Bauers DepeschenSamstag, 13. April 2019, 2081. DepescheTERMINE Sonntag, 14. April, von 14 Uhr bis 17 Uhr im Jugendhaus West: 3. OFFENES FORUM GEGEN RECHTS - fünf Wochen vor den Kommunalwahlen. Workshops, Dialoge, Vernetzung. Themen: 1) Die Auswirkungen rechter Politik auf den Alltag am Beispiel Österreichs. 2) Stammtisch*kämpferinnen. 3) Die sogenannte Extremismustheorie. 4) Praktische Tipps gegen rechts für die Kommunalwahlen. Anmeldungen (nicht zwingend): offenesforum@posteo.de Montag, 15. April, 19.30 Uhr: Buchvorstellung "5 Jahre Die Anstalt" im Württembergischen Kunstverein. Mit "Anstalt"-Autor Dietrich Krauß u. a. Filmausschnitte aus der Satireshow des ZDF zum Thema Bahn/S 21. Lesungen, Live-Musik (David Stützel). Ich mache auch mit. Karten im Vorverkauf zu 6 Euro im WKV am Schlossplatz. VORVERKAUF FLANEURSALON WALDHEIM GAISBURG Sonntag, 12. Mai: Flaneursalon im Waldheim Gaisburg. 19.30 Uhr. Der Vorverkauf hat begonnen, Reservierungen sind möglich per Mail: flaneursalon@waldheim-gaisburg.de - und telefonisch: 0178/5554480 Hört die Signale! DAS LIED ZUM TAG StN-Kolumne: NEUES VOM BREIMAUL Wenn ich durch die Stadt gehe, um was Verwertbares zu finden, fällt mir immer wieder der legendäre Berliner Schauspieler und Kabarettist, Aktivist und Kiffer Wolfgang Neuss ein. Kurz vor seinem Tod vor 30 Jahren durfte ich ihn einmal in seiner Berliner Sozialwohnung besuchen. Er saß im Schneidersitz auf seiner Matratze vor seiner legendären Schnipselwand mit Zeitungsausrissen. Zeitungslektüre, hat er gesagt, liefere ihm genügend Stoff für ein komplettes Kabarettprogramm. Wozu also, frage ich mich, stiefelt dann unsereiner für eine vergleichsweise simple Kolumne stundenlang in der Stadt herum? Neulich las ich in meiner Zeitung: „Land schöpft zunehmend Vermögen von Verbrechern ab“. In diesem Fall, könnte man meinen, taugt bereits die Wahrheit als erstklassige Pointe. Schließlich wussten wir schon immer, dass es beim Staat reichlich Verbrecher gibt, die uns schröpfen. Bei näherem Hingucken ging es dann doch eher um die fette Beute, die das Land bei kriminellen Banden konfisziert. Kassiert werden nicht nur Bargeld, Aktien und Immobilien, sondern auch Luxusautos. Niemand muss sich also wundern, wenn Kretschmann demnächst mit einem gepimpten Lamborghini um die Ecke kurvt. Ein solcher Auftritt wäre nur die Demonstration seiner Erfolge im universellen Kampf für eine bessere Umwelt. Frisch getunt ging ich wieder in der Stadt herum, unterhielt mich mit den Schwänen am Feuersee über den Staat und seine Verbrechen, ehe ich in der Johannesstraße an einem schwäbischen Gasthaus namens Zom Schleggiga Egg vorbeikam. Prompt fiel mir ein, wie mich kürzlich eine Überschrift meiner Zeitung aufgeschreckt hatte: „Abgeordnete wollen im Landtag mehr Dialekt sprechen“. Hurasakrament, dachte ich, jetzt weichen sie auf Geheimsprache aus, um noch mehr Kohle von internationalen Gangstern abzuschöpfen. Auch alles andere, was sie von sich geben, versteht dann kein Mensch mehr außer ein paar Mundartdichtern, deren Texte sich oft noch schrecklicher anhören, wenn man sie ins Deutsche übersetzt. Das Dialekt-Gegurgel überspielt nicht selten peinliche Gedankenlosigkeit. Vorneweg, ich bin ein schwäbischer Schwabe und habe nie eine Logopädiepraxis aufgesucht, um mir mein Breimaul wegzutrainieren. Weil ich aber halbwegs