Bauers Depeschen


Samstag, 06. Februar 2021, 2254. Depesche



 



LIEBE GÄSTE,

auch im Lockdown gibt es was zu tun: Die nächste Kundgebung "Rettet das Metropol" findet am Donnerstag, 11. Februar, vor dem Stuttgarter Metropol-Gebäude in der Bolzstraße statt. Beginn 17.30 Uhr. Mit Beiträgen von Iris Dressler (Württembergischer Kunstverein), Peter Rommel (vielfach ausgezeichneter Filmproduzent), Goggo Gensch (Filmemacher), Joe Bauer. Musik: Moni Ramoni. - Ziel: Das Metropol muss ein offener Ort für Kultur und der Begegnung werden!

UND HIER GEHT ES ZUR PETITION RETTET DAS METROPOL - bitte unterschreiben und weitersagen: PETITION



WIR TRAUERN UM

DIE-CORONA-TOTEN

Immer sonntags findet die Aktion "Wir trauern um die Corona-Toten" zurzeit auf dem Stuttgarter Marienplatz statt. Beginn 17 Uhr. Marcel Engler (Loisach Marci) musiziert. Ein stilles Zeichen mit Grablichtern, damit die vielen am Virus verstorbene Menschen nicht als Zahlen und Statistiken abgehakt werden. Keine Reden, keine Demo-Rituale. Eine bundesweite Aktion, die man in den sozialen Medien findet: #coronatotesichtbarmachen



FOTOS VON LUTZ SCHELHORN

IN DEN STRASSEN DER ALTSTADT

Am heutigen Samstag ist in den Straßen der Stuttgarter Altstadt Lutz Schelhorns Schau „Fotos im Fenster“ eröffnet worden. Die Bilder hängen bis zum Ende des Lockdowns - ein Spaziergang für Neugierige, die gern Spuren suchen. Auf Wunsch des Machers habe ich ein wenig mitgeholfen und zur Online-Vernissage ein paar Sätze aufgeschrieben und die Rede mit dem Taschentelefon aufgenommen. Hier ist der Link zum Video: FOTOS IM FENSTER



ALS GAST IN DER

RADIO-SHOW AUF SWR 2

Um 23:03 Uhr geht's los: Die Radio-Show auf SWR 2 an diesem Samstag mit: Helge Thun, dem Duo „Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie“, Sascha Bendiks - und irgendein Joe Bauer macht auch mit. (Vor Corona wurde dieses Format live produziert) TROTZKULTUR AUF SWR 2



Künstler*innensoforthilffe

KÜHLSCHRANKFÜLLER.

Unsere Künstler*innensoforthilfe Stuttgart ist dank vieler Spenden in der Weihnachtszeit mit einem guten Polster ins neue Jahr gestartet, und schon jetzt ist klar: Alles wird für die Betroffenen, für die diese Aktion gedacht ist, noch schlimmer werden als im ersten Pandemie-Jahr. Viele Rechnungen müssen zurzeit bezahlt werden, und Arbeit ist für die meisten Freischaffenden im Kunst- und Kulturbereich nicht in Sicht In der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" ist zuletzt ein schöner Bericht über uns erschienen: "Kühlschrankfüller des Südens". Mal schauen, wie lange unsere kleine Privatinitiative finanziell durchhalten kann. Mehr als 800.000 Euro Spenden haben wir bisher erhalten. Wir bitten weiterhin um Spenden und um die Verbreitung unserer Sache. Allen, die helfen, herzlichen Dank! Hier geht es zu den Infos auf unserer Webseite: KÜNSTLER*INNENSOFORTHILFE



Und hier noch meine jüngste Kontext-Kolumne - am kommenden Mittwoch erscheint die nächste:

DIE WAND HOCH

Von Zeit zu Zeit komme ich auf meinem Weg ins Nichts an meinem Lieblingsitaliener vorbei. Er steht vor dem Garten seines stattlichen Restaurants und grüßt mich freundlich. Ob ich noch wisse, wie lange wir uns schon kennen, hat er mich gefragt. Vierzig Jahre, habe ich geantwortet. Könnte hinhauen. Als ich ihn gefragt habe, wie er im Lockdown über die Runden komme, hat er gelächelt und gesagt: "Du weißt doch, wir sind alte Hasen." Diese Antwort hat mir gefallen, nicht nur, weil sich schon Ende Januar der Wind Richtung Ostern gedreht hatte. Alte Hasen machen auch aus mir noch einen Fuchs.

