Bauers Depeschen


Dienstag, 16. September 2014, 1348. Depesche



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JOE BAUERS FLANEURSALON, die Lieder- und Geschichtenshow, am Montag, 13. Oktober, im Theaterhaus. 20.15 Uhr. Die Kabarettistin/Liedermacherin Uta Köbernick führt durch den Abend. Musik machen Vater Zam Helga & Tochter Ella Estrella Tischa, Papa Roland Baisch & Sohn Sam Baisch, Rapper Toba Borke & Beatboxer Pheel.

Karten THEATERHAUS und 0711/4020 720



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



MICH KANN MAN MIETEN

Eine lange Kolumnenpause liegt hinter mir. Das Warum ist eine eher private Sache, auf die Sie, wertes Publikum, auf keinen Fall mit Nachsicht reagieren dürfen. Ich sage Ihnen nur so viel: Ein läppisches Stück Darm kann sich um das ganze Leben herumschlingen, einen Mann einschnüren, seinen Geist strangulieren. Ich hoffe, Sie können mit dieser Steilvorlage etwas anfangen und haben inzwischen von Giulia Enders’ etwas in Vergessenheit geratenem Bestseller gehört: „Darm mit Charme“.

Gott erbarm. Es ist nicht mehr ganz einfach, sich in der Gegenwart zurechtzufinden und das fort­schreitende Leben zu akzeptieren. Ich meine damit nicht die blühenden Herbstzeitlosen, die reifen Äpfel und die Tonnen gefallener Kastanien, die man in diesen Tagen vor und in der Stadt sehen kann. Auch nicht die Eisdiele Pinguin am Eugensplatz, die ihre „Winterpause“ ankündigt, während der erste Weihnachtsramsch in den Supermarktregalen herumgammelt. Es geht um die extrem schnelle Entwicklung auf dem Gebiet des geheimdienstlichen Überwachungshorrors.

Vor meiner Pause erwähnte ich beiläufig in einer Kolumne, beim Heimspielbesuch der großen Stuttgarter Kickers in unserem derzeitigen Reutlinger Exil sei es für jeden eine Ehre, sich in einem fremden Schalensitz eine blutige Hämorrhoide zu holen. Sekunden später hatte ich auf zwei verschiedenen E-Mail-Adressen kommerzielle Angebote zur Hämorrhoiden-Behandlung. Einer der Wunderheiler konnte das Wort Hämorrhoide nicht mal richtig schreiben. Ist schwerer als therapieren.

Sie merken, wertes Publikum, heute geht es um delikate Themen. Darm-Alarm. Was soll ich machen. Das menschliche Fäkalien-Füllhorn hat Unmengen zu bieten. Bis heute hält sich das Gerücht, Paganini habe aus dem Darm seiner ermordeten Geliebten die G-Saite seiner Geige gefertigt. Die Autorin Giulia Enders behandelt in ihrem Buch nicht umsonst so ausführlich das weltbestimmende Thema: „Wie der Darm das Hirn beeinflusst“. Ich verrate Ihnen über unsere Entwicklung vom Kleinkind zum Erwachsenen nur so viel: „Darm und Hirn arbeiten schon sehr früh zusammen.“

Das hatte ich schon lange geahnt. Warum der Darm unser Sein entscheidend prägt, sehen wir an den Veränderungen unserer Stadt. Die frisch errichteten Misthaufen aus Glas und Beton zum Feiern darmgesteuerter ­Shopping-Partys haben eindeutig eine organische Ursache, und das Konzept reicht weit ins Innere der Häuser hinein.

Nicht lange her, da suchte ich in der Langen Straße ein kleines Restaurant auf. Ich musste austreten. So nennt man diesen Vorgang bis heute, auch wenn diese Art des kategorischen Austretens nichts Endgültiges hat, nur etwas Erleichterndes wie ­beispielsweise ein Austritt aus der SPD.

Auf der Herrentoilette schaute ich bei der Arbeit in ein zeitgenössisches Urinal, im Deutschen auch als Pissbecken ­bekannt. Das Urinal entsprach dem digitalen Standard unserer Zeit; am oberen Beckenrand war es mit einem Bildschirm ausgerüstet. Auf diesem High-Tech-Teil erfuhr man nicht nur etwas über „Die saubere Lösung ohne Wasser und Chemie“, also eine revolutionäre Technik des Wasserlassens ohne Wasserberührung. In einer Bildschirmecke fand sich auch der Hinweis: „Mich kann man als Werbefläche mieten.“ Bei diesem „Mich“ handelt es sich um das Urinal selbst. Unter den harten Abschlägen zielbewusster Männer muss das Pissbecken im Lauf der Zeit eine Persönlichkeit, eine Existenz in Ich-Form geformt haben, bis ihm diese Evolution ein Marketing-Chef attestierte.

Selbstverständlich habe ich das Miet­Angebot sofort notiert. Ich werde mir die Werberechte im Pissoir sichern, ehe ein Pharma-Manager Reklamevideos für Pillen zum Abbau von Nierensteinen schaltet. Mit der Marketing-Strahlkraft eines Pissbeckens könnte man nicht nur stilgerecht die neuen Einkaufszentren pushen. Es müssten sich auch große Propaganda-Erfolge in der Politik erzielen lassen. Wer beim Strullen in der Langen Straße in die gütigen Augen eines grünen Ministerpräsidenten schaut, weiß noch vor dem Einpacken, auf wen seine Wahl fallen wird. Eindeutig auf die saubere Lösung ohne Saft und Energie.

Eine virtuell und urinal gesteuerte Personality-Show hätte für Politiker eine nachhaltigere Wirkung als die fortwährenden Versuche der schwäbischen CDU-Ikone Strobl, linke Gegner mit der abgestandenen Bemerkung anzupissen, sie dienten „der Nachfolgepartei der SED“, also dem Darmfortsatz der Mutterpartei seiner Kanzlerin.

Damit bin ich im Enddarm angelangt, fühle mich erleichtert und wünsche Ihnen nach den vielen Pisstagen einen erregenden Indianersommer in unserer schönen Stadt.



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