Bauers Depeschen


Donnerstag, 15. August 2013, 1157. Depesche



NACHTRAG: SV Elversberg - Stuttgarter Kickers 1:1



Lieber Zu Weit Gehen Als Gar Nicht.



FLANEURSALON LIVE ...

... am Montag, 4. November, im THEATERHAUS (20 Uhr): mit Dacia Bridges & Wolfgang Dauner, Toba Borke & Pheel, Los Santos (mit Stefan Hiss), Roland Baisch - und als Gast Uta Köbernick. Kartentelefon: 07 11 / 4020 720.



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Die aktuelle StN-Kolumne:



NUR MIT UNS

Auf Papier gedruckte Buchstaben gelten heute in manchen Kreisen als ungefähr so zeit­gemäß wie die Rauchzeichen der Indianer oder die Buschtrommeln der Afrikaner. Als unsereins im Zeitungsgeschäft anheuerte, war schwer abzusehen, dass man als Papier­tiger schon innerhalb weniger Jahrzehnte etwa so unverzichtbar werden könnte wie der Seifensieder, der Scherenschleifer oder der SPD-Politiker.

Als ich im Papierlager anfing, fuhren viel weniger Züge als 2013, und sie fuhren pünktlich, wenn sie nicht von Indianern überfallen wurden. Bezeichnend, dass die Eisenbahner heute noch exakt dieselben Weichen stellen wie ihre Kollegen vor hundert Jahren, als der Soze August Bebel das Zeitliche segnete. Die schwarz-gelben Machthaber von heute, und die Sozen ebenso, wehren sich mit Händen und Füßen dagegen, die Zusammen­hänge zwischen den uralten, nie aus­gewechselten Weichen der Bahn und den gegenwärtigen Verkehrs­katastrophen zu sehen.

Eine intellektuelle Verbindung von Stuttgart nach Mainz wird nur dann aufgebaut, wenn der VfB seine übliche Schlappe beim FSV 05 kassiert. Der historische Bahn-Skandal von Mainz darf nie und nimmer mit der Tatsache zu tun haben, dass sich die Bahn auf die Profite aus Großprojekten wie Stuttgart 21 konzentriert und sich keinen Deut um die Rechte ihrer Kunden schert. Es hat auch gar nichts miteinander zu tun, wenn Schulgebäude nicht renoviert werden können, während bei Immo­bilien- und Bankenspekulationen Steuern in Milli­­arden­höhe vernichtet werden. „Verschiedene Töpfe“, brüllt der Politiker und hängt ein Plakat auf, das uns die wirtschaftlichen Zusammenhänge erklärt: „Damit Deutschland stark bleibt. Nur mit uns. FDP“.

Es wäre naiv, die Wahlplakate, die jetzt wieder die Stadt verschandeln, allein als Zeugnisse vollendeter Inhaltsleere zu veralbern, auch wenn es einen beim Blick auf die SPD-Pappe juckt: „Im Alter nicht leer ausgehen“. Nein, Oma nimmt zur Senioren-Party künftig ihre Geldbörse mit.

Die Propaganda des aggressiven Nichts, der kampflose Wahlkampf, hat Methode und viel damit zu tun, was der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger in einem „Spiegel“-Essay als ­„Terror der Reklame“ beschrieb. Als Spaziergänger im Papier­geschäft war es früher mühsam, sich einen Überblick zu verschaffen. Weil ich noch kein Taschentelefon mit Knipsfunktion besaß, musste ich die Plakatsprüche der Parteien in einem Buch ­notieren. Heute bräuchte ich weder Buch noch Knipser. Der Reklame-Terror breitet sich längst im Internet aus. Dennoch lohnt sich im Digital-Zeitalter das Herumgehen in der Stadt mehr denn je. Man erkennt Zusammenhänge. „Sparer schützen – nicht Spekulanten“, lese ich auf einem SPD-Poster am Hölderlinplatz, während der Blick auf die Werbung der hoch subventionierten BW-Bankfiliale gegenüber fällt: „Machen Sie sich die Bank, wie sie Ihnen gefällt.“ Geht’s noch dämlicher?

Weiter zur Grünen-Reklame um die Ecke: „Mensch vor Bank. Und du?“ Neben der Schrift das Foto eines zornig blickenden Mannes mit Bart und dicken Lippen. Klassische multikulturelle Tresorknacker-Visage aus den Tagen, als noch Bares im Geldspeicher lagerte. Die Duz-Nummer der Grünen geht über alle biologischen Grenzen. Neben auffällig vielen Kindergesichtern zu saudummen Sprüchen wie „Hello Kita. Und du?“ oder „Meine Mudda wird Chef. Und du?“ ist auch ein Kuhkopf mit heraus­gestreckter Zunge zu sehen, der Text dazu lautet: „Was der Bauer nicht kennt, fress ich nicht. Und du?“ Ich? Bin nicht mit jeder dummen Mudda-Kuh per du.

Im Reklame-Terror auf der Straße liest sich der Slogan des CDU-Kandidaten Stefan Kaufmann wie eine Drohung: „Weiter für Stuttgart“. Die benachbarte Hofbräu-Reklame aus dem Heimatkundebuch passt dazu gut: „Fürs Leben gern ein Stuttgarter“. Fast hätte ich in diesem Zusammenhang die Parole vom grünen Onkel Cem vergessen: „Für Stuttgart nach Berlin“. Kleiner Tipp unter Flüchtlingen: Im Zug würde ich das nicht riskieren.

Polternd fallen vergleichsweise die Sprüche der Linken aus: „Statt Flaschen sammeln: 1050 Euro Mindestlohn!“ Weiß nicht, ob ich nach dem Ende im Papiergeschäft nicht vom Dosenpfand besser lebe. Rätselhaft die Forderung der Piraten: „Suchtpolitik statt Drogenkrieg“. Wie Suchtpolitik geht, dafür hat der FDP-Kandidat Dirk ­Niebel eine Nase: „Klare Linie“.

Und immer schön den liberalen Kurs halten: „Lieber ein­kaufen als einparken“. Diese Zeile unter dem Foto einer jungen, freizügig verpackten Frau ist ausnahms­weise nicht auf Brüderles FDP-Mist ­gewachsen. Urheber sind die Kreativen von der SSB, die das Gedöns der Partei-Reklame an den Straßenbahnhaltestellen unfrei­willig auf den Punkt bringen: „Hier ver­passe ich nichts“. Und tschüs.



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