Bauers Depeschen


Mittwoch, 12. Januar 2011, 655. Depesche



UHU-BAR

Am Dienstag, 22. Februar, gibt es in der Uhu-Bar, Leonhardstraße, den Flaneursalon intim. Mit Dacia Bridges, Zam Helga (siehe DIE KÜNSTLER) und dem Vorleser. Beginn 20 Uhr. Karten in der Bar bei Oskar - abends ab acht.



OBERMAIER

In meiner gestrigen Kolumne habe ich eine Stuttgarter Keith-Richards-Anekdote erzählt. In „Life“, der Autobiografie des Stones-Gitarristen, taucht auch der Name Uschi Obermaier auf. Dazu habe ich diese kleine Stuttgart-Geschichte in meinem Rechner gefunden (und damit ist es gut):



OOOSHEEE

Es war eine harte Nacht von Sonntag auf Montag. Die Polizei, mit Feuerwehrschläuchen im Einsatz, erstellte die Opferliste: "8 Verletzte, 1 Rauschgift-Vergifteter, 1 Herzkollaps, 48 Ohnmächtige". 5000 Mark Sachschaden.

Es war die Nacht zum 26. September 1970, als eine Rockband namens The Rolling Stones und 12 000 ihrer Fans die Messe auf dem Killesberg heimsuchten. "Zu einpeitschender und brutaler Rock'n'Roll-Musik", schrieben anderntags die "Stuttgarter Nachrichten", habe "die Menge" in der "tropisch heißen Halle" gewogt "wie ein See im Sturm". "Für die Anwohner am Killesberg war es ein einziges Ärgernis".

Vermutlich hätte ich die Geschichte nie aufgeschrieben. Wäre nicht irgendwann im neuen Jahrtausend eine Stellenanzeige im Internet aufgetaucht: Die Münchner Produktionsfirma Neue Bioskop suchte für die Verfilmung des Lebens der Pop-Ikone Uschi Obermaier eine Hauptdarstellerin. Schauspielkunst, teilte das Unternehmen mit, sei nicht gefragt, wichtiger seien "optische Ähnlichkeit, der Sexappeal und die Ausstrahlungskraft der jungen Uschi Obermaier".

Die Heldin des – später miserabel inszenierten – Kinofilms galt in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als "erstes deutsches Supermodel", als "schönstes Gesicht der Apo". Sie war das Pin-up-Idol der Studentenrevolte. Drehorte des Films waren München, Berlin, Köln, Hamburg und Indien.

Ein wichtiger Akt im Leben der Uschi Obermaier spielt auch in Stuttgart. Der Journalist Claudius Seidl, heute Kulturchef der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, hat die Episode für die Mitte der Neunziger erschienene Autobiografie "Uschi Obermaier - Das wilde Leben" aufgeschrieben. Deutschlands populärstes Covergirl hatte zunächst in der Berliner Kommune 1 "freie Liebe" praktiziert, sie schmückte die Titelseiten von "Twen" und "Bravo" und hatte ihre erste Nahkampferfahrung mit dem Stones-Sänger Mick Jagger bereits hinter sich, als sie ihn 1970 in Stuttgart besuchte. Dafür verließ sie den damaligen Kommunarden und heutigen Dschungelcamp-Opa Rainer Langhans (sie lebte mit ihm im Münchner Bohemeviertel Schwabing) und fuhr nach Stuttgart.

"Auf der Strecke von München nach Stuttgart", heißt es in ihrem Buch, "gab es Städte und Landschaften, von denen hatte ich noch nie gehört, und wenn ich durchs Abteilfenster guckte, fand ich es sehr beruhigend, dass ein halber Zentimeter Glas zwischen ihnen und mir lag (. . .) Ich stand früh auf, zog das weiße indische Hemd an, das im Gegenlicht durchsichtig war, und Sandalen, die waren bis zu den Knöcheln geschnürt. Ich roch gut, fühlte mich ausgeschlafen, und wenn er (Mick Jagger) damals in London, als ich erschöpft und verschwitzt war (. . .), wenn er da schon heiß auf mich gewesen war, dann sollte er jetzt in Ohnmacht fallen. Ich kannte Stuttgart nicht und wollte es nicht kennen lernen. Es war trotzdem ein Heimspiel."

