Bauers Depeschen


Dienstag, 01. Januar 2019, 2054. Depesche



 



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DAS LIED ZUM TAG



Kleine Privatbilanz - ohne Gewähr

LIEBE GÄSTE,

auch wenn es nichts hilft, noch schnell diese Zeilen kurz vor Mitternacht: Euch allen wünsche ich das Allerbeste für die nächste Runde, die womöglich nicht unsere beste wird. Wünsche plappert man oft genug floskelhaft daher – mit Blick auf die politische Entwicklung, den internationalen Rechtsruck vor Augen, nehme ich Wünsche und Hoffnungen diesmal vergleichsweise ernst. Und ich bedanke mich herzlich für Euer Interesse an dieser Seite, für Eure Unterstützung bei vielen Dingen.

Rein privat betrachtet, war 2018 kein schlechtes Jahr: Kurz vor Schluss, am 30. Dezember, hat sich der Flaneursalon im Stuttgarter Bix Jazzclub mit einer ziemlich habhaften Vorstellung vom alten Jahr verabschiedet. Außergewöhnlich, weil den Abend erstmals unser Freund Toba Borke moderierte: als reimender Freestyle-Rapper mit improvisierten Stücken, die auf meine vorgetragenen Texte und die politische Gegenwart eingingen. Begleitet wurde er nicht nur vom dem fantastischen Beatboxer Pheel, sondern diesmal auch von Antonio Montana am Flügel; Toni ist der etatmäßige Keyboarder des Reggae-Stars Gentleman. Marcel Engler (Gesang, Mundharmonika, Alphorn, Trompete) und Jens-Peter Abele (Gitarre) – als Duo unter dem Namen Loisach Marci unterwegs - setzten mit ihrem elektronischen Alpin-Sound folkloristisch-jazzige Akzente. Die amerikanische Sängerin Eva Leticia Padilla brachte mit ihrem Gitarristen Stefan Brixel den Blues und die Ballade ins Spiel. Besonders stimmungsvoll, als Eva in einem Song von vier Flaneursalon-Musikern begleitet wurde: zwei Gitarren, Trompete, Klavier. So kam zustande, was ich mir wünsche: ein kleines Spektakel voller Kontraste und Überraschungen. Und es ist nicht gelogen, wenn ich sage: Das Publikum im rappelvollen Bix nahm an der Show so aufmerksam wie begeistert teil. Prima Klima - und ein guter Abschluss des Jubiläumsjahrs: 2018 wurde der Flaneursalon 20 Jahre alt. Entsprechend feierlich die Hafen-Show im Juni am Neckar, die Geburtstags-Revue im Oktober im großen Saal des Sieglehauses und das traditionellen Wirtshaus-Gastspiel im Dezember im Schlesinger. Hinzu kamen ein Auftritt im Stuttgarter Stadtarchiv in Cannstatt und ein kleiner Benefiz-Abend für das autonome Stadtteilzentrum Gasparitsch in Ostheim. Insgesamt 1400 Besucher erlebten den Flaneursalon 2018. Kein schlechtes Ergebnis für eine kleine Unterhaltungsgeschichte, die für mich nicht zum Geldverdienen gemacht – und deshalb möglich ist.

Zu bewerkstelligen war im vergangenen Jahr auch wieder im Ein-Mann-Verfahren die Organisation der zweitägigen Benefiz-Show „Die Nacht der Lieder“ für die Aktion Weihnachten der StN im Theaterhaus. 60 Mitwirkende, 2000 Besucher. Und nebenbei: Drei Wochen Urlaub gingen im Sommer für das Kolumnenbuch "Im Staub von Stuttgart" drauf. Ich weiß: Es gibt härtere Schicksale.

Neben meinem Job als angestellter StN-Kolumnist habe ich es in den vergangenen Jahren als meine Pflicht betrachtet, bei politischen Initiativen mitzuhelfen - nach dem Motto: Man muss machen, was man kann. Da wird die Privatsicht auf die Dinge des Lebens schnell relativiert. Neben Demos gegen die verheerende Wohnpolitik, gegen das Größenwahnprojekt Stuttgart 21 und den gefährlichen Rechtsruck gehörte zu den Aktionen 2018 die Mitorganisation der kurzfristig angesetzten Kundgebung „Seenotrettung ist kein Verbrechen“. Wichtig auch unsere 2018 entstandenes Offenes Forum gegen Rechts: In Zusammenarbeit mit jungen Linken und verschiedenen Organisationen gab es im Februar und Dezember im Württembergischen Kunstverein Workshops zum alltäglichen Umgang mit Rechtsnationalen und Nazis. Bei allen Unternehmungen kommen mir die praktischen Erfahrungen aus meinen Unterhaltungsveranstaltungen zugute. Schon deshalb: Machen, was geht.

Von heute an bin ich definitiv Rentner - und faulenze erstmal ein paar Wochen. Ab Februar will ich eine Kolumne pro Woche für die StN schreiben. Über zu viel Langeweile werde ich kaum zu klagen haben: Am 28. Januar mache ich bei der 450. Montagsdemo gegen S 21 vor dem Hauptbahnhof mit, im Februar unterstütze ich die Caritas bei einer Aktion zum Thema Armut, und für den 6. April bereiten wir im Aktionsbündnis Recht auf Wohnen eine größere Demo zum Thema Mietwahnsinn und Wohnungsnot vor.

Bei all diesen nüchteren Aufzählungen könnte einem leicht der Spaß vergehen. Unsinn. Spaß ist bei jeder Aktivität so wichtig und unverzichtbar wie der Humor. Man müsste Andrea Nahles heißen, käme man auf die Idee, vom „Recht auf Arbeit“ zu faseln und gleichzeitig rohrstockmäßig gegen „bezahltes Nichtstun“ zu wettern. Wo doch beim Blick auf etliche unserer Politiker bezahltes Nichtstun ein Segen wäre.

In diesem Sinne, liebe Freundinnen und Freunde: Macht Euer Ding, zeigt Solidarität, so lange es geht. Und schaut, wenn Ihr Zeit habt, auf diese Seite. Irgendwas wird sich immer tun.

Herzliiche Grüße

Der Rentner



>> Der Schriftsteller WOLFGANG SCHORLAU bespricht in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "kontext" mein Kolumnenbuch „Im Staub von Stuttgart“ - und erzählt, was ich mit seinen Rückenschmerzen zu tun habe. Hier der Klick zu seinem Text: WOlFGANG SCHORLAU

 

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