Bauers Depeschen


Mittwoch, 14. November 2007, 84. Depesche







Heute, da sich einer meiner verdienten Kollegen, der die Zeitung noch lange mit gutem Blei durchschossen hat, von den Stuttgarter Nachrichten verabschiedet, fällt mir eine kleine Geschichte ein, die selbstverständlich so nicht stimmt, aber womöglich der Wahrheit entspricht:



MARMOR, STEIN UND EISEN BRICHT



Seit Tagen herrschte Aufregung in der Stadt. Vor allem in dem Viertel, das

man hinter eine hässliche Stadtautobahn verbannt hatte. Auf den Gehwegen

standen Damen, so wie früher, und sie waren nervös. Besonders Jeanny, die

seit einem halben Jahrhundert in der Leonhardstraße die Stellung hielt. "Er wird

kommen", sagte Jeanny mit rauchiger Stimme. Jeannys Prophezeiungen waren

immer eingetroffen, und die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer im

Viertel, in der Leonhardstraße und in der Weberstraße, in der Pfarrstraße

und in der Katharinenstraße. Überall standen Damen auf den Bordsteinen und

winkten mit ihren pelzbesetzten Flügeln, die sie aus dem Pfandleihhaus

geholt hatten, und sie sahen aus wie damals, als Jeanny noch fliegen konnte

wie eine Schwalbe und Mercedes fuhr.

Im Brunnenwirt, dem Hauptquartier des Viertels, waren sieben Damen dabei, den Laden mit Meister Propper zu putzen, weitere sieben Damen nähten Fahnen, und auf den Fahnen stand: "SCHUMI, GIB GUMI - WIR LIEBEN DICH".

Und keiner im Viertel zweifelte, dass ihr braver Sohn zurückkehren würde. Im

Ilgenstübe, wo Schumi einmal siebzehnmal hintereinander "Marmor, Stein und

Eisen bricht" in der Musikbox gedrückt und dazu gesungen hatte, ohne dass

ihm auch nur ein Haar gekrümmt worden wäre, waren die Damen bereit für das

größte Fest in der Geschichte des Viertels, das man Städtle nennt.

"Heute kommt Schumi", sagte eine Dame im Ilgenstüble, "Schumi ist ein guter

Junge." Es dauerte nicht lange, und alle im Viertel wussten, dass ihr

braver, arbeitsamer Sohn zurückkehren und womöglich eine Weile bleiben

würde.

Als Schumi, der von der Aufregung im Viertel nichts ahnte, sich auf der

anderen Seite der hässlichen Stadtautobahn einen festen Mantel für harte

Nächte kaufte, konnte er ein Kribbeln im Bauch spüren. Ein Kribbeln, wie es

Menschen haben, die ihre nahe Freiheit spüren. Als die ganze Altstadt

schließlich mit Meister Propper geputzt war, hörte Schumi von weitem den

vierzigköpfigen Damenchor unter Leitung des berühmten Damenchor-Dirigenten

namens Eisen: "Wir wollen unseren guten Jungen Schumi wieder haben", sangen sie, und "Marmor, Stein und Eisen bricht". Schumi nahm seinen Rentenbescheid aus der Manteltasche, blätterte darin und wechselte die Straßenseite. Seit diesem Tag gilt im Viertel wieder die ärztliche Schweigepflicht.

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