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Freitag, 30. August 2013, 1164. Depesche



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DIE GEBURTSTAGS-SHOW:

15 JAHRE FLANEURSALON

IM THEATERHAUS

Im Herbst 1998 habe ich im Rahmen einer Mix-Show im Gustav-Siegle-Haus mein erstes Kolumnen-Buch vorgestellt, es hieß "Stuttgart - my Cleverly Hills". So entstand Joe Bauers Flaneursalon. Am Montag, 4. November (20 Uhr), feiern wir im Theaterhaus unseren 15. Geburtstag. Auf die Bühne gehen Künstler der ersten Stunde, die uns schlägt - z. B. Stefan Hiss (mit Los Santos) und Roland Baisch (als Conférencier), und zum Jubiläum kommen ehrenwerte Gäste: Erstmals treten die Sängerin Dacia Bridges und der Pianist Wolfgang Dauner zusammen auf; sie präsentieren Lieder von Marlene Dietrich. Aus der Schweiz reist die Chansonsängerin Uta Köbernick an - und den Groove des Abends machen der Rapper Toba Borke und der Beatboxer Pheel. Vorverkauf im THEATERHAUS. Kartentelefon: 07 11 / 4020 720



Interview mit Mathias Richling in der StN-Ausgabe vom 30. August

"DER PROTEST IST NICHT UMSONST"

Stuttgarts Kabarett-Star über Politik im Digitalzeitalter, Stuttgart 21 und den Wahlkampf

Von Joe Bauer



Der Stuttgarter Bühnenkünstler Mathias Richling, 60, ist einer der profiliertesten Stars des deutschen Kabaretts. Virtuoser Wortspieler, kluger Poet, grandioser Politiker-Parodist. Am 6. September und 4. Oktober werden neue Folgen der „Mathias Richling Show“ im SWR-Fernsehen ausgestrahlt, am 11. Oktober hat in Berlin seine neue Bühnenshow „Deutschland to go – das Programm“ Premiere. Am 7. Dezember gastiert er in der Stuttgarter Liederhalle. Wir sprachen mit ihm über die Veränderung der Politik im Digitalzeitalter.



FRAGE (F): Herr Richling, die Frage, ob Kabarettisten etwas bewirken, wird seit hundert Jahren gestellt. In jüngster Zeit habe ich den Eindruck, dass politische Kabarettisten wie Erwin Pelzig und Urban Priol im Fernsehen immer öfter die Rolle der Ermittler, der Enthüller übernehmen.

RICHLING (R): So weit würde ich nicht gehen. Kabarettisten arbeiten nicht wie investigative Journalisten. Mir als Künstler beispielsweise würde da die Glaubwürdigkeit fehlen. Würde ich Dinge aufdecken und weitergeben, würden das Publikum womöglich sagen: Das glaube ich nicht, der macht Witze, der übertreibt.



F: Es geht mir um eine Wahrnehmung, die ich früher so bei Kabarett-Shows nicht hatte: Da steht einer und sagt endlich die Wahrheit, in einem Ton, den ich von den Journalisten im Fernsehen so nie gehört habe.

R: Wenn es um die Kommentierung von Zusammenhängen geht, trifft das zu. Dieses Empfinden hat mit der Bewusstseinsveränderung der gesamten Gesellschaft zu tun. Die Menschen sind in der jüngeren Vergangenheit hellhöriger geworden. Die vielen Informationsmöglichkeiten, das Internet mit seinen sozialen Foren wie Facebook und Twitter hat vieles grundsätzlich verändert. Allerdings führt die schnelle Aufnahme von Informationen, die mediale Fast-Food-Praxis, nicht zwangsläufig zu einer inhaltlichen Vertiefung. Wer blättert schon mal auf die zweite Google-Seite um? Der Kabarettist gibt Formulierungshilfen. In dem Moment, wo er etwas ausgesprochen hat, hat er den Inhalt in eine Form gebracht. Anders gesagt: Wenn man etwas in Worte fasst, wird es wahr. Das wissen die Leute zu schätzen, weil sie jetzt eine klare Formulierung für etwas haben, das sie zuvor eher emotional beschäftigt hat.



