Bauers Depeschen


Dienstag, 11. Januar 2011, 654. Depesche



Die Klickzahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Ferien sind vorbei, die St.-Moritz- und Palermo-Delegationen zurück in der Heimat. Willkommen im Netzsalon.



Hier die aktuelle StN-Kolumne, eine kleine Erinnerung:



DIE SACHE KEITH RICHARDS

Seltsam, womit die Deutschen ins Bett gehen. Auf der „Spiegel“-Bestsellerliste der Sachbücher hat sich Thilo Sarrazins Angstmacher „Deutschland schafft sich ab“ auf Platz eins eingenistet, dahinter folgt Loki Schmidts Vermächtnis „Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde“, und schon auf Platz vier steht Keith Richards’ Rock’n’Roller-Report „Life“.

Keith Richards ist am 18. Dezember vergangenen Jahres 67 geworden, da hatte ich seine 735 Seiten starke Autobiografie schon unterm Kopfkissen. Dann war Weihnachten, Zeit zum Lesen, und zur multimedialen Einstimmung legte ich die Stones-LP „Exile On Main Street“ auf. Keith Richards singt auf dieser Platte „Happy“, den Song über einen abgebrannten Kerl, dem nur noch eine Frau helfen kann.

Der Ton des Buchs enttäuschte mich zunächst, auch wenn ich, neugierig wie ein altes Weib, Seite für Seite las, um den Spuren dieses vitalen Trümmerlebens zu folgen. Ich las die Kapitel nach dem Motto „Keith Richards schafft sich selber ab“ oder „Keith Richards zwei Meter über dem roten Teppich und fast unter der Erde“. Keith Richards’ Co-Autor James Fox produziert Kaschemmen- Sound: „Freddie trug die fürchterlichsten Klamotten. Ein Freizeitanzug, die Hosenbeine in Cowboystiefel gesteckt. . . Oder ein beschissenes Seidenjackett, dazu enge Hüfthosen, aus denen sein dicker, fetter Arsch quoll . . . Verpisst euch, verdammte Scheiße! . . .“ Das ist, bei allem Respekt vor den Abgründen, mit der Zeit etwa ermüdend, zumal man sich erinnert, wie ergreifend Keith Richards klingt, wenn er Songs wie „Sleep Tonight“ oder „Thief In The Night“ spielt und singt.

Als ich 300 Seiten hinter mir hatte, fiel mir ein, dass in meinem Büro immer noch das Plakat mit dem Foto hängt, das Bild, das der österreichische Künstler Gottfried Helnwein von Keith Richards gemacht hat. Schwarzweißes Landkartengesicht, Totenkopfring am Gitarrenspielerfinger.

Das Plakat ist von Helnwein signiert, vor achtzehn Jahren habe ich es rahmen lassen. Eine wahre Trophäe, und das kam so: Das Team des Jugendhauses Mitte, schon in frühen Zeiten engagierte Kulturveranstalter, hatte im Mai 1992 Helnweins Foto-Ausstellung „It’s only Rock’n’Roll – Keith Richards Porträts“ an Land gezogen. Die Sache war ein Ereignis. Helnwein kam zur Vernissage und brachte außer erstklassigen Bildern auch gute Geschichten aus der Intimzone seines Helden mit. Diese Dinge haben wir diskret behandelt, schließlich war die Aktion eine Ehre für die „Stuttgarter Szene“: alle Abgerissenen happy.

Helnwein, schon seinerzeit ziemlich berühmt, war sogar mit der Botschaft eingetroffen, man dürfe sich an Keith Richards’ Managerin Jane Rose in New York wenden, diese Frau könne helfen. Die Telefonnummer stimmte, Jane Rose am anderen Ende der Welt wünschte der Ausstellung viel Erfolg und uns ein glückliches Leben. Wenn Mr. Richards Zeit finde, sagte sie noch, werde er selbst ans Telefon gehen.

Einer der damaligen Jugendhaus-Leute war Christoph Peichl; heute organisiert er im Ludwigsburger Kulturamt internationale Tanztheater-Reihen. Neulich habe ich ihn gefragt, ob er sich erinnern könne, wie wir Keith Richards am Telefon erwischt hätten. Ich behaupte einfach mal, irgendwann war er dran. Diese Totenkopfstimme vergisst man nicht. Niemals. Vielleicht aber, auch dies scheint heute denkbar, hatten wir diese Variante der Geschichte nach einigen bewusstseinserweiternden Getränken 1992 einfach so beschlossen.

Sicher ist: Kurz nach einem Anruf in New York traf das Fax eines Managements mit der Nachricht ein, Helnwein besitze nicht die Rechte an allen Bildern, die in Stuttgart zu sehen seien. Zu allem Unglück hatte inzwischen in der Stadt auch noch das Gerücht die Runde gemacht, Helnwein sei Sympathisant der Sekte Scientology.

Das war zu viel Rock’n’Roll für Stuttgarter Verhältnisse. Alle zitterten.

Am Ende ging die Sache ohne Juristen-Einsatz über die Bühne. Wir feierten die Vernissage mit arschgeiler Rock’n’Roll-Musik, dicken, fetten Drinks und höllenhündischer Energie. Keith Richards war mitten unter uns. Jedenfalls so ähnlich.

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