Bauers DepeschenMontag, 18. Dezember 2017, 1891. DepescheEin bisschen Austausch schadet nie. Hier der Klick zum Manuskript: BEITRÄGE SCHREIBEN IM LESERSALON Hört die Signale! MUSIK ZUM TAG Dezember-Zeilen: LIEBE GÄSTE, SYMPATHISANTEN, WEGBEGLEITERINNEN, das Flaneursalon-Jahr ist mit dem schönen Abend am 12. 12. im Schlesinger zu Ende gegangen. Unsereins macht jetzt ein paar Tage Pause – und dieses Jahr nichts mehr Erwähnenswertes. Sechs Flaneursalon-Auftritte gab es in diesem Jahr. Bei den Galgenstricken in Esslingen, im Gustav-Siegle-Haus in der Altstadt, in der Friedenau in Ostheim, im Club Four 42 in Untertürkheim, im Bürgerhaus Möhringen und schließlich im Gasthaus Schlesinger in der Schloßstraße. Gelegentlich war es schwierig, die Stuhlreihen mit willigen Hinterteilen zu füllen. Meine Lieder- und Geschichtenshow ist trotz einfacher Mittel verhältnismäßig aufwendig. Oft muss ich fünf oder mehr Mitwirkende entlohnen, halbwegs anständig, weil fast alle von ihrer künstlerischen Arbeit leben; hinzu kommen Kosten für Technik, Gema, Flyer/Plakate usw. Dies ist bei vergleichsweise günstigen Eintrittspreisen unter 20 Euro nicht immer einfach. Zum Glück habe ich bis heute ein festes Einkommen, sodass ich mit Auftritten nichts verdienen muss und diese mir heilige Form der Mixed Show pflegen kann. Der Flaneursalon ist eine Möglichkeit, eine Stadt unterhaltsam und informativ, kritisch und humorvoll zu spiegeln – und die Zusammenhänge zwischen großer und kleiner Welt aufzuzeigen. Allerdings ist die Art und Weise dieser Show mit ihren schnellen Wechseln, mit ihrer Mischung aus Musik, Lesung und Komik nach außen schwer zu vermitteln. Nicht etwa, weil wir dauernd Scheiße bauten. Bis heute treffe ich immer wieder Neuankömmlinge, die überrascht sind von diesem Format mit seinem Rhythmus – und am Ende zu mir kommen mit dem Satz: Wenn ich das früher gewusst hätte . . . Der eine oder andere kommt mit Skepsis in die Show, weil er einen Vortragsabend mit etwas Pausenmusik fürchtet. Und die Mixed Show an sich ist nun mal nicht besonders populär – und wie in unserem Fall mit der Hinwendung zur eigenen Stadt macht sie sowieso niemand. Dabei bietet die Stadt guten und originellen Stoff, mit ihren vielen Komikern und Banditen an den Schalthebeln. Im kommenden Jahr wird der Flaneursalon zwanzig Jahre alt. Bisher ist nur ein Gastspiel am 19. April auf Einladung im Stadtarchiv Stuttgart in Cannstatt geplant – sowie die Geburtstagsshow am 21. Oktober im Gustav-Siegle-Haus, großer Saal; der Berliner Kabarettist Arnulf Rating wird sie moderieren. Im Sieglehaus habe ich im Oktober 1998 meine allererste Lesung gemacht, mit einem bunten Programm zur Vorstellung meines ersten Kolumnenbuchs, „Stuttgart – my cleverly hills“. Als Veranstaltungsort diente die Kneipe, die Jahre später zum Bix-Jazzclub umgebaut wurde. Bühne war für uns ein Treppenabsatz zwischen dem heutigen Live-Club und der Bar im Obergeschoss. Die Flaneursalon-Homdepage wiederum wurde erst 2007 eingerichtet, als Portal für meine Veranstaltungen. Irgendwann habe ich dann auf die später eröffnete Depeschenseite meine Kolumnen aus den Stuttgarter Nachrichten gestellt – heute sind sie im Internet ausschließlich hier zu lesen, nicht StN online. Und bis heute werde ich – obwohl sie deutlich gekennzeichnet sind – gefragt, ob diese Texte tatsächlich auch in den StN veröffentlicht würden. Um die Depeschenseite regelmäßig zu füttern, muss ich die Textkopien aus dem Zeitungslayout erst von Satzbefehlen und merkwürdigen Zeichen befreien. Dann wähle ich die „Musik zum Tag“ aus, verlinke sie und garniere die Seite oft mit aktuellen