Bauers Depeschen


Mittwoch, 28. Juli 2021, 2280. Depesche



 



LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

meine neue Kontext-Kolumne ist online: NECKARSCHLACHT AM STUTENGARTEN. Ein paar Gedanken über den missachteten Fluss - und was die Rockpoetin Patti Smith und der revolutionäre Dichter Rimbaud mit Stuttgart und dem Neckar zu tun haben. Hier geht's zum Text: AKTUELLE KONTEXT-KOLUMNE



Flaneursalon live - Es gibt noch Karten

POESIE, MUSIK

UND VIEL HUMOR AM NECKAR

Der Flaneursalon ist am kommenden Sonntag beim schönen Festival Poesie & Oechsle. Um dem Titel der Veranstaltung gerecht zu werden, habe ich gleich zwei Köpfe aus der Poeten-Abteilung in meine Lieder- und Geschichtenshow eingeladen: den Kabarettisten/Schriftsteller Jess Jochimsen und den Satiriker/Schriftsteller Oliver Maria Schmitt, der als Deuschlands Oechsle-Wissenschafter Nr 1 auch alles über die Risiken von Wein-Impfungen weiß. Da der Veranstaltungsort, das Weingut Zaißerei, am Neckar liegt, bin ich fürs Wasser zuständig. Und um unseren Laden im Fluss zu halten, machen die besten Stimmen des großen Stroms Musik: Eva Leticia Padilla (mit Dany Labana Martinez) und Stefan Hiss. Als Platz-Orchester kommen Moni Ramoni und Babs Steinbock angeschwommen. NOCH GIBT ES KARTEN: VORVERKAUF



METROPOL-AKTION

Die nächste Kundgebung gegen die Zweckentfremdung eines historischen Kulturgebäudes der Stadt findet an diesem Donnerstag, 29. Juli, auf dem KLEINEN SCHLOSSPLATZ statt. Wortbeiträge zum Thema "Wir brauchen ein Haus der Begegnung", Musik von der fabelhaften Sängerin Yaema, Tanz von einer internationalen Truppe des AK Asyl. Beginn 18 Uhr.



REDE

Diese Woche, am 26. Juli, war ich wieder mal als Redner für die Montagsdemo gegen Stuttgart 21 geladen:



SCHÖNEN GUTEN TAG auf dem Schillerplatz,

verehrte Protestgemeinde von Stuttgart,

wenn ich mich richtig erinnere, wurde die Montagsdemo im Lauf der Zeit ein echter Wanderzirkus. Mal gastiert er am Bahnhof, mal im Schlossgarten, mal auf dem Marktplatz oder auf dem Schlossplatz. Dann gab es auch etliche Auswärtseinsätze, von Berlin bis Frankfurt am Main – und nicht zu vergessen die Demos, die mitten in den Wohnzimmern stattfanden, als Online-Aktionen in den Lockdowns.

Das Herumziehen von Ort zu Ort aber ändert grundsätzlich nichts an der Standfestigkeit der Mitwirkenden und an der Sache an sich. Während wir herumziehen, zieht sich dieses Profitmacher-Projekt namens Stuttgart 21 mit all seinen Pleiten, Pannen und Lügen immer mehr in die Länge – und verschandelt einen Ort nach dem anderen.

Wenn ich das sage, denke ich nicht nur zurück an abgesägte Bäume oder einen verwüsteten Park. Und schon gar nicht bin ich der Meinung, alles müsse bleiben, wie es war und ist. So reaktionär und perspektivlos denken und handeln vielmehr die, die uns seit jeher vorwerfen, wir seien die Gestrigen. Dieselben Politiker und Geschäftemacher, die mit Dollarzeichen in den Augen ununterbrochen von Zukunft und Fortschritt faseln, verteidigen die Zustände und Verhaltensweisen einer Vergangenheit, die ihnen nichts, aber aber auch gar nichts für die Gegenwart beigebracht hat.

Bis gestern war drei Tage lang das Klimacamp im Stuttgarter Uni-Park aufgebaut, an einem in dieser Stadt nicht besonders bekannten Ort.

Die Geschichtsbewussten, die sich mit den Zusammenhängen von Vergangenheit und Gegenwart beschäftigen, wissen, dass im Uni-Park der Gedenkstein für die ermordete Widerstandskämpferin Lilo Herrmann steht. Und sie wissen, warum einst die Faschisten das ganze Land beherrschen konnten. Nämlich deshalb, weil viele, die sich konservativ nannten und für liberal hielten, nichts gegen die Nazis und deren Helfershelfer unternommen haben. Sie ließen die Völkischen gewähren. Der Antisemitismus in Stuttgart und im Württembergischen konnte sich vor allem auch deshalb ausbreiten, weil zu viele aus reiner Bequemlichkeit oder falsch verstandener Liberalität antisemitische Hetze duldeten und akzeptierten.

