Bauers Depeschen


Dienstag, 28. April 2015, 1452. Depesche



-------------------------------------------- 





BETR.: ROSENAU

Liebe Homepage-Gäste, der Vorverkauf für den Flaneursalon am Mittwoch, 6. Mai, in der Rosenau läuft leider nicht gut. Schade, bei dieser ungewöhnlichen Besetzung. Vielleicht lässt sich noch was machen. Vielen Dank.

Karten gibt es online: ROSENAU und telefonisch: 01805/70 07 33.



Der Klick zum

LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



DER BEWEGER

Als ich von den Wagenhallen zurück bin in der Nordbahnhofstraße, gehe ich an den Kneipen und Imbiss-Buden vorbei. Eines der Lokale heißt Memories, im Untertitel verspricht es ein „Erlebnis“, und das ist gar nicht falsch. Die Nordbahnhofstraße mit ihren Backsteinbauten, einst für die Eisenbahner gebaut, ist für mich eine Art Stadtstrand entlang der Straßenbahngleise. Die Gegend ein Ort der Geschichte, nicht weit das „Zeichen der Erinnerung“, die Gedenkstätte an den toten Gleisen für die deportierten jüdischen Bürger während des Nazi-Terrors.

Es ist Mittag, ich setze mich auf einen Gartenstuhl vor einem Backwarenladen, lasse die Umgebung auf mich wirken und denke nach über meine Begegnung an diesem Vormittag mit einem guten Mann. Ich komme gerade von Moritz, 40 Jahre jung, Musiker, einer der Wagenhallen-Künstler. Sagen wir treffender: Der Mensch Moritz ist ein Beweger und Verknüpfer. Wer begreifen will, was es mit den Wagenhallen auf sich hat, sollte sich mit seiner Geschichte befassen.

Mit ganzem Namen heißt er Moritz Finkbeiner und gehört zu den Figuren in der Stadt, die man auch finden würde, ohne ihren Namen zu kennen. Eines Tages war er da, in den vergangenen Jahren hat er eine Menge Dinge auf die Beine gestellt, und das macht er bis heute. Nur die Bedingungen haben sich geändert, weil die Leute, die Bedingungen schaffen, Menschen wie Moritz nicht verstehen wollen.

Von 1999 bis 2013 hat er in der Eisenbahnwagen-Kolonie bei den Wagenhallen einen ausrangierten Waggon als Musikbühne gestaltet, fünfzig, sechzig Leute hatten Platz. Aber was sind schon Zahlen. Moritz hat Ideen realisiert, Wünsche, Träume. Er hat Musiker aus Nischen von Punk und Folk, von Jazz und Was-weiß-ich-was aus aller Herren Länder in seinen Waggon geholt. Jede Show ein kleines Abenteuer, nur möglich, weil die Voraussetzungen im Umfeld halbwegs stimmten.

Der Waggon musste vergangenes Jahr weichen. Baugelände, egal. Eigentlich, sagt Moritz, habe sein Laden für ihn selten mehr als eine Lebensdauer von einem halben Jahr gehabt. Es sind dreißig halbe Jahre daraus geworden, dann war das bunte Pop-Coupé Geschichte. Nicht schlimm. Alles geht zu Ende, wer könnte uns das besser lehren als die Musik?

Moritz, geboren in Ludwigsburg, ist einer der Musikmenschen, die aus ihrem Unterwegssein schöpfen. Schon während der Schule, auch nach dem Abitur, war ihm klar: Er wird Musiker. In den Neunzigern tourte er mit seiner Punk-Band durch die USA. Seitdem ist er auf Entdeckungsreise. Als wir uns unterhalten, schwärmt er von der belgischen Musikszene, am Tag darauf ist er in Brüssel, wenig später zurück in Stuttgart.

Auf Tour hat er gelernt, dass nicht der Name einer Stadt entscheidend ist, ob und was passiert. Entscheidend ist, ob es Leute gibt, die aus diesem Ort was machen, Atmosphäre schaffen. Moritz sagt: Musiker fahren nicht an einer Stadt vorbei, wenn es in dieser Stadt einen gibt, der sie einlädt. Moritz ist einer der guten Gastgeber im internationalen Netzwerk. Seit es den ­Waggon nicht mehr gibt, holt er Musiker in die Bar Rakete im Theater Rampe. Das erscheint vielleicht nicht jedem als optimale Umgebung für Experimente, für ungewohnte Klänge, für Überraschungen, auf die man sich einlassen muss. Was soll’s.