Im "Spiegel" habe ich einige Tage später gelesen, dass auch in der Pandemie-Krise mit ihren verheerenden wirtschaftlichen Folgen alle Straßen nach Rom führen. Gut gemanagte italienische Familien verfügen auf die Schnelle über mehr Bares als jede Bank, und noch schneller finden sie die Opfer des Corona-Elends unter den Verzweifelten. Jede Krise trifft zuerst die Verletzlichen.

Ich bin weit weg von allem. Der Garten meines Lieblingsitalieners ist die Erinnerung, dass es mal anders war und nie wieder so werden wird.

Es gibt im Übrigen genügend kürzere Routen als die nach Rom, wenn es darum geht, Profite zu machen.

Seit der Pandemie bin ich in meinem Job als gewerbetreibender Hans Guck-in-die-Luft nicht mehr so oft unterwegs. Was schade ist, weil sich im vermeintlichen Stillstand womöglich mehr Abgründe auftun als im üblichen Getue. Als In-die-schlechte-Luft-Gucker kann ich es mir leisten, beim Gedanken an die bösartigen Bestrafungen dieses Treibens im "Struwwelpeter" einen fahren zu lassen, der es mit jedem Frühlingswind aufnimmt.

In der Stadt herumzugehen mit der Absicht, Beobachtungen zu verwerten, entspricht nicht unbedingt dem lustigen Hobby, die Zeit totzuschlagen. Auch wenn es zurzeit so viel Zeit totzuschlagen gibt wie lange nicht.

Zu den Beobachtungsorganen zähle ich als alter Hase meine Nase und mir scheint, als dünste die Stadt im Lockdown weniger Gerüche aus als früher. Wenn ich die Nase gen Himmel strecke, stinkt die Luft nicht mehr nach Fastfood-Fett, wo sie immer nach Fastfood-Fett gestunken hat. Vielleicht aber hat diese Wahrnehmung mit dem Zinken auch einen simplen Grund: Ich kann meine Stadt nicht mehr riechen. Bin ja nicht Monsieur Grenouille aus Patrick Süskinds Roman "Das Parfum", wenn auch nicht immer frei von seinen Mordgelüsten.

Ich gehe an den Breuninger-Bauten vorbei in jenem Konsum-Carré, das man "Dorotheen-Quartier" getauft hat, als könne der Begriff "Quartier" irgendwelchen Menschen irgendeine Stadtviertel-Identität vortäuschen. An einer Glasfassade lese ich beim In-die-Luft-Gucken die identitätsstiftenden Geschäftsnamen "Rivièra Maison" und "rich & royal". Hinter mir heißt ein Lokal "Sansibar". Es verspricht, wie ich mithilfe meines Taschentelefons ermittle, "Meeresrauschen und Dünenfeeling in Stuttgart". Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Zügig über den Schlossplatz, wo sich auf den Bänken die ersten Liebespaare des neuen Jahres ewige Treue schwören. Dann zum Königsbau, wo die Schlange vor der Post den Eindruck erweckt, als sei gerade ein Lockdown oder Generalstreik zu Ende gegangen. Gegenüber sehe ich die Schrifttafel über den EM-Kinos: "Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage".

Diese Botschaft gilt wohl weniger dem ein paar Meter entfernten Metropol-Kino, das bekanntlich zum Jahresende geschlossen wurde. Auf die Geschichte dieses Hauses, auf dessen Gelände bis zum Abriss in den Zwanzigern Stuttgarts erster Bahnhof stand, wurde zuletzt hin und wieder hingewiesen. Dennoch ist der Blick auf die historische Dimension dieses Quartiers viel zu eng. Meist richtet er sich nur auf das verlorene Lichtspieltheater – nicht auf die für Stuttgarter Verhältnisse durchaus städtische Kulisse mit dem einstigen Hotel Marquardt und der Metropol-Bühne, wo Weltstars wie Richard Wagner, Franz Liszt und Ella Fitzgerald eine Rolle spielten. Und zügig vergessen wurden. Stuttgart wurde nach und nach ja nicht nur topografisch, sondern auch geistig gekesselt.