regelmäßig vor Publikum Texte aufsage oder vorlese, habe ich früher hin und wieder über eine Sprechschulung nachgedacht. Ein Coaching, dem sich gern auch Kreisligapolitiker unterziehen. Irgendwann hat mir ein Schauspieler gesagt, ich solle mir lieber einen Weinkorken zwischen die Lippen schieben und laut und deutlich vor mich hinlesen. Das stärke die Muskulatur meines Großmaulbereichs und ermögliche eine bessere Artikulation. Das habe ich sofort gemacht, bald aber wieder gelassen, weil ich mir mit dem Pfropfen in der Schnauze wie ein segglmäßiger Grasdaggl vorkam. Ein anderer Schauspieler hat mir geraten, ich solle es mit Anleihen beim Hochdeutsch nicht übertreiben, sonst wirkte ich, selbst wenn ich es gut könnte, völlig unglaubwürdig. Bald begriff ich, was er meinte. Wenn ich einigen Politikern mit schwäbischem Migrationshintergrund zuhöre, kommen sie mir vor, als stünden sie mit ihren angelernten offenen Lauten, ihren läppischen Endbuchstabenbetonungen und überdrehten stimmhaften S-Lauten einen Meter neben ihrer Stimme. Die Oettinger’schen Nasallaute verschwinden deshalb noch lange nicht, wie man vom Sprechakrobaten Kretschmann weiß. Seine Bemühungen, sein Schwäbisch mit schrift- oder gar hochdeutschem Sound zu frisieren, führen bekanntlich dazu, dass ihm vom Überdruck beim Stimmband-Pressing die Haare zu Berge stehen. Doch ausgerechnet der grüne Landespater ist der Vorreiter der neuen schwäbischen Dialektbewegung. Im vergangenen Jahr ließ er einen Kongress zur Rettung der Mundart abhalten. Von dieser Aktionitis aufgeschreckt, kam nicht nur die politische Konkurrenz aus allen schwarzen Löchern, um dem Regierungschef das populäre Thema Folklore nicht allein zu überlassen. Auch seine Gesinnungsgenossen unterstützen ihn. Der Grünen-Abgeordnete Rösler fordert, Begriffe wie „Breschtlingsgsälz“ (Erdbeermarmelade) oder „hälenga“ (heimlich) ins Eingemachte des Parlaments zurückzuholen. Auch badische, kurpfälzische und ähnliche Landeier-Slangs sollen zugelassen werden. Unterschätzen sollte man die Vorteile vor allem schwäbischer Dialektpflege im Parlament auf keinen Fall. Würde man beispielsweise einen Rechtsnationalisten im Landtag zum „Halbdaggl“, „Schofseggl“ oder meinetwegen „Schoafseggl“ küren, müsste der hinterher erst einmal den Nachweis liefern, warum diese Titulierung weniger harmlos ist als das im Schwäbischen meist höflich gemeinte „Arschloch“. Der Dialekt in der Politik hat also klare Vorteile. Als der österreichische Moderator Wolfgang Fellner neulich in seiner Fernsehshow bei oe24.TV seinen Landsmann Martin Sellner freundlich lächelnd einen „Nazi-Oasch“ nannte, konnte diesen Ausdruck niemand für eine justiziable Beleidigung halten. Vielmehr handelte es sich um die präzise, klangvoll vorgetragene Charakterisierung eines sattsam bekannten Anführers der Neuen Rechten. Im politischen Kampf, lernen wir, ist der „Oasch“ viel nützlicher als der schrift- oder hochdeutsch ausgesprochene Begriff – und die Wirkung stärker, weil das Publikum lauthals lacht. Wir im Schwäbischen müssen jetzt schleunigst eine angemessene Dialektversion für den „Nazi-Oasch“ im Landtag finden. Viel zu niedlich wäre das bis heute bekannte „Arschlöchle“. Setzt euch auf die Hinterbacken und brütet was aus, ihr verdammten Heggabeerlesbronzer. |
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