Bauers DepeschenSonntag, 23. September 2007, 70. DepescheDer Sommer ist zurückgekehrt, um die Idioten zu bestrafen, die ihre Freibäder zu spät auf- und zu früh zugemacht haben. Im Stuttgarter Mineralbad Berg wimmelte es am Sonntag von der Sorte Feiglinge, die immer nur dann auftauchen, wenn der Himmel so blau und unbefleckt ist wie ein frisch gestrichener Hotelpool. Diese Menschen hindern andere am Schwimmen, sie stehen im Wasser herum, und sie kucken sehr dumm, als hätten sie, frei nach Lindenberg, in ihren schönen Köpfen leider nur ein Vakuum. Der Dichter. In den Stuttgarter Stadtbahnen, wo das Innere der Wagen fast immer mit guter Lyrik tapeziert ist, fährt leider immer noch ein Gedicht von Günter Grass spazieren. Das ist so blöd, dass ich deswegen schon zweimal früher als geplant ausgestiegen bin: "Langsam ging der Fußball am Himmel auf. Nun sah man, daß die Tribüne besetzt war. Einsam stand der Dichter im Tor, doch der Schiedsrichter pfiff: Abseits." Wer mehr über seine Heiligkeit, den eitlen, kleinkrämerischen Nationaldichter, wissen will, sollte sich das von Klaus Bittermann herausgegebene Buch „Literatur als Qual und Gequalle – Über den Kulturbetriebsintriganten Günter Grass“ zulegen, eine sehr unterhaltsame Sammlung gescheiter Texte und Karikaturen, u. a. von F. W. Bernstein, Eckhard Henscheid, Wiglaf Droste (Edition Tiamat, Berlin). Ich habe die 127 Seiten am Stück gelesen und mich bestens amüsiert. Auf dem Buchdeckel wird Otto über seinen Zugang zu Grass zitiert: „Du kaufst jetzt Günter Grass, sonst setzt es was.“ Seltsam ist, dass mein Korrekturprogramm das Wort Grass nicht kennt. Einsam stand der Dichter im Tor, doch der Meira war blind: Einsvier. Mehr gibt es über Fußball nicht zu sagen, die Stuttgarter Kickers haben zweieins in Oggersheim gewonnen. Ich wiederhole: Oggersheim. Kennt mein Korrekturprogramm so wenig wie Grass. Kohl, ein weiterer deutscher Qual- und Gequalle-Held, hat dort die gehobene deutsche Küche erfunden: „Du frisst jetzt Saumagen, sonst setzt es was.“ Mein Torwarttraining geht weiter, ich muss das nicht mehr sagen. Nun sah man, dass die Tribüne unbesetzt war. Einsam stand der Einsame im Tor, auf dem Platz der Eintracht nebenan spielte eine Mädchenmannschaft. D-Jugend. Mein Gott, sind die schon groß. Die könnten heiraten, doch der Schiedsrichter pfeift: falscher Einwurf. In der Stuttgarter Calwer Straße hat eine Bar namens Tribeca eröffnet – mit riesiger Sitznische in der Fußgängerzone. Als ich vorbeiging, stand in unmittelbarer Nähe ein offener roter Ferrari - mit Konstanzer Kennzeichen. In Tribeca/Manhattan gibt es die Bar Tribeca Grill. Die gehört Robert De Niro. Einsam saß der Dichter am Tresen. Langsam ging dem Provinzler ein Licht auf. Nun sah man, dass sonst keiner am Tresen saß. „Kontakt“ |
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