Bauers Depeschen


Donnerstag, 14. April 2016, 1615. Depesche

 

AN DIESEM SAMSTAG:

DAS BASIS-FEST

Freunde der Stuttgarter Altstadt und DGB-Leute veranstalten am Samstag, 16. April, das 1. BASIS-Fest. Das Basis ist ein kleines Beratungszentrum des DGB in den ehemaligen Räumen des legendären Café Schmälzle im Leonhardsviertel, Hauptstätter Straße 41. Das Fest ist als Tag der Begegnung und als kleine Hommage an die Altstadt gedacht. Es gibt gutes Essen, Getränke - und ein Programm. Michael Dikizeyeko & Steve Bimamisa spielen afrikanische Songs. Mitglieder des Vesperkirchen-Chors rahmenlos & frei singen ihre schönsten Lieder. DGB-Mitarbeiter stellen das Basis vor, unsereins liest Texte über die Altstadt vor. Der Fotograf Jim Zimmermann stellt Bilder aus. Alle sind herzlich willkommen. Das Basis-Fest beginnt um 16 Uhr. Eintritt frei.



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



DER HOSENSCHLITZ-KOMIKER

Als ich nachmittags um fünf auf der Karlshöhe ankam, landete ich in einem Haufen von Schulkindern, die keine Kinder waren. Sie feierten, so ist es Brauch, auf der Karlshöhe das Ende ihrer Abiturprüfungen. Das Treiben hoch über der Stadt mit der guten Aussicht, den Hang hinunter ins Erwachsenenleben zu kullern, beäugten etwa zehn ausgewachsene uniformierte Polizisten mit ihren Kollegen aus der Abteilung Schäferhund. Auch eine Karre des Städtischen Vollzugsdienstes stand bereit; die Leute dieses Vereins nannte man früher Feldschützen.

Anscheinend, das sagten mir Abiturienten, waren auch Beamte in Zivil unterwegs. Alles hatte seine Ordnung. Vor zwei Jahren hatte es beim Feiern im Freien etwas Turbulenzen gegeben. Deshalb darfst du heute als Schüler keinen fairen Karlshöhenkampf mehr ohne Polizeikontrolle austragen.

Ich mischte mich unter das gut gelaunte Abiturvolk. So richtig verschieden sind viele junge und alte Menschen heute ja nicht mehr. Schon deshalb nicht, weil alte Säcke wie ich bescheuerte Kapuzenjacken tragen, die sich nicht von den Kapuzenjacken der Schulkinder unterscheiden, weil die ihre Zip-up-Hoodies nennen. Seltsamerweise machte mich kein einziger junger Mensch wütend an, was ja berechtigt gewesen wäre, weil ich kein Recht hatte, auf der Karlshöhe herumzuschnüffeln. Zumal ich aussah wie ein Spanner oder ein Zivibulle aus der Vorstadt. Mit einigen Damen und Herren unterhielt ich mich prächtig über das Leben, das sie vor sich und ich hinter mir habe. Wie ich fanden sie es voll scheiße, dass Abiturienten schon wenige Tage nach ihren Stressprüfungen, die heute kaum noch ohne die Hilfe eines guten Medizinmanns durchzustehen sind, wieder in die Schule gehen und Klausuren schreiben müssen. Wer heute das Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona gewinnt, will nicht übemorgen wieder um Punkte gegen die Klopper des VfB antreten. Und erneut die Nasen sehen, die dir nichts fürs Leben, sondern nur überflüssiges Zeugs für ein BWL-Studium auf unsinniger Bachelor-Basis beibringen.

