Bauers DepeschenDonnerstag, 06. September 2007, 63. DepescheDer deutsche Herbst hat begonnen und der Deutsche Herbst erst recht. Das große Stammheim-Programm, Big Raushole und Suicide Action liegen dreißig Jahre zurück, soll aber keiner behaupten, die RAF-Geschichte sei aufgearbeitet worden. Neulich habe ich in einer Kolumne geschrieben, auf dem Stuttgarter Dornhaldenfriedhof seien Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe beerdigt. So gut wie keiner hat meinen Blackout gemerkt, obwohl den Text nachweislich ein paar Leute gelesen haben. Ich habe Gudrun Ensslin gemeint (meiner 23 Jahre jüngeren Büro-Kollegin noch einen langen Vortrag über die Familie Ensslin aus Bartholomä, Ostalb, gehalten) – und dann Ulrike Meinhof hingeschrieben. Kommt von der Klugscheißerei. Dass die RAF dreißig Jahre nach Stammheim immer noch dermaßen gründlich abgehandelt wird – überall sind wie im Stuttgarter Schauspiel Sonderprogramme geplant –, kann doch nur heißen, dass sie heute genauso überschätzt wird wie damals. Ich war 1977 dreiundzwanzig und Baader für mich einer der Typen, die ich zu spät in Leones Western „Für eine Handvoll Dollar“ gesehen hatte. Schon damals war mir Clint Eastwood wichtiger als Andreas Baader. Wenn heute Klugscheißer beklagen, dass die RAF-Leute von jüngeren Menschen wie Popstars gesehen werden, fällt ihnen wohl auch nicht mit Verspätung auf, dass es vor dreißig Jahren um kein Haar anders war. Der RAF-Stern mit der oberschwäbischen MP von Heckler & Koch war auch nicht billiger als der Stern an Che Guevaras Baskenmütze. Eine große Sauerei ist, dass der Wienerwald in der Königstraße, ganz unten Richtung Bahnhof, zugemacht hat. Jeden Herbst habe ich dort Ente mit Blaukraut und Knödeln gegessen, eine Hühnersuppe vorneweg. Jetzt kommt ein DM-Markt rein. Lieber DM-Markt, mein Schrank ist voll mit DM-Kram, ich kann nicht noch mehr kaufen. Außerdem ist euer Deo-Roller von Sebamed ein Ausfall – jedesmal wenn ich nicht aufpasse, verschmiert er mir mein Hemd, obwohl ich mir sogar die Achseln trocken föne. Ungewaschene Revolutionäre habe ich noch nie leiden können, außerdem habe ich heute morgen einen europäischen Mitbürger gestellt, als er sich ohne Handtuch auf die Bretter der Sauna im Bad Berg gelegt hat. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn töten werde, wenn er nicht sein Scheißhandtuch unter seinen Scheißarsch legt. Das habe ich gesagt und beim nächsten Durchgang die Sauna gewechselt. Dort saß der Galerist Hans-Jürgen Müller, einst eine große Avantgarde-Nummer, und hat geklagt, dass die Welt wohl nicht mehr zu retten sei. So ist es. |
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