Bauers Depeschen


Samstag, 14. April 2012, 890. Depesche



Nachtrag II

VERDAMMT KNAPP: Stuttgarter Kickers - Hessen Kassel 2:1



FLANEURSALON IN OSTHEIM

Der nächste Flaneursalon findet am Mittwoch, 9. Mai, im historischen Wirtshaussaal der Friedenau in der ehemaligen Arbeiterkolonie Stuttgart-Ostheim statt. Es spielen Stefan Hiss, Roland Baisch, Anja Binder & Jens-Peter Abele. 20 Uhr. Karten: 07 11 / 2 62 69 24.



NOTIZ

Der Berliner Kleinverleger Klaus Bittermann, Deutschlands größter No-Marketing-Mann, feiert an diesem Samstag im Kreuzbergr Club Monarch seinen 60. Geburtstag und das 33-jährige Bestehen seiner Edition Tiamat. Neben Wiglaf Droste, Horst Tomayer, Hartmut El Kurdi, Jan Off und Heiko Werning ist auch unsereins als lesender Gast zur Verlagsparty geladen. Hoffe, komme als Sauschwabe lebend wieder raus.



NACHTRAG am Sonntag: Es war ein langer, kurzweiliger Leseabend mit sehr verschiedenen Sounds am Samstag in Berlin, SO 36, Kottbusser Tor. Kollegen und Publikum waren ausgesprochen gut zu mir. Als Überraschungsgast trat mein alter Freund ARNULF RATING auf. Am Freitag, 27. April, gastiert der Berliner Kabarettist im Stuttgarter Renitenztheater. Sehr empfehlenswert.



ES IST SO WEIT:

FLANEURSALON bittet zum HAFEN-PICKNICK

HIER GEHT ES ZUM VORVERKAUF



SOUNDTRACK DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne vom Samstag:



GROSSES KINO

Keiner muss weit laufen, will er sehen, wie sich die Dinge verändern. Seit Jahren grassiert die Eckkneipen-Seuche in den Städten. Die Tage, als Typen wie Olli Dittrichs TV-Figur „Dittsche“ in Pantoffeln und Bademantel ihr bewirtetes Zweitwohnzimmer auf zwei Bier heimsuchten, sind vorbei.

Am Hölderlinplatz, wo ich zur Straßenbahn gehe, hat vor geraumer Zeit neben der Apotheke die Caffebar Hölderlin eröffnet, eine Filiale des Café Seyffer’s im Westen. Die kleine Laden ist groß genug für ein Dutzend Gäste und gut besucht. Es sind junge Leute, die sich treffen an diesem Ort, gestaltet mit gutem Gespür für Schnörkellosigkeit, für die klare Linie einer zeitlosen Bar.

Zuvor war in diesem Haus das Schoko-Paradies. Zum Glück hat der Laden gegenüber eine neue Bleibe gefunden, an der Haltestelle, wo das Asia-Restaurant Ha Long in die frühere Bierakademie eingezogen ist.

Die beste Tratsch- und Trinkbörse am Hölderlinplatz war einst Rosi’s Pinte, eine klassische Eckkneipe. Der frühere Griechenwirt Lazi hatte bis vor wenigen Jahren viel zu tun. Die Leute aus dem Viertel waren ihm treu. Dienst war Dienst, Uzo war Uzo, und Lazi hatte auch recht, wenn sein Gegner einen halben Meter größer war als er. Der alte Lazi ist weg. Rosi’s Pinte gibt es noch.

Als die Eckkneipe noch dem nachbarschaftlichen Zentralkomitee zur Beurteilung der Weltlage diente, hätte jeder Wirt in der Stadt mit dem Begriff „Bar“ die Moralapostel aufgescheucht. Anders als in unseren Urlaubsländern galt in Stuttgart der Name Bar als zwielichtig. Er wurde dem Rotlichtmilieu zugeordnet, vor allem von der Sorte Rathaus-Spießern, die ihre Überstunden bei Damen im Rotlicht ableisteten.

