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Die aktuelle StN-Kolumne:

 

SCHWARZE ZUNFT

Der Frühling begann, und die Ereignisse überschlugen sich, was man auf den ersten Blick nicht sehen konnte, weil Ereignisse keine Autos sind. Auf den Frühling freue ich mich, da beginnt die Saison der Panama-Hüte. Im Lauf der Jahre habe ich es zu drei Panama-Hüten gebracht, und es ist wieder Zeit, sie über Wasserdampf zu befeuchten, damit sie ein langes Leben haben.

Panama ist in Verruf geraten. Ein Heer von internationalen Journalisten hat Millionen Daten geknackt und herausgefunden, dass Politiker und Superreiche, Sportstars und andere Banditen in der Steueroase Panama „Geheimgeschäfte in ungeahntem Ausmaß“ betreiben. Jetzt sind diese Geheimgeschäfte nicht mehr ganz so geheim, und im Grunde sind sie ganz ­normal: Was hinter dem Skandal steckt, nennt man Kapitalismus. Dieses Wort hört man im kapitalistischen System nicht so gern. Als Probleme des Kapitalismus gelten im Kapitalismus nicht die, die ihren Staat bescheißen und mit kriminellen Geschäften Reichtümer ansammeln, sondern die, die nichts haben und deshalb ein bisschen was abhaben wollen.

Doch diese Geschichte ist heute nicht mein Thema. Weil meine Panama-Hüte auf keinen Fall mit in den Dreck der Finanzgangster gezogen werden dürfen, stelle ich klar: Panama-Hüte kommen NICHT aus Panama. Sie heißen so, weil sie früher bei der Einführung von Südamerika in die USA wie andere Waren den Stempel der zentralen Zollstelle Panama tragen mussten. Diese Hüte werden von Hand aus dem Toquillastroh der Scheibenblume Carludovica palmata (Panama-Hut-Pflanze) gefertigt. Näheres erfährt man im Hutgeschäft Louis Lenz in der Poststraße, wo ich zwei meiner Exemplare gekauft habe. Das dritte hat mir eine Freundin aus Ecuador, dem wahren Ursprungsland des Panama-Huts, mitgebracht.

Es gibt die Legende, der Hut trage seinen Namen, seit man Politiker, Bonzen und Prominente bei der Feier zur Eröffnung des Panamakanals 1914 mit entsprechenden Hüten ausgestattet habe. In diesem Fall warne ich vor falschen Schlüssen: Die heutigen Geldhaie und Profitgeier, die in den gerade veröffentlichten „Panama Papers“ der Journalisten auftauchen, erkennt man nicht an Panama-Hüten. Sie tragen Camouflage-Deckel wie Putin oder Stollenschuhe wie Messi – den ich nicht zu den irdischen Gangstern zählen, weil er Fußballgott ist.

Ob es im Sinne des anderen Gottes ist, wenn bei uns auf Baustellen gearbeitet wird, während andere Leute ihre Sonntagshüte ausführen, weiß ich nicht. Als ich am Sonntag durch den Schlossgarten lief, ratterte neben unserem zerstörten Bahnhof eine stattliche Maschine, die Erde und Dreck ausspuckte. Ähnlich geht es auf anderen Baustellen von Stuttgart 21 zu. Die Herrschaften, die das Milliardenprojekt durchprügeln, müssen es eilig haben. Tag und Nacht zu arbeiten ist bekanntlich eine der großen deutschen Tugenden. Und diese deutsche Tugend entfaltet sich besonders prekär, seit immer mehr ausländische Arbeiter für niedrige Löhne bei uns schuften.

S 21 hat ohnehin eigene Gesetze, und man kann es nicht oft genug wiederholen: Der bei den Landtagswahlen abgeschmierte SPD-Politiker Schmiedel hat dem Monsterprojekt einst persönlich „Gottes Segen“ gegeben. Inzwischen fühlt er sich wohl als Gottes Stellvertreter: „Dass Stuttgart 21 kommt“, hat er neulich gesagt, „ist vielleicht nicht ganz unmaßgeblich mir zu verdanken.“ Diese Selbstherrlichkeit erinnert an Donald Trump, als er der Welt verkündete, er werde „der beste Präsident, den Gott je erschaffen hat“.

Überhaupt scheint uns der Himmel sehr nahe, seit im Landtag über eine Grünen-CDU-Regierung verhandelt wird. Die „Süddeutschen ­Zeitung“ wählte kürzlich die Überschrift: „CDU muss durchs grün-schwarze Fegefeuer“. Man stelle sich vor, wie der schwarze Verlierer Wolf in der Hölle schmort und sich über Dantes Läuterungsberg quält, ehe er der Kanzlerin wieder seinen Plüsch-Wolf unter die Nase hält. Diese Schießbuden-Nummer dürfte demnächst fortgesetzt werden, wenn Wolf dem grünen Superelefanten Kretschmann als schwarzer Wadenbeißer hinterherdackelt. Da riecht man jetzt schon das Fegefeuer der Eitelkeiten.

Das ganze Gedöns um die Wichtigkeit der als „historisch“ gefeierten Landtagswahl kann ich nicht nachvollziehen. Für mich hat Kretschmann keine politische Wahl gewonnen, eher eine Art Folklore-Wettbewerb nach dem Motto: „Südwestdeutschland sucht den Super-Opa“. Dass er daraus wie eine Lichtgestalt hervorging, könnte einen simplen Grund haben: Sein Konkurrent Wolf trat im Wahlkampf auf, als würde er bei der Ravensburger Fasnet Büttenreden für die „Schwarze Veri Zunft“ halten. Auf bessere Rhetorik trifft man zur Not in jedem Kleintierzüchterverein.

Die Wahl ist Geschichte, merkwürdig aber, dass die AfD – im Wahlkampf noch dominierendes Thema – in der Landespolitik schon so gut wie integriert zu sein scheint. Als seien 15 Prozent der Stimmen für diese Partei in diesem Land nicht mehr der Rede wert. Der Blick auf die rassistischen und rechtsextremen Entwicklungen und vor allem deren Ursachen (wie Armut und eingestellter sozialer Wohnungsbau) sind wichtiger als die Frage, ob ein Herr Strobl Minister wird. Strobl hat ja schon 2013 eine neue, voll ­hippe Großstadt-CDU ­erfunden, als er ­sagte, „dass wir unsere erfolgreiche wirtschaftspolitische Erzählung, die wir als Union haben, verbinden mit einer Erzählung von ­Ökologie, von Emanzipation, von Gleichberechtigung“. Die „Erzählung“, bei größerem Hang zur plumpen Angeberei auch „Narrativ“ genannt, geistert seit Jahren in der Politik als cool klingender Ersatz für das Wort „Partei-Propaganda“ herum.

Da sage ich mir: Kein Panama-Hut ist so alt wie der Versuch von Politikern, aus Kuhfladen Veilchenduft zu gewinnen.



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