Bauers DepeschenSamstag, 05. Dezember 2015, 1561. DepescheNUMMER 300 Die Behauptung, ich hielte an diesem Montag, dem 7. Dezember, meine 300. Montagsdemo-Rede, ist falsch. Richtig ist, dass ich an diesem Montag eine von drei Reden bei der 300. Montagsdemo vortrage. 18 Uhr. Hauptbahnhof. Die Stuttgarter Zeitung über mein Kolumnen-Buch: KESSEL-HESSEL UND DIE KOMAKÄUFER Joe Bauer stiefelt durch Stuttgarts Geschichte und Gegenwart. Von Julia Schröder Wenn man die eigene Stadt lang genug anschaut, schaut sie ganz fremd zurück. Das ist der Augenblick des Kolumnisten. Joe Bauer, im langjährigen Dienst der „Stuttgarter Nachrichten“ zumeist fußläufig unterwegs im Kessel, auf den (Halb-)Höhen und bei Gelegenheit weit darüber hinaus, durchstreift das nur scheinbar allzu Bekannte mit der Leidenschaft des Archäologen, der unter den teils polierten, teils ganz schön abgerissenen Oberflächen Stadtgeschichte ausgräbt und wieder zum Teil der Gegenwart macht. „In Stiefeln durch Stuttgart“ heißt Bauers jüngste Sammlung von Kolumnen und anderen Depeschen, und in diesen Stiefeln bewegt er sich in den Fußstapfen etwa eines Franz Hessel, der vor bald hundert Jahren Ähnliches für Berlin unternahm. Nun ist die Landeshauptstadt Stuttgart unserer Tage, wie Bauer sie erläuft und erkundet, mit Hessels Metropole im Aufbruch kaum zu verwechseln, aber beider Art, sich den Dingen und Menschen zu nähern, ist durchaus vergleichbar. Es geht übrigens tatsächlich darum, sich ihnen zu nähern, und nicht darum, mit dem, was man eh schon über sie wusste, die eigene Vorurteilsstruktur und die des Lesers zu möblieren. Wobei sich mancherlei zwischen Waldfriedhof, Waldau und Waldhorn, Fritz Kuhns Amtsstube im Rathaus und den lederzähen Neuner-Bräunern, „Demo für alle“ und Stolpersteinverlegung die erfrischend zum Grimmigen neigende Spottlust des Stadtspaziergängers gefallen lassen muss. Das gilt nicht erst, seitdem dessen Blick auf Segnungen und Sünden der Stadtentwicklung sich in den S-21-Auseinandersetzungen nochmals geschärft hat. Man liest da Sätze wie: „Wenn du mit Vollbart, Strampelhose und Stoffturnschuhen in einem weltstädtischen Eiscafé am Marienplatz vor der Zacke hockst, ist auf New Yorks Meatpacking District geschissen.“ Das ist zum Teil sehr komisch, zum Teil erregend und manchmal herzzerreißend. Getragen aber ist all das, und das ist die Hauptsache, von leidenschaftlichem Interesse am Vorhandenen wie am Verschwundenen. Man könnte diese Prosa im oben zitierten Sinn als das Gegenteil von hip bezeichnen. Joe Bauer ist ein Mann mit Stil und Haltung – und, wie im Lauf der Zeit immer deutlicher wird, ein Mann mit einer Mission: Bürger, schaut auf eure Stadt! Joe Bauer: "In Stiefeln durch Stuttgart. - Zwischen Komakäufern und Rebellen." Edition Tiamat, Berlin. 256 Seiten, 14 Euro. |
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