Bauers DepeschenMontag, 08. September 2008, 222. DepeschePUNKT MITTERNACHT. Verehrter Depeschen-Gast, willkommen zu Hause. Viele Depeschen-Leser sind aus dem Urlaub zurück. Bereits am Samstag schnellten die Klick-Zahlen auf der Flaneursalon-Seite dramatisch nach oben. Das ist wahr. Geregeltes Wochenende. Sauniert / geschwommen, gelaufen. Hab den Sport-Rhythmus seit Depeschen-Start vor anderthalb Jahren gehalten. Komme gerade aus Obertürkheim. In diesem Quartier kannte ich bisher nur den Bahnhof. Und das Kino. Am Donnerstag feiert die Kinothek Obertürkheim ihr 50-jähriges Bestehen. Eine Menge Holz für ein letztes Filmtheater in der Vorstadt. Am Samstag saß ich mit Peter Rommel, dem Produzenten des gerade angelaufenen Films „Wolke 9“, im Bad Berg. Herrn Rommel kenne ich seit 28 Jahren. Früher fuhr er im Auftrag eines Verleihs die Filmdosen für die Stuttgarter Kinos aus. Später saß er an der Kasse im Kino am Steinplatz in Berlin. Zwischendurch gründete er in Stuttgart die Mitfahrzentrale West. Seit 15 Jahren produziert er in Berlin Filme („Nachtgestalten“). Peter Rommel ist ein Nischen-Gänger. Er kauft seine Platten (Neil Young, Nick Cave) weiterhin bei Ratzer in Stuttgart und steht regelmäßig mit Dauerkarte im A-Block des VfB. Ein unnachgiebiger Rock- und Fußballmann. „Wolke 9“, übrigens nach einer Songzeile von John Lennon so genannt, hat am ersten Wochenende eingeschlagen. Ausverkaufte Häuser. Nobody loves you when you're down and out Nobody knows you when you're on CLOUD NINE Everybody's hustling for a buck and a dime I'll scratch your back and you knife mine Als ich am 9. November 1989 nach dem Pokalspiel zwischen dem VfB und dem FC Bayern im Neckarstadion nach Berlin kam, um den Fall der Mauer aus der Nähe zu sehen, kutschierte mich Peter Rommel in seinem alten Volvo durch die Stadt. Glienicker Brücke etc. Ein schwäbischer Hotelier in Steglitz, ich kannte ihn als Mann aus den Reihen der Stuttgarter Kickers, hatte mir in der überfüllten Stadt noch schnell eine Bude klargemacht. Herr Rommel verschlief den Beginn des Mauerfalls am Abend des 9. November. Er hing vor dem Fernseher und glotzte VfB vs. Bayern. Der VfB gewann. Auf „Wolke 9“, einen Film über Alterssex („Taz“ auf ihrer Titelseite: „Yes, we can!“), kann man im Grunde nur im Bad Berg kommen. Das Bad Berg ist Ersatz oder Motivation für Alterssex. Ich weiß es nicht genau. Ich ging dort schon hin, als ich noch weit unter der Altsack-Grenze durchs Leben kraulte. Der Produzent Rommel, auch nicht viel jünger, liegt immer am Beckenrand im Berg, wenn er in Stuttgart ist, also recht oft. Habe mich überreden lassen, einen Krimi-Bestseller des mit 54 Jahren am Herzinfarkt gestorbenen Schweden Stieg Larsson zu lesen. „Ich lese keine skandinavischen Scheißkrimis“, habe ich gebrüllt, „ich lese nur amerikanische Krimis.“ Dann habe ich angefangen, „Verblendung“ zu lesen, den ersten Roman der Larsson-Trilogie, und war plötzlich auf Seite 150. Peinlich. Habe Frau Mirjam mit j das Buch empfohlen, als ich auf Seite 150 war. Jetzt ist sie bereits beim zweiten Larsson, und ich hänge immer noch auf Seite 400 des ersten. Ich finde Krimis mit über 600 Seiten zu lang. Man kann Leute schneller umbringen. Frau Mirjam mit j hat mich beauftragt, sämtliche T-Shirt-Aufdrucke der etwas schräg geratenen Hackerin und Hilfsermittlerin aus „Verblendung“ zu notieren, weil sie die Sprüche vergessen hat. Der erste T-Shirt-Satz, den ich aufgeschrieben habe, geht so: „Armageddon was yesterday – today we have a serious problem“. Darauf, schätze ich, kann man aufbauen. Irgendeine deutsche Drogenbeauftragte der SPD fordert, das Fernsehen solle keine Filme mehr mit Zigaretten rauchenden Stars ausstrahlen. Wegen der Gesundheitsgefahr für Nachahmer. Ich fordere hiermit, keine Filme mehr mit Politiker spielenden Stars auszustrahlen. Wegen der Verblödungsgefahr für Nachahmer. Kurz vor Mitternacht. Denken Sie an die Reste Ihrer Seniorenerotik, und werfen Sie nicht den gleichen Scheiß ein wie die Drogenbeauftragte. - Kolumnen in den Stuttgarter Nachrichten: www.stuttgarter-nachrichten.de/joebauer - ZEHN JAHRE FLANEURSALON am Dienstag, 14. Oktober, im Theaterhaus. Vorverkauf läuft gar nicht so schlecht. Karten: 0711 / 40 20 720 - Flaneursalon in Fellbach: 19. September!!! „Kontakt“ |
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