Bauers Depeschen


Montag, 14. Februar 2011, 672. Depesche



Meine Bundesliga-Kolumne in den STN:



VfB: VOM TRINKGELD IN DER BAR

Als der Dortmunder Trainer Klopp nach dem 1:1 seines Teams in Lautern vor dem Kamera stand, gab er uns eine Lektion über den Unterschied von Mensch und Star-Image. Erst kritisierte er, sonst immer auf seine Rolle als denkender Chef und verspielter Kumpel seiner „Jungs“ bedacht, rechthaberisch den Schiedsrichter. Dann entdeckte er einen neuen Feind des Verein: das Glück. Die Borussia, sagte er, gewinne immer nur, wenn sie besser sei als der Gegner – aber nie mit Glück.

Dieser Akt der Ehrenkäsigkeit macht ihn nicht unsympathisch. Er war sauer, weil er zwei Punkte verloren hatte, stinksauer wie einige seiner Spieler, und sie verfluchten das Glück. Das Glück im Fußball ist keine Hure. Man muss es sich verdienen.

Für Notfälle, wenn ich nicht weiter weiß, weil das Leben meine Möglichkeiten überfordert, trage ich kleine Bücher bei mir. Da gibt es eines von Walter Serner mit dem Titel „Letzte Lockerung“, eine Art Benimmbuch für Hochstapler. Darin lese ich beispielsweise: „Gib dem Kellner einer eleganten Bar kein zu hohes Trinkgeld. Sonst hält er dich für das, was du bist.“ Oder: „Auch du wirst Höchstleistungen nur erzielen, wen du dich trainierst.“

Diesen Satz aus dem Kapitel „Training“ sollte man den VfB-Bossen ins Büro hängen. Die glauben nämlich, man könne den Erfolg allein Trainern und Spielern überlassen. Diese Leute (sie heißen Staudt, Hundt usw.) machen nicht den Eindruck, als würden sie auf dem weiten Feld des Fußballs an sich arbeiten. Wenn sie von „Strukturen“, von „Konzepten“ und „Marketing“ reden, meinen sie die Stadionfinanzierung, die Gewinne aus der Business-Seat-Area und ihre „Marke“. Vielleicht merken sie langsam, was ihrer Marke blüht: Es ist für die Firma Daimler nicht besonders imagefördernd, wenn in einem neu gestalteten Stadion namens Mercedes-Benz-Arena ein Erstligaclub an die Wand gefahren wird.

Bevor ich es vergesse: Ich trage noch ein zweites Büchlein mit mir herum. Die Texte darin (ich lese sie immer wieder von Neuem) hat der ehemalige argentinische Nationalspieler, spätere Trainer, Unternehmensberater und Sportdirektor von Real Madrid, Jorge Valdano, geschrieben. Valdano, 55, besitzt neben einer weitreichenden Bildung ein im Fußball einzigartiges poetisches Talent, und manchmal schreibt er, im Kapitel „Arbeit und Intelligenz“ so einfach wie diese: „Wenn Fußball Aktion ist, dann besteht das so herbeigesehnte Gleichgewicht in einer Binsenweisheit: das Spielfeld für den Angriff größer und für die Abwehr kleiner zu machen. Allerdings, wer dies erreichen will, muss das Spiel kennen, die Spieler überzeugen und arbeiten.“

In den Führungsetagen, das wird einem beim Blick auf die Spielintelligenz des VfB-Teams klar, kennt man das Spiel nicht. Deshalb leistet man katastrophale Arbeit. Bei all dem Getue um (angeblich professionelle) Strukturen gingen lebensnotwendige Dinge wie Intuition, Instinkt, fußballkünstlerische Intelligenz (Blick für Räume, Ideen für den Spielaufbau) völlig unter. Heute steht ein seelen- und ratloses Team auf dem Platz, und es nützt nichts, wenn die verzweifelten Fans an die Tapferkeit appellieren: „Wir wollen euch kämpfen sehen.“ Für den Kampf fehlen Herz und Hirn. Das hat damit zu tun, dass der Fisch vom Kopf her stinkt.

Die Bosse hausieren unentwegt mit der Floskel, ein Fußballclub sei ein Wirtschaftsunternehmen. Na und? Fußball ist vor allem ein emotional hochkompliziertes Geschäft. Und dafür bräuchte man im Chef-Block einen Menschen mit Zirkusblut. Schaut man sich Spiel und Kader an, fällt auf: Im Bemühen, ihre Unkenntnis vom Spiel zu kaschieren, haben sich die VfB-Chefs in teuren Bars mit zu hohen Trinkgeldern blamiert. Man nennt das provinziell.

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