Damit wieder zum Klimacamp im Uni-Park. Die Partei, die das Thema Klima zu ihrem sogenannten Markenkern gemacht hat, sind die Grünen. Unter diesen Grünen – und an dieser Stelle kann ich sehr wohl differenzieren – gibt es welche, die sich vergangene Woche im Landtag bei der Wahl eines AfD-Kandidaten zum baden-württembergischen Verfassungsrichter ihrer Stimme enthalten haben.

Damit haben sie einem den Weg geebnet, der einer nationalistisch und völkisch geprägten Partei angehört. Einer Partei, die mit Rechtsextremen zusammenarbeitet und den Köpfen der neuen Rechten als parlamentarische Handlangerin dient. Wer mithilft, ein derartiges politisches Klima zu schaffen, ist selbst gefährlich – und politisch auch in anderen Fragen nicht glaubwürdig. Wer für sich eine demokratische Gesinnung in Anspruch nimmt, darf sich niemals der Stimme enthalten und haltungslos zuschauen, wie Völkische und Nazis immer mehr Einfluss bei uns gewinnen.

Und da hilft es nicht, wenn nach jeder Kritik an der Partei die Replik kommt, man betreibe „Grünen-Bashing“. Es geht hier nicht um Bashing. Es geht darum, angesichts des gefährlichen Kulturkampfs von rechts vor dieser politischen Verantwortungslosigkeit im Landtag zu warnen. Der strategische geführte Kulturkampf der Rechten ist ein Angriff auf unsere Lebensweise und die liberale Demokratie. Und wer dagegen nichts tut, sondern sich rückgratlos enthält, hat nicht begriffen, was unsere Geschichte mit der Gegenwart zu tun hat. Die Rechten hingegen haben durchaus aus der Geschichte gelernt: Sie wissen auch heute, wie man vermeintlich politische Gegner für sich einspannt.

Albert Einstein hat gesagt: „Die Welt ist viel zu gefährlich, um darin zu leben – nicht wegen der Menschen die Böses tun, sondern wegen der Menschen, die daneben stehen und sie gewähren lassen.“

Die Welt, das erleben wir in diesen Tagen, wird definitiv immer gefährlicher. So gefährlich, dass bei Unwetterkatastrophen viele Menschen ihr Leben lassen müssen. Um über diese Bedrohungen aufzuklären und gegen die politische Tatenlosigkeit zu protestieren, haben gerade junge Menschen aus verschiedenen Bündnissen ein Klimacamp eingerichtet. Ein solches Camp ist ein wichtiger Ort der Begegnung – gut ausgesucht in Stuttgart, wo der monströse Klimakiller Stuttgart 21 seit Jahren die Stadt verschandelt. Wo dieses zerstörerische Größenwahnprojekt von fast allen Parteien akzeptiert wird, weil es Profite verspricht.

Am Klimacamp der vergangenen Tage haben auch Aktivistinnen und Aktivsten von Stuttgart 21 mitgewirkt – das war und ist ein starkes Zeichen. Es gibt für die demokratische außerparlamentarische Opposition nichts Wichtigeres, als sich zusammenzutun, sich zu vernetzen – und sich damit für das Gemeinsame der verschiedenen Initiativen und Bündnisse einzusetzen. Solidarität ist nicht nur ein Wort.

Für das solidarische Miteinander brauchen wir Orte der Begegnung. Nicht nur dann, wenn wir Demos auf dem Ordnungsamt anmelden. Ein Ort der Begegnung ist, dies nebenbei, seit jeher ein Bahnhof – allerdings nicht mehr, wenn er zerstört wurde wie in Stuttgart. Dieser Ort hat das Menschliche eingebüßt. Vielen von uns, die sich gegen das Immobilienprojekt Stuttgart 21 engagieren, geht es aber nicht nur um einen Bahnhof. Es geht um den Umgang mit dieser Stadt. Um den Umgang mit Menschen. Mit Menschen, die die immer heftiger unter dem Mietenwahnsinn und der Wohnungsnot leiden.

Wie aber geht die Politik mit dieser Stadt um: Weil Sozialarbeit vernachlässigt wurde, weil eine humane Auseinandersetzung mit den Menschen im neoliberalen Denken keinen Platz hat, greift man zu den drastischen Mitteln der Verdrängung. Und da wird es gelegentlich buchstäblich komisch: Ausgerechnet in der Stadt, die ihre Staffeln oder Stäffele als Wahrzeichen preist, ließ der neue OB die attraktivste Treppe im Zentrum eigenmächtig sperren. Die Freitreppe am Schlossplatz.

