Bauers DepeschenMontag, 28. Juli 2008, 197. DepescheMONTAGMITTERNACHTSDEPESCHEEs ist Zeit, den Depeschendienst wieder aufzunehmen, ich habe es mir lange überlegt. Eigentlich wäre es vernünftiger, Depeschen-Ferien zu machen, das Internet ist genau so überlastet wie ich. Habe am Samstag auf dem Stuttgarter Wasen, gegenüber vom Daimlerstadion, im Theaterhaus-Team beim 7000-Töne-Cup mitgespielt; vier Zehn-Minuten-Spiele, zwei Niederlagen, ein Unentschieden, einen Sieg. Habe mir - trotz Sondertraining mit Coach Peter Schwemmle am vergangenen Donnerstag - zwei schwere Torwartfehler geleistet, einmal eine Flanke bös unterlaufen, später beim Herauslaufen einen Gegenspieler angeschossen. Fürs Ausscheiden waren die Patzer nicht verantwortlich, trotzdem: schwere Depression. Anschließend in der Bad-Berg-Sauna über mein verpfuschtes Leben nachgedacht. Heilwasser ohne Wirkung. Nicht einmal der Gewitteralarm verschaffte mir Ablenkung: Kaum hatte man uns wegen zwei lächerlichen Blitzen aus dem Freibecken gejagt, durfte wir auch schon wieder rein. Stuttgart taugt nicht zur Hölle. Vielleicht habe ich mich zuletzt zu oft mit Wasser beschäftigt, zuerst mit dem Neckar, dann mit dem Bad Berg. Muss zurück aufs Trockene. Am Sonntag mir Serben-Eddy Waldlauf zum Vergessen gemacht, die Joggerei hat meine alte Meinung bestätigt: Laufen kann jeder Trottel, man muss nur oft genug laufen, dann kann man es auch lange genug. Mir verschafft Laufen keine Genugtuung. Das viel beschworene Glücksgefühl stellt sich nur bei Menschen ein, die sowieso nie unglücklich oder so dummglücklich sind, es nicht zu merken. Laufen ist ein Idiotenjob ohne Herausforderung und Anspruch. Jede Art von Stolz darauf lächerlich. Dieser Selbstüberwindungsscheiß, die zweiten Luft und all das Gelaber: Beim Joggen kann keiner eine Flanke unterlaufen, also hat dieser Sport keinen Sinn. Ich werde noch nicht aufgeben, muss Spielpraxis sammeln. Brauche aber vielleicht einen Mentaltrainer. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" veröffentlichte zum Start der dritten Liga folgende dpa-Meldung: "Burghausen behielt beim 2:0 gegen den VfB Stuttgart II die Oberhand... Zweitliga-Absteiger Kickers Offenbach verpatzte den Saisonstart. Beim VfB Stuttgart II reichte es für die Hessen nur zu einem 1:1." Stuttgart-Trauma: In Burghausen spielten in Wahrheit die Stuttgarter Kickers. Frankfurt liegt wie eh und je bei Offenbach. Die Sängerin Dacia Bridges hat aus den USA gemailt. Macht Urlaub. Die erste Mail kaum aus Nashville. Habe ihr vorgeschlagen, Nashville in Cash Ville umzutaufen. Sie hätte nichts dagegen, schreibt sie, sei aber mittlerweile weitergereist nach Knoxville, wegen der Klamotten: Sie kenne dort einen Mann, der für viele Stars geschneidert habe, für "Johnny Cash, John Lennon and everyone else who was ever cool". Zufällig lese ich gerade ein kleines, 160 Seiten umfassendes Johnny-Cash-Buch von Martin Schäfer, eine wissenschaftlich-analytische, dennoch unterhaltsame Arbeit aus der Reihe "Suhrkamp BasisBiographie". Immer wieder erstaunlich, was man alles nicht weiß. Die Googelei ist ein großer Irrtum. In dem Cash-Buch findet sich das Oscar-Wilde-Zitat: "Er konnte allem widerstehen, nur nicht der Versuchung." War am Freitagabend kurz in Pitts Bar. Ein wunderschönes Lokal in einem Stuttgarter Altstadt-Bordell. Pitt ist ein 70 Jahre alter, im Milieu berühmter Straßenjunge mit Grandezza, seine Bar hat er stilsicher als Fünfziger-Jahre-Wohnzimmer eingerichtet. Pitt kenne ich schon ziemlich lange, werde ihn heute wieder treffen, muss mir Notizen machen. Etwa, wie er als Angestellter der US-Army kurz vor dem Thanksgiving Day einen Truthahn geklaut hat und erwischt wurde, weil die Soße aus seinem Spind lief. Auf jeden Fall, Mr Wilde, habe ich bei Pitt nur eine Tasse Versuchungskaffee getrunken. Hätte ich wie früher bestellt, hätte ich anderntags auf keinen Fall die Flanke unterlaufen, sondern im besten Fall drei Tage später. Wer will schon seine Seele auf dem Trockenen waschen. - Kolumnen in den Stuttgarter Nachrichten: www.stuttgarter-nachrichten.de/joebauer - Termin: Zehn Jahre Flaneursalon am Dienstag, 14. Oktober, im Stuttgarter Theaterhaus. Die Jubiläumsshow mit Los Gigantes, Michael Gaedt & Michael Schulig, Dacia Bridges & Alex Scholpp. „Kontakt“ |
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