Das Treffen fand im Hotel am Schlossgarten statt. "Der Portier war nicht besonders freundlich und sagte, dass er mir nicht helfen könne. Ich sei so etwa die Zweihundertste, die nach Mick Jagger frage. ,Was für ein Pech', sagte ich. Ich stand in der Halle, durch die Drehtür schlenderte ein Mann mit schwarz abstehenden Haaren und einem kranken Ausdruck im Gesicht. Er war schmaler, als ich ihn mir vorgestellt hatte, aber die Augen zwischen den mageren Wangen waren dunkel und warm, sein Mund war freundlich. Ich schob mich an seiner Begleiterin vorbei."

Als sich Frau Obermaier der Stones-Entourage mit den Worten "Hi, ich bin Uschi. Ich bin mit Mick verabredet" vorstellte, sah ihr ein anderer Mann ins Gesicht. Er sagte leise: "Schade". Das war der Stones-Gitarrist Keith Richards, der später im Buch das Vorwort schrieb: "Ich hatte den Eindruck, dass ganz Europa von Uschi schwärmte. Ich war ihr nur einmal begegnet, es war wohl in Stuttgart gewesen. Und dann sah ich sie nur noch auf Postern und Titelbildern."

Der Korrektheit halber sei erwähnt, dass Mr. Jagger Frau Obermaier - er nannte sie "Ooosheee" - in seine Schlossgarten-Suite führte. Was danach passierte, muss zu Frau Obermaiers Zufriedenheit ausgefallen sein. Wenige Tage später fuhren sie zusammen zum Schloss Neuschwanstein.

In Stuttgart blieben Scherben zurück. Die Killesberg-Anwohner, schrieben die Stuttgarter Nachrichten, "können sich nur damit trösten, dass die auf dem Killesberg noch so verrückt gefeierten Rolling Stones auf dem absteigenden Ast sind und sobald nicht mehr zum Radaumachen nach Stuttgart kommen".

Der Kommentator, im Nebenberuf schwäbischer Mundartdichter, behielt nicht Recht. Zwar befand sich die Band 1970 auf dem Tiefpunkt ihrer Karriere (Gitarrist Brian Jones war ein Jahr zuvor tot in einem Swimming-Pool gefunden worden, die Stones hatten Krach mit ihrem Management und waren so gut wie bankrott). Aber schon im April 1971 feierten sie mit dem Album „Sticky Fingers“ ein sensationelles Comeback. Auf der LP sind großartige Songs wie Mick Jaggers "Brown Sugar" und Keith Richards' "Wild Horses" zu hören; bis heute zählen sie zu den schönsten Nummern der Stones.

Nach Stuttgart kamen sie übrigens auch wieder: 1976 ins Neckarstadion, 1998 auf den Wasen, 2005 ins Daimlerstadion. Auch die Bullen waren wieder da. Auf der Tribüne saß zuletzt der damalige Stuttgarter Polizeipräsident und spätere Ordnungsbürgermeister Martin Schairer - als bekennender Fan und sogenannter VIP.

SOUNDTRACK DES TAGES

KOMMENTARE SCHREIBEN: LESERSALON



DIE STN-KOLUMNEN



FRIENDLY FIRE:

NACHDENKSEITEN

FlÜGEL TV

VINCENT KLINK

UNSERE STADT

KESSEL.TV

GLANZ & ELEND

EDITION TIAMAT BERLIN (Hier gibt es mein Buch "Schwaben, Schwafler Ehrenmänner - Spazieren und vor die Hunde gehen in Stuttgart")

www.bittermann.edition-tiamat.de (mit der Fußball-Kolumne "Blutgrätsche")



 

 

Auswahl


Depeschen 2311 - 2318

Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

Depeschen 1141 - 1170

Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

Depeschen 1021 - 1050

Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660
19.01.2011

18.01.2011

16.01.2011
15.01.2011

13.01.2011

12.01.2011
11.01.2011

10.01.2011

07.01.2011
05.01.2011

04.01.2011

03.01.2011
02.01.2011

31.12.2010

30.12.2010
28.12.2010

25.12.2010

24.12.2010
23.12.2010

20.12.2010

19.12.2010
17.12.2010

14.12.2010

13.12.2010
10.12.2010

08.12.2010

07.12.2010
06.12.2010

04.12.2010

02.12.2010

Depeschen 601 - 630

Depeschen 571 - 600

Depeschen 541 - 570

Depeschen 511 - 540

Depeschen 481 - 510

Depeschen 451 - 480

Depeschen 421 - 450

Depeschen 391 - 420

Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

Depeschen 271 - 300

Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




© 2007-2024 AD1 media ·