Als es noch keine kleinen Bars in der Stadt gab, wäre es auch undenkbar gewesen, abends um acht dem Friseur nebenan durchs Schaufenster bei der Arbeit zuzuschauen, jedenfalls nicht an einem lebenden Kunden. Heute ist Haareschneiden nach acht so üblich, wie kurz vor zehn auf dem Weg zur Toilette an der Ecke Klopapier zu kaufen. Es gibt gute Veränderungen.

Zum Glück heißt das kleine Friseurgeschäft auf meinem Weg nicht Hairforce One, Mata Haari oder Haarakiri. Es nennt sich Salon. Klingt cool wie Bar.

Wovon ich berichte, ging mir auf dem Weg zur Bahn durch den Kopf. Lustig, dachte ich, heute wird dir zu einer Uhrzeit der Kamm geschoren, wo dir früher die Polizei eine einschenkte, weil du noch ein Bier wolltest. Sperrzeit! Als ob sie die Zeit sperren könnten wie ein Baugelände, auf dem, das ist mein Eindruck, bald der alte Bahnhof komplett fallen wird, weil er den Spekulanten im Weg steht wie eine alte Kaschemme.

Als ich nach ein paar Minuten den Hölderlinplatz erreichte, war ich in Gedanken durch dreißig Jahre Kneipen- und Polizeigeschichte gestiefelt. Am Charlottenplatz wechselte ich die Bahn und fuhr zur U-Bahnstation Killesberg. Kurz vor neun stieg ich mutterseelenallein die Treppen hoch, gut sechzig Stufen.

Zuvor hatte ich – Sinn der Reise – an den Stationswänden wieder mal die Bilder von Ulrich Bernhardts gewaltigem Filmfries „Kulturströme“ betrachtet: Rhein- und Neckarmotive aus den Jahren 1991 bis 1993. Betörendes Unterwegskino unter Tage. In den bitteren Jahren, als man um Mitternacht aus den Kneipen flog, wenn man keine Geheimkaschemme hatte, war der Künstler Ulrich Bernhardt als „Zwiebel“ bekannt. Legendär ein von ihm mitgestaltetes Apo-Plakat aus den Sechzigern: Unter den Konterfeis von Marx, Engels und Lenin steht der Deutsche-Bahn-Slogan „Alle reden vom Wetter. Wir nicht.“ Anscheinend litt die Bahn schon damals an Größenwahn.

Ulrich Bernhardt, 1942 geboren, ist aktiv wie eh und je. Wenn er mir begegnet, werde ich sagen: Herr Zwiebel, lass uns zum Killesberg fahren. Wir werden, vorbei an seinen Fotostrecken, die Treppe hochsteigen und vor der Baustelle „Think K“ stehen, das kleine Hinweisschild zum Theodor-Heuss-Haus vor Augen.

Am Bauzaun kleben beschriftete Werbefotos von einer Stuttgarter Weltläufigkeit, wie wir sie aus den Tagen gestriger Eckkneipen kennen. Zu sehen sind unter anderem zwei Filmer, einen kenne ich aus alten Zwiebel-Tagen, man hat ihm einen falschen Vornamen zugeordnet und diesen Text dazugestellt: „Wir machen den Film zur Erfolgsstory von Think K.“ Großes Kino.

Auf der Baustelle Think Ka oder Key (K wie Komplexe) wird noch gearbeitet, auch am Abend, doch auf einer gigantischen Werbetafel steht bereits geschrieben: Es entstehe „ein lebendiges, buntes Stadtquartier“. Keiner weiß, wieso ausgerechnet Investoren die Zukunft kennen. Nicht einmal biblische Propheten haben die Zukunft gesehen, nur die Menschen davor gewarnt, keine zu haben, wenn sie so weitermachen. Investoren müssen Hellseher sein. Oder Lügner.



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