Bauers DepeschenDienstag, 15. Juli 2008, 190. DepescheBetr.: FilmbusinessDas Depeschengeschäft ist härter geworden, seit ich keine Zeit mehr habe, Depeschen zu schreiben. Das Depeschengeschäft könnte einbrechen, allerdings ohne merkliche Verluste. Im Gegenteil. Der Einbruch des Depeschengeschäfts würde meine Lebensfreude steigern. Ein Mann kehrt zur Lebensfreude zurück, wenn er Ballast abwirft und sich neuen Aufgaben widmet. Los Gigantes, das Cowboy-Ensemble mit Stefan Hiss und Ralf Groher (manchen Nicht-Schnorrern auch als Flaneursalon-Musikanten bekannt), drehen gerade in sehr schicken Uniformen ein 2:30 Minuten langes Video für ihre Version des Songs „Highway Patrol“. Darin könnte ich, wenn’s der Regisseur zulässt, einen Sekunden-Auftritt als Bar-Sitzer haben. Diese Rolle hat mich lediglich fünf Stunden Wartezeit in und vor Ralf Grohers schmucker Bar in der Augustenstraße gekostet. Diese fünf Stunden haben sich insofern gelohnt, als ich eine Kamerafrau mit Bikerstiefeln beim Versuch beobachten durfte, eine professionelle „Mann, ich bin am Set“-Situation nachzuspielen. Das einzige Problem dieser Nummer: Als Mann-ich-bin-am-Set-Profi musst du einen Rhythmus finden, um eine kleine Bar so einzuleuchten, dass dein Trockeneisnebel immer dann bereits verschwunden ist, wenn du es ausnahmsweise mal geschafft hast, deinen Scheinwerfer zum Leuchten zu bringen. Das ist eine im Wortsinn spannende Tätigkeit und ohne Bikerstiefel nicht zu leisten. Um gegen die Bikerstiefel anzustinken, hatte ich mich für meine Rolle als Bar-Sitzer mit einer 19 000 Euro teuren Armbanduhr der Marke „U-Boat“ ausgestattet. Dieses sehr schöne, durch und durch echte Modell aus Italien, eine Leihgabe vom Juwelier meines Vertrauens, sieht wie ein U-Boot aus und kann einem leicht das Handgelenk brechen, wenn man für das Gewicht von Massivgold nicht durch jahrelangen Einsatz im Umfeld der Branche gerüstet ist. Außerdem trug ich eine Ray-Ban-Leihgabe des Optikers meines Vertrauens, weil in meiner eigenen, an sich stattlichen Brillensammlung das notwendige Großkaliber nicht vorhanden war. Um den tagelang unrasierten Hals hatte ich, zwischen einem aufgeknöpften T-Shirt der Firma Kik gut sichtbar, eine schwere Silberkette mit einem filigran verarbeiteten Fünf-Mark-Stück aus den siebziger Jahren, in Fachkreisen als Heiermann bekannt. Dieses Schmuckstück führe ich als Andenken an die beschissene alte Zeit in meinem Requistiten-Repertoire als gelegentlich notwendige Ensemble-Ergänzung beim Tragen von Schlangenstiefeln. (Außerdem hatte ich der Film-Ausstattung kostenlos meinen fünfschüssigen Schreckschussrevolver der Marke Smith & Wesson, ein Gedicht von Design, zur Verfügung gestellt.) Auf dem Heimweg hatte ich allerdings Angst, dass mir die Damen schon von Weitem freiwillig ihre Scheine entgegenstrecken. Bis dato ist, wie gesagt, nicht klar, ob der Regisseur - er trug weithin sichtbar als absolute Ausnahme seines Metiers eine kecke Baseballmütze - mich nach künstlerischer Abstimmung mit den Bikerstiefeln in sein Werk aufnimmt oder einfach auf den Müllhaufen der Filmgeschichte wirft. Falls ich im Depeschengeschäft bleiben sollte, werde ich berichten. Und jetzt auf Position, ihr Penner! www.los-gigantes.de „Kontakt“ |
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