Das Geschichtsbewusstsein der heutigen Besitzer des Metropol-Gebäudes, das die Stadt in ihrem Ausverkaufs- und Abrisswahn schon vor Jahren verscherbelt hat, reduziert sich auf die letzte Mieterhöhung. So wundert es nicht, dass die Union Investment, eine Tochter der Genossenschaftsbanken, das Kulturdenkmal einem Boulderhallen-Betreiber überlassen will. Diese Strategie spiegelt präzise das übliche meerberauschte Kessel-Feeling: Sobald du an den Umgang mit den Kostbarkeiten und der Geschichte deiner Stadt denkst, gehst du die Wand hoch.

Die Vorstellung, nach den Abstürzen der Pandemie-Krise könnten Fitness-infizierte Menschen im Kulturdenkmal Metropol an künstlichen Felsbrocken herumkraxeln, ist so typisch stuttgarterisch und komisch, dass mir nur der Wunsch bleibt: mehr Boulderhallen! Damit im Kessel nicht nur die Mietpreise klettern.

Würde die Union der Banausen den – meinetwegen nicht kurzfristig messbaren – Wert eines urbanen Ortes voller Geheimnisse begreifen, könnte ihr vielleicht der Gedanke kommen, die gesamte Häuserzeile an der Eugen-Bolz-Straße als eine der historisch bewegendsten Ecken Stuttgarts öffentlich darzustellen. Da gäbe es einiges zu erzählen und vorzuzeigen, man könnte imitschmäßig richtig angeben – mit dieser zentralen Nische einer Stadt, die in Wahrheit kein Zentrum hat, weil die Politik ihre Stadtplanung und Wohnpolitik den Herrenfahrern und Immobilienhaien überlassen hat. Womöglich könnte sich auf diese Weise sogar ein großstädtischer Geruch ausbreiten, der uns Hanswürsten im Provinzmief wie mörderisches Parfüm zu Kopf steigen würde. Der Gewinn im Hotspot-Geschäft wären Einblicke in die aufregende und liebenswerte Seele einer Stadt.

Was aber willst du Betonköpfen von Richard Wagner oder Ella Fitzgerald erzählen. Oder gar von Typen wie dem Dichter, Revolutionär und Weltmann Albert Dulk, der einst in weiser Voraussicht nach einer Herzattacke in Stuttgarts altem Centralbahnhof diese Welt verließ. Und der Trauerzug für ihn in Stuttgart so viele Leute auf die Beine brachte wie die Beerdigung eines Rockstars.

Als ich einen Steinwurf vom Metropol entfernt auf meinem Weg ins Nichts vor der Volksbank lande, erinnert mich deren Leuchtreklame an die Obdachlosen dieser Stadt: "Meine Heimat. Meine Bank."

Zurückblickend auf den früheren Varieté-Charakter des Metropols schlage ich vor, künftig in Erinnerung an die Leidenschaft eines berühmten schwäbischen Dichters gute Geschäfte im zerstörten Traumkino zu machen: Hermann Hesse, der reichlich heimatlichen Stallgeruch nachzuweisen hat, war passionierter Nackt-Kletterer. Diese Disziplin eröffnet uns kulturellen In-die-Luft-Guckern die große Chance, in unserer Gemeinde der talentfreien Kessel-Flicker auch noch unsere Haut zu Markte zu tragen.







 

Auswahl


Depeschen 2311 - 2318

Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280
28.07.2021

27.07.2021

25.07.2021
15.07.2021

30.06.2021

23.06.2021
17.06.2021

04.06.2021

03.06.2021
01.06.2021

24.05.2021

19.05.2021
04.05.2021

21.04.2021

13.04.2021
08.04.2021

01.04.2021

27.03.2021
24.03.2021

11.03.2021

27.02.2021
22.02.2021

17.02.2021

15.02.2021
12.02.2021

11.02.2021

06.02.2021
02.02.2021

28.01.2021

22.01.2021

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

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Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

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Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660

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Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

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Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




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