So sollen junge Menschen vertrieben werden. Genauso eigenmächtig, wenn auch juristisch legitim, sprach derselbe OB mit seinem nicht minder realtitätsfremden Ordnungsbürgermeister sogenannte Verweilverbote am Feuersee und auf dem Marienplatz aus. Der oberste Neue aus Backnang ist inzwischen ja bekannt als wandelnde Chefsache.

Die Pointe dieser provinziellen Politik der Hilflosigkeit und Ahnungslosigkeit aber ist die Muckibuden-Nummer: Die Rathaus-Chefs ließen Kraftmaschinen auf den Kleinen Schlossplatz stellen. In diesem Geist haben einst die Kommissköpfe unter unseren Turnlehrern ihre Zöglinge behandelt – nach dem Motto: Mehr Liegestütze, dann vergehen euch schon alle anderen Lüste.

Was eigentlich bilden sich die Rathaus-Herren ein. Sie glauben, sie könnten mit öffentlichen Räumen umgehen, wie es ihnen passt. Sie denken, die Stadt gehöre ihnen. Und ein Beispiel für den verantwortungslosen Umgang mit der Stadt ist das Metropol-Gebäude.

Ihr erinnert euch, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter: Im vergangenen Dezember stoppte der Montagsdemozug zu einer Aktion vor dem Metropol in der Bolzstraße, wo einst Stuttgarts erster Bahnhof und das legendäre Hotel Marquardt standen. Damals war schon bekannt, dass die Kinos im Metropol schließen würden. Das Haus, einst im Besitz der Stadt, war bereits von ihrer Eigentümerin, der Union Investment, an ein Boulder-Unternehmen vermietet worden. Ein Ort mit einzigartiger Geschichte soll jetzt zur Kletterhalle umgebaut werden. Angesichts dieser politischen Unkultur könnte man tatsächlich die Wände hochgehen.

Schon an diesem Donnerstag um 18 Uhr treffen wir uns auf dem Kleinen Schlossplatz zu unserer 8. Kundgebung zum Thema Metropol. Gerade jetzt, da wir ständig mit faschistischen und rassistischen Attacken konfrontiert werden, braucht diese Stadt ein Haus der Begegnung. Einen Ort des internationalen Dialogs für spartenübergreifende Kunst. Einen Ort, der Grenzen öffnet. Wir wollen keine Stadt, die Bauzäune und Mauern aufstellt, um Menschen auszuschließen und zu vertreiben. Konflikte löst man nicht mit Polizeigewalt und Video-Überwachung. Da läuft zurzeit ein ganz falscher Film in dieser Stadt. Gute Filme gehören ins Metropol.

Als Mahnmal gegen die Zerstörung des öffentlichen Raums steht nach wie vor steht Stuttgart 21. Wir müssen uns mit anderen zusammentun, um Orte der Begegnung zu schaffen. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Initiative Solidarische Nachbarschaft Schoettle-Areal, die sich für eine menschengerechte Nutzung frei werdender Gebäude des Landes in Heslach einsetzt. Dieses Bündnis erarbeitet Pläne für ein dringend notwendiges Quartier mit bezahlbaren Wohnungen, mit sozialen und kulturellen Räumen und kleinen Läden.

Liebe Protest-Gemeinde: Wir brauchen noch viel mehr Camps, um für ein humanes, ein halbwegs gerechtes Klima in unserer Stadt zu kämpfen. Und auch diese Montagsdemo ist nach wie vor ein wichtiger Ort der Begegnung. Ein Ort der Aufklärung und des Dialogs. Ob wir heute auf dem Schillerplatz stehen oder morgen auf dem Schlossplatz, spielt keine Rolle. Wir müssen unseren Platz auf der Straße verteidigen, um laut zu sagen, was in den Parlamenten schief läuft und verbrochen wird.

Lange lebe der Wanderzirkus der außerparlamentarischen Opposition!

In diesem Sinne: Auf der Straße bleiben!  

 

Auswahl


Depeschen 2311 - 2318

Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280
28.07.2021

27.07.2021

25.07.2021
15.07.2021

30.06.2021

23.06.2021
17.06.2021

04.06.2021

03.06.2021
01.06.2021

24.05.2021

19.05.2021
04.05.2021

21.04.2021

13.04.2021
08.04.2021

01.04.2021

27.03.2021
24.03.2021

11.03.2021

27.02.2021
22.02.2021

17.02.2021

15.02.2021
12.02.2021

11.02.2021

06.02.2021
02.02.2021

28.01.2021

22.01.2021

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

Depeschen 1141 - 1170

Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

Depeschen 1021 - 1050

Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660

Depeschen 601 - 630

Depeschen 571 - 600

Depeschen 541 - 570

Depeschen 511 - 540

Depeschen 481 - 510

Depeschen 451 - 480

Depeschen 421 - 450

Depeschen 391 - 420

Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

Depeschen 271 - 300

Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




© 2007-2024 AD1 media ·