Moritz kann sein Ding bis heute machen, weil er in den Wagenhallen einen Unterschlupf hat: ein Domizil mit bezahlbarer Miete. Proberaum, Aufnahmestudio, Büro, Verpflegungsstation. Die Wagenhallen bieten ihm das, was Kunst und Pionierarbeit brauchen: Freiraum.

Inzwischen allerdings ist es mit der Freiheit vorbei: Seit die Behörden die Brandschutz-Bestimmungen verschärft haben, lebt Moritz wie die anderen Künstler in den Wagenhallen mit einer Liste, die an ein Stundenhotel erinnert. Bei jedem Termin in den Bühnen- und Partyräumen des florierenden Veranstaltungsbetriebs im Haus, also mehrfach die Woche, muss er sein Domizil für mehrere Stunden verlassen. Manchmal flüchtet er zu seinen Eltern.

Neuerdings gibt es im Rathaus Pläne, die Wagenhallen für dreißig Millionen Euro zu „sanieren“. Das geplante Rosensteinviertel im Umfeld braucht, wie jedes Neubau-Quartier, irgendein Kulturobjekt. So wie zuletzt das Europaviertel, wo man die neue Stadtbibliothek als Alibi zwischen Einkaufs- und Bankenklötzen quetschte.

Das kulturelle Leben in den Wagenhallen ist für die Politiker ein „Standortfaktor“, eine Filiale der „Kreativwirtschaft“, „Location“ mit Exotik-Parfüm. Moritz sagt: Künstler brauchen erschwingliche Unterkünfte, einen Platz, wo sie nicht nur ihre produktive Energie ausleben können, sondern im Notfall auch ihre Schaffenskrise. Aber sag das mal einem Politiker.

Neue Kongresszentren und Kulturhallen – wie sie in Stuttgart bezeichnenderweise der Finanzbürgermeister als Investoren­Intimus ins Spiel bringt – mögen das austauschbare Event-Geschäft der Entertainment-Industrie ankurbeln. Für Ideen und Projekte, die Künstler entwickeln, braucht man günstige Ateliers und Studios. Räume für kreative Menschen sind die Basis für ein halbwegs großstädtisches Klima im räumlich begrenzten Kessel, wo jede architektonische Zerstörung doppelt schmerzt.

Herr Moritz Finkbeiner ist ein kleiner Mann im Getriebe, er liebt seinen Platz im Hintergrund. Risikofreudige Durchhaltemenschen wie er stehen symbolisch für den politischen Umgang mit den Wagen­hallen und der Lebenskultur in der Stadt.

>> Joe Bauers Flaneursalon gastiert am Mittwoch, 6. Mai, in der Rosenau. Musik machen Michael Dikizeyeko & Steve Bimamisa (afrikanische Songs), Marie Louise & Zura Dzagnidze (Folksongs), der Rapper Toba Borke & der Beatboxer Pheel. Beginn 20 Uhr. Karten: ROSENAU und telefonisch: 01805/70 07 33.



BEITRÄGE schreiben im LESERSALON



FRIENDLY FIRE:

NACHDENKSEITEN

INDYMEDIA LINKS UNTEN

BLICK NACH RECHTS

INDYMEDIA

STÖRUNGSMELDER

FlUEGEL TV

RAILOMOTIVE

EDITION TIAMAT BERLIN

Bittermanns Fußball-Kolumne Blutgrätsche

VINCENT KLINK

KESSEL.TV

GLANZ & ELEND

 

Auswahl


Depeschen 2311 - 2318

Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470
03.06.2015

04.06.2015

01.06.2015
31.05.2015

27.05.2015

25.05.2015
23.05.2015

19.05.2015

16.05.2015
15.05.2015

12.05.2015

07.05.2015
06.05.2015

05.05.2015

04.05.2015
01.05.2015

02.05.2015

30.04.2015
28.04.2015

27.04.2015

24.04.2015
21.04.2015

20.04.2015

16.04.2015
14.04.2015

12.04.2015

09.04.2015
07.04.2015

06.04.2015

03.04.2015

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

Depeschen 1141 - 1170

Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

Depeschen 1021 - 1050

Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660

Depeschen 601 - 630

Depeschen 571 - 600

Depeschen 541 - 570

Depeschen 511 - 540

Depeschen 481 - 510

Depeschen 451 - 480

Depeschen 421 - 450

Depeschen 391 - 420

Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

Depeschen 271 - 300

Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




© 2007-2024 AD1 media ·