Tipps. Manchmal geht mir das auf den Senkel. Seit einiger Zeit stelle ich leider fest, dass die Hinweise auf der Depeschenseite auf Flaneursalon-Auftritte so gut wie keine Resonanz mehr bringen. Fast alles läuft nur noch über Facebook, so dass ich die Kolumnen auch gleich direkt auf Facebook posten kann. Oder es aber sein lasse, weil es nichts bringt außer vielleicht ein paar hundert Lesern. Aber nach zwanzig Jahren muss ich auch nicht meckern, wenn das Interesse am Flaneursalon schwindet. Schließlich gab es bis zuletzt gute Abende – und ich behaupte, die Show wurde zuletzt immer stimmiger, unbeschwerter, besser. Immer wieder tauchen auf der Bühne neue Gesichter auf, ohne dass die alten verschwinden. Angefangen hat einst alles mit Künstlern wie Roland Baisch, Michael Gaedt, Stefan Hiss – heute machen auch mal der Kabarettist Rolf Miller, das schräge Volksmusik-Duo Loisach Marci und die afrikanische Sängerin Thabilé mit ihrem Gitarristen und Produzenten Steve Bimamisa mit. Um nur einige zu nennen. Unterdessen läuft „Die Nacht der Lieder“, die ich 2001 gegründet habe und seitdem im Ein-Mann-Verfahren organisiere und arrangiere, wie verrückt: Für die beiden Abende 2018 im T1 des Theaterhauses gibt es fast nur noch Karten für die hinteren Reihen. Die Eintrittspreise zwischen 23 Euro und 33 Euro für eine Benefiz-Show dieses Aufwands sind vergleichsweise extrem günstig. Dennoch meine manche Gäste, sie würden mit diesem Geld allein eine selbstlose Spende für eine gute Sache leisten, ohne daran zu denken, dass sie dafür etwas geboten bekommen, was unter regulären Bedingungen, nämlich mit üblichen Gagen, nie und nimmer finanzierbar wäre. Da ist es auch ziemlich uninteressant, dass es „Die Nacht der Lieder“ ohne den Flaneursalon nie gegeben hätte. Der wiederum hat seine Wurzeln Ende der Achtziger/Anfang der Neunziger, als ich Programme im Alten Schützenhaus in Heslach konzipiert und organisiert und eine Menge gelernt habe. Jahre später musste ich dann besagtes Kolumnenbändchen präsentieren, und da blieb mir nichts anderes übrig, als wieder mal eine kleine Mixed Show zusammenzustellen. Leider mit eigener Beteiligung, denn damals habe ich vor Publikum keinen Satz ohne Schnappatmung und rote Ohren hervorgebracht. Nicht mal die Durchsage mit dem Hinweis auf ein falsch geparktes Auto. Bei den ersten Lesungen vor zwanzig Jahren trug die meisten meiner Texte der Schauspieler Jo Jung vor. Letztendlich gingen aus diesen Kleinkunstversuchen auch meine politischen Aktivitäten hervor. Niemand wäre 2010 vermutlich auf die Idee gekommen, mich nach Beiträgen gegen Stuttgart 21 zu fragen, hätte nicht irgendwer mitgekriegt, dass ich schon einigermaßen unfallfrei vor Publikum herumwurstle. Heute betrachte ich es ohne Wenn und Aber als Pflicht, etwas zu tun, wenn man die Möglichkeit oder Fähigkeit dazu hat. Angesichts des Rechtsrucks und der sozialen Konflikte, da die Reichen reicher und die Armen ärmer werden, da die Wohnungen für Normalverdiener in der Stadt nicht mehr bezahlbar sind, kann man sich nicht einfach auf das Sofa zurückziehen und hoffen, dass es einen nicht selber erwischt. Beim Nichtstun habe ich ein schlechtes Gewissen – auch deshalb, weil früher mein Nichtstun Methode hatte. Heute, kurz vor Weihnachten, wünsche ich Ihnen und Euch das Allerbeste für den Rest des Jahres, gute Entspannung, offene Augen und geputzte Ohren. „Die Zahl 20 steht für die Wiedergeburt – für das vollkommene Vertrauen in das Göttliche und dessen Weisheit. Ihr zugeordnet ist der Mond“, habe ich irgendwo im Internet gelesen. Wir sehen uns bei Vollmond. |
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