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Samstag, 20. Juli 2013, 1145. Depesche



 

NACHTRAG: Stuttgarter Kickers - Rot-Weiß Erfurt 0:1



LIEBE GÄSTE,

es gibt Pflichten. Die Kickers starten an diesem Samstag gegen Rot-Weiß Erfurt in die neue Drittliga-Saison. 14 Uhr. Waldau. "Bild" berichtete diese Woche über den langfristigen "Knebel-Vertrag", den die Kickers vor drei Jahren mit ihrem Investor, der Firma Quattrex, abgeschlossen haben. Hinter diesem Unternehmen steckt der Stuttgart-21-Sprecher Wolfgang Dietrich. Die Aussage des Vereinssprechers, der Vorstand der Blauen empfinde den Vertrag über eine Million Euro Kredit trotz der extremen Zinslast und der hohen Abgabe von TV-Einnahmen als "ausgewogen", konterte "Bild" mit dem Satz: "Klar, und die Erde ist eine Scheibe ..."



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



IM BERG, IN BERG

Höre ich Berg, denke ich an das Bad. Mit dieser Sicht allerdings bliebe mir auf Dauer eine der schönsten Gegenden der Stadt versperrt, und da hilft nur: Vorwärts, die Stadt hat keinen Anfang und kein Ende, sie ist dazu da, ­ständig neu entdeckt zu werden.

Dieser Satz gilt selbstverständlich nicht für Politiker. Zur Beurteilung ihrer Stadt und ihrer Menschen genügt Politikern die Innenansicht ihrer Parkhäuser. Die Parks der Stadt kennen sie meist nicht, bevor sie die Stadt und ihre Parks verschandeln.

Es ist Sommer und heiß, als ich wieder einmal im Osten herumgehe. Seit dem vergangenen Herbst war ich nicht mehr in Berg. Immer nur im Berg. An der Straßenbahnhaltestelle Mineralbäder nach links, die Karl-Schurz-Straße hinauf. Gasthaus Traube, Hotel Berg. Irgendwer in den auf­regenden dreißiger Jahren von Stuttgart, im Aufbruch der ­Moderne, muss etwas übrig gehabt haben für freiheitsliebende deutsche Offiziere in Amerika. In dieser Zeit, vor der Nazi-Diktatur, wurden die Karl-Schurz-Straße und die Steubenstraße getauft. Karl (oder auch Carl) Schurz hatte sich 1848 der Revolution an­geschlossen, 1852 wanderte er in die USA aus, wurde unter Abraham Lincoln General und als erster Deutscher ­Senatsmitglied der Vereinigten Staaten. Friedrich Wilhelm von Steuben diente im 18. Jahrhundert George Washington als Generalstabschef und besiegte mit seinen Truppen die Engländer im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.

Der Kampf um die Freiheit und die Rechte der Bürger dauert bis heute an, und wie immer geht es um die Frage: Wem gehört das Land? Wem gehört die Stadt? Der Stadtteil Berg ist ein Politikum, seit die berühmte Villa Berg verrottet und auch ihr Park von den Spuren der politischen Verkommenheit nicht verschont geblieben ist. Dennoch ist der Park der Villa Berg einer der lohnendsten Herumgeher-Orte weit und breit.

Einige Stunden war ich unterwegs im Grünen, ohne Ziel. Ich stand auch vor dem Eingang der Villa Berg, zum ersten Mal seit Jahren. Die Scheiben der Laternen sind zerschlagen. Als das Gebäude unter der Regie von König Karl I. auf einem Weinberg fertig­gestellt wurde, wanderte Karl Schurz gerade nach Amerika aus. Heute gibt es einige Initiativen zur Rettung und Neubelebung der Villa, und wie immer in solchen Fällen redet man ­etwas daher über „Kultur“, das undefinierte Heilmittel für den skandalösen Umgang der Politiker mit den ­Ressourcen der Stadt.

Bis 2007 war die Villa im Besitz der SWR, einem öffentlich-rechtlichen Sender mit einem Kulturauftrag, der offensichtlich nur auf dem Papier steht. Der SWR verkaufte das Haus an den Bauunternehmer Häussler, kurz bevor der allseits hofierte Immobilienkönig trotz aller Seilschaften Pleite ging.

Die Villa Berg erzählt etwas über das Kulturbewusstsein und das Geschichts­verständnis in dieser Stadt, und der Spaziergänger zuckt mit den Schultern, wenn die Grünen im Gemeinderat jetzt fordern, „den Bürgerinnen und Bürgern den Park wieder zurückzugeben“. Ich musste mir den Weg nicht freischießen, als ich im Park ­herumging, mit großen Augen, weil er mir so groß erscheint und schön. Die alten Studios des SWR stehen unnütz herum, doch gibt es keinen Stacheldraht, der die „Bürgerinnen und Bürger“ hindern könnte, diesen Park in Besitz zu nehmen als ein Stück Stadt, das ihnen gehört. Noch ist er offen.

Berg ist ein Ausflugsort. Die früher mit Mineralwasser betriebenen Mühlen. Die Dorfkirche. Die Geschichte des Ostens. Der Ingenieur und Schriftsteller Max Eyth hat in Berg in der weltbedeutenden Dampf­maschinenfabrik Gotthilf Kuhn gearbeitet. Zu dieser Zeit kämpfte Karl Schurz schon für Lincoln, und vielleicht hat er den Weltreisenden Max Eyth in den USA getroffen.

Auf dem Rückweg von der Villa Berg streife ich das Landhaus, eine märchenwaldbunte Terrassenkneipe, früher eine Weinstube der legendären Altstadt-Wirtin „Melle“ Widmer. Geht der Spaziergänger ins Tal, sieht er die Parklandschaft und das Freibecken des Mineralbads Berg. Er weiß, er hat eine gute Tagesroute gewählt, mit amerikanischen Träumen durchs Grün zur Villa Berg, dem Mahnmal gegen Inter­essenlosigkeit und ­Ignoranz. Kurze Pause in dem lustigen Wirtshaus, und dann wartet als Belohnung Stuttgarts Wasser von Welt.

Ließen wir uns die Schätze der Stadt nicht dauernd nehmen, könnte sich keiner damit brüsten, sie zurückzugeben.

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