Bauers DepeschenDonnerstag, 02. Dezember 2010, 631. DepescheHYMNE AUF WIEDERSEHEN, BAUZAUN ACHTUNG, BENEFIZ Am kommenden Samstag, 4. Dezember, findet in der Rosenau eine Benefiz-Lesung zugunsten der S-21-Demonstranten statt, die am "Schwarzen Donnerstag" im Schlossgarten schwer verletzt wurden. Teilnehmer: Timo Brunke – Ellen Rein – Achim Gross – Johannes Finke – Sandra Hartmann – Joe Bauer – Carsten Dietzel – Lotte Llacht (alias Reitzner) – Tobias Heyel. Beginn: 20 Uhr. Veranstalter ist Peter Stellwag. FLANEURSALON-TERMIN Nicht vergessen: Maulwurf-Matinee am Sonntag, 19. Dezember, mit den Musikanten Zam Helga, Dacia Bridges und dem Vorleser. Beginn: 11 Uhr. Die aktuelle StN-Kolumne: PLUS BANANE Am Morgen nach dem dunklen Novembertag sah die Stadt lange aus, als schliefen noch alle Menschen vor dem laufenden Fernsehgerät. Wenn früher viele Leute gleichzeitig vor dem Fernseher schliefen, sprach man von einem „Straßenfeger“. Ein Mann aus der Stuttgarter Altstadt – er war lange Jahre im Sexual-Management tätig – wurde einmal vom Strafrichter gefragt, wie er sein Geld verdiene. Der Mann antwortete: „Ich arbeite als Strandfeger an der Cote d’Azur.“ Heiner Geißler ist ein Straßenfeger. An guten Tagen brachte er es mit seiner Schlichtungsshow auf über eine Million Zuschauer. Das bedeutet: Jeder Stuttgarter saß mit einem Partner vor dem Fernseher. Als Heiner Geißler seinen Schlichtungsspruch gesprochen hatte, wurde es ruhig in der Stadt. Die Strandfeger in der Altstadt hörten auf die Cote d’Azur zu kehren, und am nächsten Morgen war alles friedlich. Selbst die Polizisten in den U-Bahn-Stationen trugen nicht mehr wie die Tage zuvor Maschinenpistolen, sondern nur ihre Alltagsknarren. Ein Schlichterspruch ist noch höher anzusiedeln als die Tatsachenentscheidung eines Fußballschiedsrichters. Da kann man hinterher nicht einfach den roten Marica machen und den Schlichter gegen eine lächerliche Gebühr von 50 000 Euro (wahlweise DB-Mark) ein „Arschloch“ nennen. Der Straßenfeger Heiner Geißler ist ein netter Mann. Er hat uns beigebracht, dass wir eines Tages nicht nur um einige Minuten schneller als bisher in Ulm sein werden. Seit diesem Jahr kommt sogar der Weihnachtsmann früher. Diesmal war er schon am 30. November in Stuttgart. Heiner Geißler kam mit der Würde und der Großzügigkeit des Weihnachtsmanns. Stuttgart 21 ist nach der Bescherung am 30. November nicht mehr nur Stuttgart 21. Stuttgart 21 ist jetzt „Stuttgart 21 plus“. Jedes Mal wenn ich in der Apotheke meine Vitamintabletten kaufe, sagt der Apotheker: „Ich will Ihnen nicht zu nahe treten. Aber wollen Sie die Vitamintabletten 50 plus?“. Dann bin ich nahe am Treten. 50 plus ist ein anderer Begriff für uralter Sack. S 21 plus ist ein anderes Wort für ein uraltes Sackbahnhofabschaffungsprojekt. Der große Straßenfeger Heiner Geißler hat uns in seiner Schlichtungsshow alles über die moderne deutsche Demokratie gelehrt. Erst berief er sich auf Immanuel Kant. Dann auf die Transparenz. Der Aufklärungsphilosoph Kant wirkte im 18. Jahrhundert. Transparenz wurde in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts berühmt: Die Sowjets rückten von ihrem Kommunismus ab und propagierten Glasnost (Transparenz). Zu Glasnost kam Perestroika (Umwandlung). In Stuttgart wurde der Glasnost-Perestroika-Prozess erst im Jahr 2010 gestartet, allerdings in umgekehrter Reihenfolge. Zuerst hat man den Bahnhof in einen Torso und Bäume in Brennholz umgewandelt. Danach – weil die Bürger protestierten – das Resultat der Zerstörung als Fernsehshow transparent gemacht. In diesem Fall spricht man nicht von Glasnost und Perestroika, sondern, in Anlehnung an eine große CDU-Politikerin und einen schwergewichtigen SPD-Politiker, von der Gönnerisierung Baden-Württembergs. Berühmt werden dürfte dieser Vorgang als Bombengeschäft mit vielen Milliarden plus. Der Deal findet statt dank der mafiösen Strukturen im Land, besser bekannt als der In-Ulm-und-um-Ulmherum-Pakt. (Das Wort mafiös ist parlamentarisch und juristisch legitimiert.) In der letzten Schlichtungsrunde, bevor der große Straßenfeger sein Urteil fällte, hatte ich zugesehen, wie einige Teilnehmer Bananen verschlangen. Das ist eine beliebte Methode im demokratischen Showgeschäft. Sie signalisiert: Gebt den Affen Zucker! Klärt sie auf wie der Kant! Transpariert sie wie der Russe! Mit der Strategie S 21 plus Banane hat der große Straßenfeger Heiner Geißler die Kollegen der Mappus-Show und die Kanzlerin im Rennen gehalten. Frau Merkel hat ein Verhältnis zur Banane. Es ist einundzwanzig Jahre her, da hat sie ihre erste freie Westbanane in die Hand genommen. Sie hat die Banane angeschaut und Heiner Geißler daran schnuppern lassen. Bald darauf hat sie aus der Banane eine ganze Republik geformt. Da wird sie sich die Südfrüchte der Sorte 21 plus kaum entgehen lassen. SOUNDTRACK DES TAGES Vielleicht mal, wenn es S 21 erlaubt, einen Blick auf: GLANZ & ELEND KOMMENTARE SCHREIBEN: LESERSALON E-Mail-„Kontakt“ DIE STN-KOLUMNEN FRIENDLY FIRE: FlÜGEL TV VINCENT KLINK UNSERE STADT KESSEL.TV EDITION TIAMAT BERLIN (Hier gibt es mein Buch "Schwaben, Schwafler Ehrenmänner - Spazieren und vor die Hunde gehen in Stuttgart") www.bittermann.edition-tiamat.de (mit der Fußball-Kolumne "Blutgrätsche") |
Auswahl |