Bauers Depeschen


Samstag, 06. Juni 2015, 1472. Depesche



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne "Joe Bauer in der Stadt":



WIE IN ROM

Es sind viele Menschen in der Stadt, in ­dieser ersten Juni-Woche des Jahres 2015. An vielen Plätzen hat man Wasser- und Spülbecken aufgebaut, damit die Leute ihre Flaschen füllen, ihre kokelnden Rucksäcke löschen und ihre Äpfel waschen können. Viele halten auch ihre Birne unter den ­Wasserhahn, weil sie so rot ist wie der Uniform-Schal um ihren Hals.

Auch unseren Schiller auf dem gleichnamigen Platz haben die Frommen in eine rote Fahne gehüllt, als spielte er beim VfB, und neben dem Denkmal werden Devotionalien verscherbelt: „Luthersocke“, „Trendbrause“, „Regen­bogenfisch-Kette“. Schiller denkt sich wohl mal wieder: „Große Seelen dulden still.“

Ich finde es nicht schlimm oder gar ­auf­regend, wenn viele Leute in der Stadt ­herumstolpern und merkwürdige Sachen anstellen. Auch dieser Kelch wird an uns vorübergehen. Manchmal ist das Boot eben voll, und die Menschen in Stuttgart haben das Glück, auf dem Weg in die ­Fremde nicht zu ertrinken wie viele ihrer von Gott vergessenen Brüder und Schwestern.

Es gibt einfache Regeln fern der Heimat. „Wenn du nach Rom kommst“, hat Ambrosius gesagt, „mach es wie die Römer.“ ­Signor Ambrosius von Mailand (339 bis 397) war Politiker, Bischof und einer der wichtigsten Kirchenlehrer; neunhundert Jahre nach seinem Tod wurde er mit dem Ehren­titel „Kirchenvater“ ausgezeichnet.

Schwer zu sagen, wie man seinen Rat heute in der allgemeinen Stuttgarter Internationalisierung umsetzen könnte. „Kommst du nach Heslach, Bruder“, müsste es heißen, „mach es bloß nicht wie die Stammheimer und die Waiblinger.“

Aus Furcht vor der hemmungslosen ­Zuneigung der Jünger Gottes und der ­Kontakthof-Erotik in den Straßenbahnen verschanzen sich viele Einheimische in ihren Wohnungen. Die Klugen unter ­ihnen aber erinnern sich an ihre Lieblingsplätze in der Einsamkeit auf den Hügeln fern des aufgeheizten, mit reichlich Glas und Beton ­versauten Feinstaub-Kessels. Am Bad Berg starte ich zum Joggen durch den Rosensteinpark. Vorbei am Museum, bald darauf den Trampelpfad die Wilhelma-Gehege entlang.

Unterwegs wie Rocky ­Balboa in Pumphose und Kapuzenjacke, kann ich leider keine Notizen und Fotos machen, ich weiß aber, dass ich auf dieser Tour an Eseln, an Kamelen und einem Vogel Strauß vorbeikomme. Da ich die Strecke schon oft gelaufen bin, habe ich eine gewisse Beziehung zu den Tieren aufgebaut und mir Namen für sie überlegt, falls ich eines Tages mit ihnen sprechen muss.

Es wäre nicht besonders originell, eine Eselin nach einer Bürgermeisterin zu taufen oder ein Kamel wegen des K&K-Stabreims Kretsch­mann zu nennen. Dem Vogel Strauß dagegen, diesem Typen mit seinem langen Hals und seinen stolzen Federn am Hintern, habe ich einen Namen gegeben. Meistens steht er, um Bewunderung bemüht, wie ein Säulenheiliger herum, nicht wissend, dass nicht nur die Mexikaner gute Cowboystiefel aus ihm machen. Weil kein Zoologe, kann ich nicht sagen, ob es sich bei meinem Strauß um einen Kerl, um eine Sträußin oder eine Transe handelt. Im Gender-Zeitalter, die Kirchenväter ­werden mir recht geben, ist das wurscht.

Meinen Strauß umgibt die Aura eines ­dörflichen Popstar-Veteranen, sein Posing ist voll fett, und so habe ich ihn mit Blick auf das Gehabe eines früheren DDR-Pfarrers auf den Namen Gauck getauft. Vor Publikum tut der Vogel stets so, als sei er der ­Wilhelma-Chef persönlich.

Ich laufe weiter zum Löwentor und über die Stege – nach den Partnerstädten Lodz, Brünn und Bombay benannt – zum Wartberg, diese in Wirklichkeit wunderschöne Talmulde mit dem Egelsee in ihrer Mitte. In dieser Naturschutz-Landschaft, wegen ihrer Skulpturen auch als „Kunst­station“ ausgeschildert, herrscht eine einzigartige Stille. Immer wenn ich den Teich umrunde, fühle ich mich flink und schwerelos wie das sagenhafte Renn-Tier Strauß, das lange vor meiner Zeit wohl fliegen konnte.

Flugs fliege ich zurück, noch kurz ­hinunter zum Neckar und dann zur Selbstreinigung ins Mineralbad Berg. Die ­Hamburger „Spiegel online“-Redaktion hat das Berg den Kirchentagsgästen in ihren Ausgeh-Tipps empfohlen: „Hier müssen Sie hin.“ Auch hoch im Norden sollte man ­wissen, dass das Berg ein heiliger Stuttgart-Ort ist, ohne Zutritt für Uniformierte mit Sturmgepäck. Weshalb ich Rache geschworen habe: Beim nächsten Hamburger Hafenfest werde ich im Netz die Nachricht ­verbreiten, bei „Spiegel online“ gebe es Freibier mit Fisch: „Da müssen Sie hin!“

Im Berg findet der Gast nicht nur das beste Wasser der Welt, eine paradiesische Parklandschaft und unzählige Vögel, noch schräger als mein Gauck. Wir begegnen auch den beiden Damen und dem Knaben aus der Skulpturen-Werkstatt des heimischen ­Bildhauers Johann Heinrich Dannecker. Als Johann Wolfgang von Goethe 1797 ­Dannecker in Stuttgart traf, hat er sich trotz einer einige Jahre früher erlittenen Wanzen-Attacke in der Stuttgarter Herberge ­Römischer Kaiser von dem Bildhauer mit den Worten verabschiedet: „Nun habe ich Tage hier verlebt, wie ich sie in Rom lebte.“

Sag’ ich doch: Kommst du nach Stuttgart, mach es wie die Römer. Oder worauf du sonst noch scharf bist, coole Luthersocke.



FLANEURSALON LIVE: DER NECKAR RUFT!

Joe Bauers Flaneursalon am Fluss

3. Stuttgarter HAFEN-PICKNICK

Große Samstagsshow am wilden Neckarufer mit:



Ginger Redcliff - die Indie-Königin

The Tremolettes - die beste Band der Welt

Wiglaf Droste - der Poet und Entertainer

Ekkehard Rössle Duo – All that Jazz

rahmenlos & frei - der Chor der Vesperkirche

Joe Bauer - der Levitenleser



Samstag, 4. Juli 2015

Picknick-Gelände mit Grill, geöffnet ab 16 Uhr

Showbeginn: 18.45 Uhr Uhr

Neckarhafen, 70327 Stuttgart

Stahlbau Heil, Mittelkai 12 -16

Anfahrt über B 10, Ausfahrt Hedelfingen

Siehe: STAHLBAU HEIL

VORVERKAUF: MUSIC CIRCUS - Kartentelefon: 07 11 / 22 11 05

° Unser Hafen-Gelände ist überdacht °



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