Gut, ich darf mich da nicht einmischen, ich war ein Katastrophenschüler zu einer Zeit, in der es nur deshalb weniger Katastrophen gab, weil ich mich an die meisten nicht mehr erinnern kann. Im Übrigen war ich auf der Karlshöhe wie immer im Dienst der Forschung unterwegs. Jeder von uns hat spätestens seit dem Siegeszug des Punk in den Siebzigern schon Frauen und Männer gesehen, die mit Hosenschlitzen herumlaufen, die mit handelsüblichen Hosenschlitzen nichts zu tun haben. Diese Schlitze befinden sich überall, hinten und vorne, zurzeit aber vorzugsweise am Knie. In unseren Straßenbahnen beobachte ich heute ein echtes Knieschlitz-Fieber. Etliche Firmen bieten solche Schlitzhosen an, ohne auch nur  die Illusion von einer zerschlissenen, heruntergelebten, durch Beugen zerfetzten Hose zu produzieren – etwa mithilfe der menschenmordenden Sandstrahlentechnik für den Used-Jeans-Look, den wir früher mit dem Klappmesser herstellten. Der Ramschkonzern Primark beispielsweise verkauft nagelneue geschlitzte Hosen.

Wäre ich kein Spießer, würden mir solche Dinge gar nicht auffallen. Die eigentliche Frage aber, die ich mir stelle, lautet: Wozu ist ein Hosenschlitz am Knie gut? Klar habe ich von der betörenden Erotik des Knies gehört, schon weil ich die Geschichten vom Tango-Knie kenne und einen der berühmtesten Zwanziger-Jahre-Schlager liebe: „Was machst du mit dem Knie, lieber Hans, mit dem Knie, lieber Hans, beim Tanz?“ Fritz Löhner-Beda, ein früher deutscher Playboy, hat den Text geschrieben, gesungen hat das Lied unter anderem Franzi Ressel.

Zurück zur Karlshöhe. Ich habe mir erlaubt, auf diesen uralten Schlager über den sexuellen Knie-Fall zu verweisen, seit ich weiß, welche Musik sich feiernde Abiturienten reinziehen: Einmal krachte der AC/DC-Song „TNT“ von 1975 aus den Boxen, ein andermal sangen viele junge Damen erregt mit, als „Skandal um Rosi“ lief, das lustige Nutten-Liedchen der Spider Murphy Gang von anno 1981. Knielöcher sah ich im Abiturientenmilieu eher selten.

Bei meinen Hosenschlitz-Ermittlungen in der Bahn hatte ich zuvor beim weiblichen Personal eher selten einen erotischen Ansatz entdeckt, so dass mir nur diese Antwort blieb: Das nackte Knie soll vom Gesicht ablenken. Wie die roten Schuhe des Papsts.

Diese These entspringt, das gebe ich zu, den Macho-Gedanken eines alten Mannes, der die finale Treffsicherheit beim kunstvollen „Knieschuss“, wie ihn uns Karl May gelehrt hat, schon vor langer Zeit eingebüßt hat. Den wahren, unserer Anatomie dienlichen Hosenschlitz findet man, sofern das eine Karlshöhen-Party noch zulässt, bekanntlich im Unterleibsbereich. Und damit komme ich zur Weltpolitik. Der Tübinger OB Boris Palmer will gerade aufs Trittbrett der im Fall Jan Böhmermann erschreckend humorlos geführten Satire-Debatte springen. Im Geist eines von der eigenen Prominenz besoffenen Wirtshaus-Witzbolds rät er dem türkischen Staatschef Erdogan in einem offen Brief: „Schneiden Sie Herrn Böhmermann die Eier ab, damit er sich nie wieder über Präsidenten mit kurzem Schwanz lustig macht.“

Palmers Versuch, als Marktschreier jetzt auch „satirisch“ mitzutönen, hat einen sehr privaten Hintergrund. Rührend kurzschwänzig bettelt er im Internet um Solidarität: Verlöre Böhmermann nämlich seine Eier, stünde Palmer biologisch nicht mehr so nachhaltig allein da.

Mit dieser Aktion zeigt sich der grüne Hosenschlitz-Komiker wieder mal als mediengeiler Luftsack – und ich bitte, diese Formulierung weder als Satire noch als Schmähkritik zu verstehen.

Sondern als Tatsache.





 

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