Bauers DepeschenSonntag, 24. Juni 2007, 33. DepescheSonntagabend, hinter mir entsetzliche Ereignisse. Am Freitagabend wollte ich mit meinem Kollegen Jürgen Holwein einen Ballettabend im Stuttgarter Opernhaus besuchen. Am Möhringer Bahnhof begannen wir zu reden. Bei der ersten Atempause bemerkten wir, dass unsere Straßenbahn nicht Richtung Charlottenplatz fuhr, sondern an der Haltestelle Silberwald stand. Wir waren statt in die Fünf oder Sechs in die Acht gestiegen. Deppenfehler.Wenn du im Silberwald landest, bist du verloren. Als endlich eine Bahn zurückfuhr, waren unsere Karten weg und wir bedient. Unterwegs zur falschen Zeit in die richtige Richtung wurden wir in der Bahn von einer Horde Kinder umringt. Wir redeten, konnten aber unser eigenes Wort nicht verstehen. Wir reden ja nur wegen des eigenen Worts. Herr Holwein, ein gütiger Herr, bat energisch um Ruhe. Eines der Kinder nannte ihn daraufhin einen "bösen Mann". Darüber musste ich so herzhaft lachen, dass uns die Kinder endgültig in die Zange nahmen. Sie zeigten auf mein nagelneues Schuhwerk, feine Halbschuhe (keine Stiefel!) aus dem Cowboy-Laden Boots by Boots, und fragten, ob ich "Musikproduzent" sei oder "Dieter Bohlen". "Nein", sagte ich, "ich hab's versemmelt." Das heitere Beruferaten ging nahtlos weiter, man wollte wissen, ob ich Schlagersänger sei oder Schriftsteller, Manager oder Sonnenbrillenfabrikant. Wer bringt Kinder auf solche grauslige Ideen? Ich fabriziere meine Brillen nicht selbst, die verkauft der ehrenwerte Herr Urnauer am Hölderlinplatz. Der Vorgang wäre nicht weiter erwähnenswert, hätte man uns unterwegs nicht auch noch beobachtet. Ausgerechnet Mirjam mit j sah uns, als sie in einer entgegenkommenden Bahn Richtung Ruit fuhr. Ich hätte gefuchtelt und so deutlich schwadroniert, dass man es sehen konnte, behauptete sie später. Wieso sieht man auf dem Weg nach Ruit durchs Fenster einer entgegenkommenden Bahn? Hat man sich da nicht gefälligst auf seine eigene Tour ins Elend zu konzentrieren? Ruit liegt weit hinter dem Silberwald. Ist man denn überhaupt nirgends mehr sicher, wenn man Scheiße baut? Soll ich vielleicht vollends in den Silberwald ziehen? Statt ins Ballett gingen wir zum Wirt Rocco an der Ecke Olgastraße/Wilhelmstraße. Nudeln essen. Sehr gut. Rocco erzählte, er habe vor, sich für einen Springbrunnen auf der Insel im Kreisverkehr vor seiner Kneipe stark zu machen. Aha. Auf der Verkehrsinsel blühen prächtige Rosen, und ich werde herauskriegen, welcher Italiener zurzeit in Springbrunnen macht. Anderntags ging ich mit Herrn Schwemmle auf die Waldau. Torwarttraining auf dem Gelände der SV Eintracht, Absteiger in die Kreisliga B. Ich hab bereits ein Mitgliedsformular bestellt. Ehrensache. Bei der allerletzten Übung mit Herrn Schwemmle, scharfen Flachschüssen, verbog ich mir bei einem Aufsetzer dermaßen den kleinen Finger der linken Hand, dass ich ihn am Sonntag dick geschwollen ins Heilwasser des Bad Berg strecken musste. Zuvor hatte mich der Kfz-Meister Eddy, ein serbischer Partisan, wie einen nassen Hund durch den Wald gehetzt. Es war unsere erste gemeinsame Jagd. Eddy nennt das Joggen. Süßer Tod, erlöse mich im Silberwald. „Kontakt“ |
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