F: Woraus schließen Sie, dass die neuen Informationsmöglichkeiten das gesellschaftliche Bewusstsein gegenüber der Politik verändert haben?

R: Stuttgart 21 ist ein Paradebeispiel dafür. Auslöser hätte auch etwas anderes sein können, eine ähnliche Sache, bei der die Leute merken: Hier werden Unsummen von Steuergeld verschleudert. Da mache ich nicht mehr mit. Die Menschen konnten innerhalb kürzester Zeit andere aktivieren und mobilisieren. Das Internet hat insofern das politische Bewusstsein belebt, als die Leute gemerkt haben: Wir können etwas tun. Stuttgart 21 ist ein unglaublicher Schnittpunkt in der politischen Entwicklung. Das hat sich auf andere Städte übertragen, beispielsweise auf den Berliner Flughafen. Viele Bürgerinitiativen sind als Folge von Stuttgart 21 entstanden.



F: Sie selbst haben zuletzt in Talkshows eindeutig gegen Stuttgart 21 Stellung bezogen, nicht in ihrem Beruf als Satiriker, sondern als aufgebrachter prominenter Bürger.

R: Ja, weil ich manchmal das Gefühl bekomme, noch deutlicher sein zu müssen, als Satire es sein kann. Ich finde es unglaublich, was da passiert. Ununterbrochen werden neue Pannen des Projekts aufgedeckt. Egal, ob Kostensteigerung, fehlender Brandschutz, gefährliche Bahnsteige. Die Leute, die das Projekt betreiben, machen ungerührt weiter, der gesunde Menschenverstand spielt überhaupt keine Rolle mehr. Wozu braucht eine Stadt wie Stuttgart ein Bahnhofsprojekt, das zehnmal so teuer ist wie der neue Berliner Bahnhof? Ein Projekt, für das man 60 Kilometer Tunnel graben muss, ein Eingriff, der die ganze Stadt verändert. Das zeugt von einer unfassbaren Hybris der Verantwortlichen.



F: Das veränderte gesellschaftliche Bewusstsein und der daraus resultierende Protest haben bisher wenig dagegen bewirkt.

R: Trotzdem ist der Protest nicht umsonst. Wer sich an dem Protest beteiligt hat, und anfangs waren das auch viele junge Leute, wurde für politische Vorgänge sensibilisiert. Es haben nicht alle die Lust oder die Kraft, fünfzehn Jahre lang gegen dasselbe Projekt zu demonstrieren, aber sie haben gelernt, dass die Dinge nicht unter den Tisch fallen, wenn sie protestieren. Dass sie etwas bewirken und eingreifen können, wenn sie auf die Straße gehen.



F: Die Politik lässt sich vom Protest nicht beeindrucken.

R: Doch. Wenn sie merkt, dass die Stimmung umschlägt, dann macht sie - wie nach Fukushima - eine andere Atom-Politik. Ich verstehe allerdings trotzdem nicht die S-21-Politik in Baden-Württemberg, beziehungsweise ich will sie nicht verstehen. Natürlich weiß ich, um wie viel Geld es bei einem solchen Projekt wie S 21 geht, welche Immobilieninteressen dahinter stecken. Und wenn der Ministerpräsident eine Volksabstimmung durchführt und sagt, er halte sich an das Ergebnis, ist das meinetwegen respektabel. Wenn diese Volksabstimmung aber auf der Basis falscher Fragestellungen und Informationen, die heute nicht mehr gültig sind, erfolgte, dann darf doch Winfried Kretschmann ruhig, ohne das Gesicht zu verlieren, eine neue Volksabstimmung machen. Abgesehen von den ständig steigenden Kosten: Ich habe nie verstanden, warum die Freiburger oder die Biberacher über den Stuttgarter Bahnhof abstimmen müssen.



