Bauers DepeschenFreitag, 27. Juli 2007, 49. DepescheEs wäre besser, die Stadt öfter zu meiden und ins Kino zu gehen. Zurzeit läuft in Stuttgart das Fantasy Filmfest, ein sympathischer Zeitvertreib mit gut gelaunten, neugierigen Menschen. Habe gerade in der 13-Uhr-Vorstellung im Metropol den französischen Film "Die Schlange" gesehen, ein harter Geradeaus-Thriller auf tiefenpsychologischer Grabstätten-Basis. Keine Diskussion. Meine Bürokollegin Frau Hanke hat sich für dieses Festival extra Urlaub genommen und mir in den Hintern getreten. Recht hat sie. Ich laufe ja nicht wie die guten Sachen in der Stadt von allein. Ich bin auch erst ein einzige Mal am neuen Feinkost Böhm vorbei gegangen. Ich sag jetzt nichts zu Ziegenkäse.Eigentlich müsste ich die Klappe halten. Diese Woche wurde eine CD mit "Stuttgart-Songs" vorgestellt, ich hab neulich das Vorwort draufgesprochen (siehe Depesche vom 21. Juni). Jetzt würde ich gern sagen, ich hätte nicht gewusst, worum es ging. Aber hier zu Lande soll keiner sagen, er habe nichts gewusst. Die Stadt hatte einen Wettbewerb für eine "Stuttgart-Hymne" ausgeschrieben und das Liedgut der fünf Gewinner mit bereits vorhandenem Material aufgefüllt. Diese Idee sollte die "tolle Stimmung während der WM" in die Gegenwart retten und dem Stadiongesang "Stuttgart ist viel schöner als Berlin" eins draufsetzen. Was für ein Gedanke, spontane Fußballfan-Ideen Monate später nachzuplärren und in eine Konserve zu pressen. Wenn man an das Haltbarkeitsdatum denkt, wird einem schlecht wie bei Ziegenkäse. Die CD-Präsentation ging mit vielen Gästen aus dem erweiterten Inzuchtsbereich im vierten Stock des Rathauses über die Bühne. Das Motto lautete "After Work Release Party", das ist wahr. Der Oberbürgermeister sagte eingangs, man sei "voll cool" und "gut drauf". Das ist auch wahr. Beteiligte Musiker, darunter meine alten Freunde Roland Baisch und Michael Gaedt (mit seinem Tierschau-Kollegen Michael Schulig), haben danach versucht, ihre Stücke mit kleinem Besteck vorzutragen. Als Auftrittsplatz hatte man eine Vertiefung, eine Art verglaste Betonmulde im Rathausflur, gewählt. Ungefähr so, als würde man Bands in einem Swimmingpool ohne Wasser spielen lassen. Das Publikum hatte Glück: Es konnte nichts sehen und nichts hören. Organisiert hatte diese Show das offizielle Popbüro, und ich fürchte, diese Herrschaften haben das nicht nach einer gut gekühlten Kiste Bier afterworkmäßig gemacht, sondern mit vollem Ernst während ihrer Arbeitszeit. Was lernen wir daraus? In Popbüros entsteht Büropop. Stechuhrwerk Blamage. Aber mitgegangen, mitgehangen. Das bleibt hängen. Morgen gehe ich wieder zum Torwarttraining, Coach Peter Schwemmle hat mir am vergangenen Mittwoch nach zunächst guten Startübungen beim Schießen kräftig die Leviten gelesen. Wenn ich morgen nicht besser halte, werde ich wohl die Kosten für das zertrampelte Gras der SV Eintracht übernehmen müssen. Ich kann mir nicht leisten, die Waldau zu schänden. Außerdem überlege ich, ob sich die mitttägliche Andächtigkeit eines Kinosaals nicht auf einen anderen Bereich übertragen lässt, der mir gefallen könnte. Jetzt aber sage ich nichts mehr, sonst scheißt mich wieder Mirjam mit j zusammen. „Kontakt“ |
Auswahl |