Bauers Depeschen


Montag, 20. Mai 2019, 2092. Depesche



 



LIEBE GÄSTE,

auf den Taz-Blogs Literatur der Berliner Tageszeitung ist neulich - für mich überraschend - eine sehr schöne Besprechung meines Buchs "In Stiefeln durch Stuttgart" erschienen. Hier geht es zum Text: TAZ BLOGS



Und jetzt volle Kraft voraus:

5. FLANEURSALON AM FLUSS

IM STUTTGARTER HAFEN

Am Samstag, 6. Juli, geht der 5. FLANEURSALON AM FLUSS im Stuttgarter Hafen über die Bühne, die ein Güterwaggon der Eisenbahn ist. Und wieder ruft der Neckar! Unsere bunte Show mit Hafenpicknick in einzigartiger Kulisse zwischen Schrott- und Weinbergen. Mit Eva Leticia Padilla, Toba & Pheel, Timo Brunke, Loisach Marci, Stuttgarter Popchor. Hier der Klick zum VORVERKAUF 



Hört die Signale!

DAS LIED ZUM TAG

(Geschrieben von Funny van Dannen, gesungen von Wiglaf Droste)



ERINNERUNG:

2015 war Wiglaf Droste im Flaneursalon am Fluss im Stuttgarter Hafen auf der Bühne - und diesen kleinen Text hat mir der am 16. Mai 2019 verstorbene Dichter, Satiriker und Sänger als Nachwort für mein Buch „Im Kessel brummt der Bürger King“ (2013) geschrieben:



EISBERG MIT MÄDCHEN

Eine Geschichte für Joe Bauer

VON WIGLAF DROSTE

Es war ein sonniger Spätnachmittag Anfang September. Der Sommer, eine chronisch überschätzte Jahreszeit, verzog sich langsam und machte etwas Besserem Platz. Ich saß vor meinem Lieblingsladen und las die Druckfahnen von Joe Bauers neuem Buch, »Im Kessel brummt der Bürger King«. Astreiner Stoff, klar und auf den Punkt; da weiß einer, worüber er schreibt. Kein Ohrabkauer, kein feuilletonistisches Modemännchen, sondern ein Erzähler alter Schule; ein Solitär in einem Meer aus Medienmutanten. Der Kellner, ein junger Schlaks mit klugem Gesicht, brachte mir ein Glas Weißwein. In der anderen Hand hielt er ein Buch. »Was liest du?« fragte ich ihn. Er hielt mir das Buch hin; es war »Pimp« von Iceberg Slim, die Autobiographie des schwarzen Zuhälters und späteren Schriftstellers Robert Lee Maupin, dessen Texte Rapper wie Ice-T und ‪Ice Cube‬ inspiriert hatten. Er setzte sich an den Nebentisch, wir lasen beide weiter.

Das Geräusch von Kinderwagenrädern auf buckeligem Pflaster näherte sich. Ein benachbarter Musikkritiker und seine kleine Tochter machten Spazierfahrtpause, er bestellte ein Glas Crémant und einen Saft, und der »Pimp« lesende Kellner kümmerte sich und brachte das Bestellte.

Die Kleine, knapp zwei Jahre alt, hellwach und von freundlicher Neugier, ließ mich an meine Lektüre denken. Anders als viele verzogene Selbstdarstellerkinder wollte sie offenbar alles genau wissen und erkunden. Ihrem Saft ging sie tief und konzentriert auf den Grund und schien auch sehr zufrieden, wenn er ihr übers Kinn und übers Hemd lief.

Ihr Vater und ich plauderten derweil über Musik und Konzerte im allgemeinen und die Altersweisheit Bob Dylans im Besonderen, leichthin und unprätentiös. Aus dem Spätnachmittag war ein samtener Frühabend geworden. Als Crémant und Saft bewältigt waren, zog der Musikjournalist einen Geldschein aus seinem Portemonnaie, gab ihn seiner Tochter und bat sie, ihn doch »dem netten jungen Mann zu bringen«. Die Kleine wackelte los, dem Iceberg Slim lesenden Kellner entgegen.

Ich fragte meinen Nachbarn, ob er wisse, was der freundliche Kellner gerade lese. Er verneinte, ich sagte es ihm, und wir beide mußten lachen. Wenn ein paar von den Muttis, die hundert Meter weiter im Bioeiscafé ihren gut dotierten Nichtstil ausstellten, die Szene miterlebt hätten, wäre uns das Lachen womöglich vergangen. Entweder hätten sie Iceberg Slim für eine Salatdiät der Weight Watchers gehalten, oder sie hätten voll auf Schaum behauptet, der Vater hätte seine Tochter mit Geld zu einem Zuhälter geschickt und ihr quasi eine klassische Geschlechterrolle aufgezwungen. Arrivierte WählerInnen der Grünen müssen nichts wissen, weil sie sowieso und automatisch immer recht haben.

Ich wandte mich wieder meiner Lektüre zu. Joe Bauer kennt sich nicht nur in Stuttgart aus, dort aber ganz besonders gut. Die Stadt wird von vielen Deutschen sehr unterschätzt; diesen Fehler macht die italienische Mafia nicht.

Womit man bei »Stuttgart 21« angekommen ist, einem Sumpf, den Joe Bauer kenntnisreich durchleuchtet. Er kennt seine Stadt, er hat ein gutes Gedächtnis, er weiß, wer aus welchen Gründen lügt.



 

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