F: Wieso ist Ihnen Stuttgart 21 überhaupt so wichtig?

R: Weil dieses Projekt eine unglaubliche Symbolkraft hat. Nie hat ein Thema eine Stadt so gespalten. Es erinnert tatsächlich an den Turmbau von Babel, weil die Leute in Stuttgart ihre gemeinsame Sprache verloren haben, weil sie eine Teilung der Gesellschaft erlebt haben und weiterhin erleben.



F: In Ihrer neuen Show „Deutschland to go – das Programm“ werden Sie sich mit Politik und Moral auseinandersetzen. Gibt es Moral in der Politik?

R: Ich glaube, dass es einen Moralwechsel geben wird, weil den Politikern in Zukunft weniger durchgehen wird. Durch die neuen Informationsmöglichkeiten können die Dinge nicht mehr so leicht unter den Tisch gekehrt werden. Es wird ein neues Bewusstsein für öffentliche Themen geben, weil viele Menschen gemerkt haben, dass sie sich besser informieren und dadurch besser wehren können. Die Politiker werden zu einer neuen Moral gezwungen werden. Bisher bedeutet Moral ja eher: Wie viel darf ich zugeben, ohne Schaden zu nehmen? Das geht nicht mehr, wenn alles rauskommt.



F: Woher kommt Ihr Optimismus, etwas könnte sich ändern, die Menschen würden sich in Zukunft stärker für ihre demokratischen Rechte einsetzen?

R: Sobald die Menschen etwas gemeinsam erleiden, werden sie aufmerksamer. Sie hören besser zu. Sie sind feinfühliger und informieren sich besser. Im Osten von Deutschland ist das noch deutlich zu spüren. Viele haben die gemeinsame Not der Diktatur erlebt, oder sie haben sie ihren Kindern noch brühwarm nacherzählen können. Diese Menschen zeigen heute bei Fragen, die die Demokratie betreffen, eine größere Aufmerksamkeit und Empfindlichkeit als im Westen. Wir im Westen haben nach der Maueröffnung bekanntlich dieses Bedürfnis nach Demokratie zugestopft mit Konsumartikeln, mit Gebrauchtwagen und Videorekordern. Und das damals auch mit Erfolg. Heute geht das nicht mehr. Unser Demokratiebedürfnis lässt sich nicht mehr so leicht abspeisen. Natürlich ist auch ein Mensch im Westen, der Hartz IV empfängt, schlecht dran, aber er erlebt im Moment noch nicht die große gemeinschaftliche gesellschaftliche Not.



F: Wenn unsereins dankbar ist für den Satz eines Kabarettisten zur Politik, dann doch deshalb, weil sich Parteipolitiker durch nichts mehr unterschieden, weil sie wie jetzt im sogenannten Wahlkampf fast alle nur austauschbare Floskeln absondern.

R: Zurzeit führen die Parteien einen vorsintflutlichen Wahlkampf, sie tun so, als gäbe es noch einen Lagerwahlkampf. Den gibt es längst nicht mehr. In Wahrheit haben wir heute vor allem Personalwahlkämpfe. Eine große Zahl von Wählern schaut sich die Kandidaten an und sagt: Den oder die finde ich gut, oder der oder die hat mir mal was Gutes getan.



F: Herr Richling, Sie parodieren Politiker. Sind diese Figuren noch so interessant?

R: Nein, sind sie nicht. Ich parodiere sie ja nicht im dem Sinn, dass ich sage: Ich kann den De Maizière gut nachmachen, oder ich habe den Westerwelle gut drauf. Das interessiert mich nicht. Für mich bringen diese Figuren eine Farbe in mein Programm, sie sind reine Stilmittel. Ich benutze sie und karikiere sie.



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