. Als die Kickers vor Jahren den BVB im Pokal 3:1 geschlagen haben, habe ich mich gefreut. Die Liebe zu den Kickers ist älter. Ganz stark: „Tod einer Frau“. Natürlich kannte ich das Bild vom fallenden Milizionär. Den Namen des Fotografen Robert Capa kannte ich schon nicht mehr und den Rest Ihrer Geschichte sowieso nicht. Und seine Lebensgefährtin Gerta Taro ist ja eine tolle Frau, und eine Blaue dazu. Falls die Ausstellung tatsächlich am 29.01.2010 eröffnet wird, fällt das mit dem Auswärtsspiel von Borussia Dortmund in Stuttgart zusammen, auf das ich mit einigen Kumpels vom BVB-Fanclub „Heinrich Czerkus“ fahren werde. Zum VfB. Das war eigentlich anders geplant. Wir wollten nach dem Aufstieg von BVB II in die 3. Liga eigentlich zum Auswärtsspiel nach Degerloch fahren, leider haben die Blauen mit ihrem Abstieg in die Regionalliga Süd nicht mitgespielt. Kleiner Exkurs: Heinrich Czerkus war in den 30er-Jahren Platzwart von Borussia Dortmund und lebte nach 1933 als Widerstandskämpfer im Untergrund. Seine Aktivitäten waren von der Vereinsführung geduldet. So ist zumindest ein Flugblatt seiner Gruppe auf der Druckmaschine von Borussia Dortmund entstanden. Wenige Tage vor Kriegsende begingen die Nazis in Dortmund ein fürchterliches Massaker an über 300 Menschen, dem auch Heinrich Czerkus zum Opfer fiel. Seit 2004 veranstalten die NaturFreunde Dortmund-Kreuzviertel einen Gedächtnislauf zu seinen Ehren, und seit 2009 gibt es einen Fanclub mit seinem Namen. Nachdem Ihr Buch jetzt zum Top-Geburtstagsgeschenk geworden ist, möchte ich mich bei Ihnen revanchieren und Ihnen einen Trost für den Kickers-Blues zukommen lassen (vielleicht auf die Gefahr hin, Maultaschen nach Stuttgart zu tragen). Bei Ihren Kontakten zu den Stuttgarter Nachrichten dürfte es Ihnen nicht schwer fallen, sich die Ausgabe vom 6. Oktober 1975 zu besorgen. Die Seite 13 ist Balsam für die Kickers-Seele. Ich habe sie nach über 34 Jahren und 10 Umzügen immer noch in einer Schachtel liegen. Das 135. Derby gegen den VfB. Das Bild zeigt den Torjubel der Kickers durch die Maschen des VfB-Tors. Die Anzeigentafel zeigt noch den alten Spielstand von 0:0. Der VfB-Keeper Rohleder schaut dem Ball im Tor hinterher, und auf der Linie liegt der VfB-Stürmer Ottmar Hitzfeld. Dieter Hoeneß wurde erst später eingewechselt. Diesen Tag werde ich nie vergessen. Wenn mich einer nach DEM Fußballspiel meines Lebens fragt, muss ich passen, es sind so vier fünf in etwa gleichrangige. Das hier gehört dazu. Im Neckarstadion traf ich bei wunderbarem Herbstwetter einen Kumpel aus Tübingen, von dem ich zunächst annahm, er wäre wegen dem VfB da, doch das war auch ein Blauer. Wir feierten den 2:0 Sieg der Kickers und gingen hinterher noch aufs Volksfest. Einer der Tage, an dem man mit der Gewissheit zu Bett geht: das Leben ist schön. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen für Ihr Buch und wünsche Ihnen eine gute Zeit, vor allem wieder schönere Stunden auf dem Kickersplätzle. Ihr Wilfried Harthan „Kontakt“ |
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