Bauers DepeschenFreitag, 02. November 2007, 81. DepescheEs ist Freitagabend, und ich schätze, diese Woche war ich gut ausgelastet. Nach dem Flaneursalon im Bix habe ich mich noch kurz um die Vorbereitungen für „Die Nacht der Lieder“ gekümmert, die Benefiz-Show zu Gunsten der Aktion Weihnachten der „Stuttgarter Nachrichten“. Diese Veranstaltung findet im Schauspielhaus der Staatstheater statt, am kommenden Montag steht was darüber in der Zeitung.Es ist schon der siebte Abend dieser Art, so war das eigentlich nicht gedacht, als wir damit im Kino Metropol in der Stuttgarter Bolzstraße angefangen haben. War nur ein Versuch, jetzt ist es Gewohnheit. Für die Nichteingeweihten: In dieser Show treffen sich Musiker aus Klassik und Comedy, Rock und Jazz. Spiel ohne Genre-Grenzen, das ist die Idee. Ariensängerin begegnet Abräumer. Macht Spaß. Die Leute kommen. An diesem Samstag gehe ich wieder zu den Stuttgarter Kickers. Es ist tragisch, was dort passiert. Die Regionalliga-Mannschaft ist dabei, die Qualifikation für die Dritte Liga zu vermasseln, das Oberliga-Team steht auf dem letzten Platz – die A-Jugend ebenso. Der Unterbau war in der Vergangenheit der Trumpf der Kickers. Meine Ausflüge ins Stadion auf der Waldau einzustellen wäre nicht ganz so verheerend wie die Besuche im Mineralbad Berg abzusetzen. Aber scheiße auf jeden Fall. Das Gazi-Stadion unterm Fernsehturm besitzt unersetzbaren Naherholungswert. Man muss diese Art Kultur erhalten. Sonst könnte man auch die Karlshöhe tiefer legen oder das Neue Schloss sprengen oder die Affen aus der Wilhelma entlassen. 1999, zum hundertsten Geburtstag, hatten die Kickers noch die „Vision 2000“ ausgerufen. Jetzt wissen wir es: eine Horrorvision. Am ersten Spieltag dieser Saison, als ich den neuen Trainer mit seiner bescheuerten Baseballmütze sah, habe ich das Unglück gerochen. Seitdem bekomme ich nach jedem Spieltag eine SMS vom früheren Schlesinger-Wirt Tschelle: „Mann mit Mütze muss weg.“ So ist das. Und ich sage Ihnen mal was: Fußball ist nicht witzig, mir fällt kein Fußballwitz ein. (Kommt ein Patient zum Arzt. Sagt der Arzt: „Ich habe für Sie eine gute und eine schlechte Nachricht. Zuerst die schlechte Nachricht: Sie werden bald sterben. Und jetzt die gute Nachricht: Ich habe ein Verhältnis mit meiner Sprechstundenhilfe.“) Ich bin wieder im Torwarttraining, mit neuer Billigausrüstung der Firma kik (Sponsor von Bochum und Rostock), genau richtig für den Novemberdreck auf dem Gelände der Eintracht Stuttgart auf der Waldau. Training ist dringend notwendig. Weil ich ein alter Suchtbolzen bin, fange ich gerade an, im Büro „Kirsch-Bomben“ zu verschlingen, die heißen wirklich so: Lebkuchen, die so ordinär nach Farbwerke Hoechst schmecken, dass einem schlecht wird. Aber gegen Abhängigkeiten ist kein Kraut gewachsen. Neulich habe ich in einem Interview mit Lou Reed gelesen, wie er sich nach seiner Heroinsucht auch von der Zuckersucht befreien musste. Da kommt noch die Rockstarmacke eines Intellektuellen hinzu, dagegen müssten die Kirsch-Bomben-Perversion eines Normalsterblichen relativ harmlos sein – falls ich nicht zusätzlich Dominosteine in mich hineinfresse. Und das tue ich. Demnächst werde ich Ihnen mal was Interessantes über eine Stuttgarter Kriegsfotografin aus den dreißiger Jahren berichten. Ich kann hier nicht immer nur Gejammer von mir geben. Mirjam mit jott wird mich sonst fallen lassen. „Kontakt“ |
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