Bauers Depeschen


Montag, 04. Mai 2015, 1456. Depesche



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LIEBE GÄSTE,

die Hoffnung stirbt zuletzt, auch wenn sie stirbt, und selbstverständlich leide ich wie ein nasser Hund im Mairegen, wenn alle Appelle erfolglos verhallen im Niemandsland der anonymen Homepage-Leser. Für den Flaneursalon an diesem Mittwoch in der Rosenau gibt es noch Karten: online: ROSENAU und telefonisch: 01805/70 07 33.



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Bundesliga-Kolumne:



ES LEBE DER SPORT

Heute, werte Fußballfreunde, widmen wir uns dem Thema Sport, auch wenn ich nicht weiß, was man unter Sport versteht.

Weil die Stadt Stuttgart beispielsweise selten als richtige Großstadt akzeptiert wird, verleiht sie sich seit jeher Titel zur Bekräftigung ihrer Bedeutung. Das amtliche Etikett „Landeshauptstadt“ klingt ja von Haus aus ziemlich ländlich, also erfand man Slogans wie „Partner der Welt“, „Kinderfreundlichste Stadt Deutschlands“ oder „Sportstadt“.

Die Weltläufigkeit erwies sich rasch als unfreiwillig ironisches Eigentor, die Kinderfreundlichkeit warf spätestens an den Rändern hässlicher Stadtautobahnen Fragen auf, und auch der sportliche Glanz ist extrem zwielichtig: Am Wochenende kassierten die zwei wichtigsten Fußballteams der Stadt zusammen sieben Tore und schossen nur fünf. Das waren null Punkte. Nähme man den Boxsport als Maß der Dinge, müsste man sagen: Dieses Wochenende war für die Sportstadt der Krampf des Jahrhunderts. Den VfB bugsierte sein 2:3 auf Schalke dicht an den Abgrund zur zweiten Liga. Das 3:4 der Kickers auf der Waldau gegen Dresden trübte die Aussicht auf den Einzug in die Liga knapp unter der Erstklassigkeit.

Ich will nicht rote Äpfel mit blauen Birnen vergleichen, zumal ich im Leben aus emotionalen, womöglich gar erotischen Gründen überall lieber meine blaue Birne hinhalte als einen roten Epfl. Die Farbe Blau steht nicht für das, was Sie von den Trachten-Orgien auf dem Wasen kennen. Blau erzählt uns etwas von Sehnsucht, von Blues und Wehmut. Die Farbe Rot dagegen symbolisiert Ampeln, Stau und blinde Wut.

Selbstverständlich war ich Augenzeuge des niederschmetternden 3:4 der Blauen gegen Dresden. Erst lagen wir 0:1 zurück, dann 1:3 – und glichen, nachdem einer von uns Scheiß-Rot gesehen hatte, mit nur zehn Mann zum 3:3 aus. Da färbte die Farbe der Sehnsucht noch einmal den wolkenverhangenen Maihimmel über der Waldau. Der Rest war wohl Sport.

Nach dem Abpfiff reichte es noch spielend in die Altstadtkneipe zur zweiten VfB-Halbzeit. Wieder einmal konnte man sehen, wie sich die Elitetruppe aus der großen Sportstadt Stuttgart mit einem Turnlehrer aus dem vorvorigen Jahrhundert als Trainer recht schwer tut im zeitgenössischen Unterhaltungsgeschäft.

Mein Verhältnis zum Sport hat sich verändert, seit mich neulich die Bayern an die großen Zeiten des Varietés erinnerten: Was Lahm und Alonso beim Elferschießen im Pokal-Halbfinale gegen Dortmund aufführten, überließ man früher auf den großen Unterhaltungsbühnen einzigartigen Männern mit der schönen Berufsbezeichnung Kaskadeure. Lange bevor der moderne Stuntman in Mode kam, hatten diese Akrobaten die Kunst des Fallens zelebriert. Sie setzten ihr Hinterteil so vollendet als Beweis für die Schwerkraft ein, wie es seitdem nur noch Lahm und Alonso mit ihren göttlichen Slapstick-Nummern gegen Dortmund gelang. Den unschätzbaren Unterhaltungswert, die furiose Theatralik dieser Darbietung lassen sich nicht inszenieren, selbst dann nicht, wenn man für einige gierige Hände voller Dollar-Millionen den „Kampf des Jahrhunderts“ ausruft.

Auch dieses mit allen Mitteln der Geldgeilheit, der Perversion und Dekadenz gepuschte Macho-Märchen vom guten Buben (Pacquiao) und großkotzigen Bösewicht (Mayweather) habe ich mir gegeben, von nachts um halb vier bis morgens um halb acht in der sicheren Zone des heimischen Sofas. Wollte sehen, was geschieht, wenn man mit einer monströsen Marketingmaschinerie den Faustkampf zweier Zwergenmänner zum Pflichtspektakel für angeblich eine Milliarde TV-Zuschauer aufbrezelt.

Es wurde keine Jahrhundert-Erfahrung. Gemessen an der Entertainment-Qualität der erregenden Himmelsschüsse im Feuchtgebiet der Bayern-Arena war das Dollar-Duell von Las Vegas ein „langweiliger Scheißkampf“ (so der Berliner Box-Philosoph Graciano Rocchigiani). Nicht eine einzige Fallübung mit Hosenboden-Landung. Nach dieser müden Nacht schnappte ich Turnschuhe, Strampelhose und Kickers-Trikot und trabte im Frühtau durch den feuchten Dachswald. Und da frage ich Sie: Ist das Sport?



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