Bauers DepeschenDonnerstag, 19. Januar 2012, 851. DepescheNACHTRAG: Die Stuttgarter CDU hat als möglichen OB-Kandidaten ihren Berliner Werbefritzen Turner, den Meister Propper der S-21-Kampagnen ("Das neue Herz Europas"), ausgerufen. Turnt voll und ist konsequent: Endlich bestimmen die Worthülsen- und Sprechblasen-Chargen des Parteien-Marketings auch offiziell die Schmuddelpolitik. NOTIZEN, Flaneursalon Neue StN-Kolumnen gibt es wieder nächste Woche. - Unser Flaneursalon am kommenden Samstag im Markt am Vogelsang ist ausverkauft; der nächste Abend geht am Dienstag, 28. Februar, im Schlesinger über die Bühne - mit Stefan Hiss, Dacia Bridges, Tobias Borke. Karten gibt es in der Kneipe (07 11 / 29 65 15). - An diesem Samstag, 21. Januar, findet am Hauptbahnhof (Schillerstraße) die nächste Kundgebung gegen Stuttgart 21 statt. Es sprechen Hans D. Christ (Chef des Württembergischen Kunstvereins), Peter Pätzold (Grünen-Stadtrat) und unsereins. Hannes Rockenbauch moderiert, Dacia Bridges singt. Beginn 14.30 Uhr. P. S.: Schön wären mal wieder frische Kommentare im LESERSALON SOUNDTRACK DES TAGES GASTBEITRAG Der Stuttgarter Fernsehautor Goggo Gensch (SWR) nutzte seinen derzeitigen Mexiko-Aufenthalt für einen Abstecher nach Haiti - und traf in einer Kneipe von Port-au-Prince neben Katastrophenhelfer Sean Penn weitere Leute, die etwas vom Leben verstehen. Deshalb rechtzeitig zum Rückrundenstart der Bundesliga: FUSSBALL, HAITI Unsere haitianischen Begleiter sind fassungslos. Mir, dem bekennenden Fußballfreund, war nicht mehr gegenwärtig, dass Haiti bei der Weltmeisterschaft 1974 mitspielte. Dabei feierte dieses Team damals seinen größten Erfolg. Zum ersten und bislang einzigen Mal hatte es sich für eine WM qualifiziert. Auf dem Weg nach Deutschland hatte Haiti Mexiko, den überlegenen Rivalen in Mittelamerika, ausgeschaltet. Drei Mal durften die Haitianer spielen, und jedes Mal in München. Im ersten Spiel ging es gegen Italien. Im Tor der Azzuri stand Dino Zoff, die Legende. In jenen Tagen war er zwei Jahre und 1143 Länderspielminuten ohne Gegentor geblieben - bis Emmanuel Sanon in der 46. Minute die Führung für Haiti erzielte. Auch wenn Italien noch 3:1 gewann, mit diesem Treffer wurde Sanon zum Volkshelden in Haiti. Bis heute kennt jedes Kind seinen Namen. Nach dem Spiel tauschte Dino Zoff sein Trikot mit Emmanuel Sanon. Das zweite Spiel gegen Polen verlor Haiti 0:7, im dritten erzielte Sanon immerhin den Ehrentreffer beim 1:4 gegen Argentinien. Bei ihrer Heimkehr wurde die Nationalmannschaft überschwänglich gefeiert. Der berüchtigte Staatspräsident „Baby Doc“ Duvalier schenkte jedem Spieler ein Grundstück. Dumm nur, dass diese Grundstücke nicht in Staats-, sondern in Privatbesitz waren. So haben die Spieler ihr Geschenk nie gesehen. Sanon blieb nach der Weltmeisterschaft in Europa und spielte bis 1980 für die unbedeutende belgische Mannschaft von K. Beerschot V.A.C.; 1979 wurde er belgischer Pokalsieger. Bevor er Trainer wurde, hatte Sanon noch ein paar Jahre in der amerikanischen Profiliga gekickt. 2008 starb Emmanuel Sanon im Alter von 56 Jahren an Krebs. Haitis Politiker organisierten ein Staatsbegräbnis, die Totenfeier im Nationalstadion wurde live im Fernsehen übertragen. Das Münchner Publikum erkor die Mannschaft aus Haiti damals zu seinem Liebling. Nicht nur wegen Emmanuel Sanon, auch wegen Torwart Henri Francillon, den sie „Panther“ nannten. Facchetti, Rivera, Capello, Mazzola - alle verzweifelten an Francillon. Aus dem Panther wurde ein Löwe. Max Merkel, der Trainer von 1860 München, hielt Francillon für einen guten Torhüter und kaufte ihn. Er spielte aber nur fünf Mal für die Löwen, die damals schon in der zweiten Liga dilettierten. Francillon ging nach seiner Laufbahn in die Politik. Er wurde Senator und saß im Parlament. Mitte der Achtziger Jahre floh er in die Vereinigten Staaten. Er war während der Unruhen am Ende der Diktatur von „Baby Doc“ Duvalier in eine Schießerei geraten. In Florida arbeitete er als Lastwagenfahrer. Nach sechs Jahren hatte er sein eigenes Haus. Es wurde im Herbst 1992 von Hurricane Andrew zerstört. Er zog mit seiner Familie nach Massachusetts, arbeitete zuerst als Putzmann, dann als Fußballtrainer für Jugend- und Universitätsmannschaften. Heute ist er Rentner und lebt in einer Kleinstadt im Südosten von Boston. In Haiti war er nie wieder. Und noch eine Geschichte von der WM 1974 hat man mir erzählt. Ihren Wahrheitsgehalt konnte ich leider nicht verifizieren. Ein Spieler, der Name wurde nicht verraten, sei mit einem Asthmamittel gedopt gewesen. Der haitianische Fußballverband wollte kein Aufsehen und holte den Spieler aus dem Mannschaftshotel. Seine Mitspieler aber alarmierten die Münchner Polizei. Die – offenbar noch traumatisiert vom Terrorüberfall auf die israelische Olympiamannschaft zwei Jahre zuvor - sperrte sofort den Münchner Flughafen und startete eine große Suchaktion. Mit Erfolg. Im edlen Hotel Vierjahreszeiten wurde der Spieler schließlich gefunden. Er saß im Zimmer und spielte mit einem Funktionär Domino. Weil er verloren hatte, war die eine Hälfte seines Gesichts weiß geschminkt, in seine Backen hatte man Wäscheklammern gezwickt. Das ist so üblich in Haiti, wenn man beim Domino verliert. KOMMENTARE SCHREIBEN IM LESERSALON DIE STN-KOLUMNEN FRIENDLY FIRE: NACHDENKSEITEN FlUEGEL TV RAILOMOTIVE EDITION TIAMAT BERLIN Bittermanns Fußball-Kolumne Blutgrätsche VINCENT KLINK KESSEL.TV GLANZ & ELEND |
Auswahl |