Bauers Depeschen


Samstag, 12. April 2014, 1270. Depesche



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GUTE UNTERHALTUNG: Stuttgarter Kickers - MSV Duisburg 2:0



AN DIESEM SONNTAG:

AUTOREN ÜBER FUSSBALL

Im Rahmen der "Literatur-Spaziergänge Hahn, Kusiek & Laing" findet auf dem Gelände des MTV Stuttgart am Kräherwald zurzeit ein dreitägiges Festival im Zeichen des Fußballs statt. Als Finale gibt es an diesem Sonntag um 11 Uhr in der MTV-Vereinsgaststätte ein PODIUMSGESPRÄCH zum Thema:

„Ähm, ich sag mal . . . Von der Last und Lust, über Fußball zu schreiben" -

mit Ronald Reng („Spieltage“, Fußballbuch des Jahres, Piper-Verlag), Axel Hacke („Fußballgefühle“, Kunstmann-Verlag), Nils Havemann („Samstags um halb vier. Die Geschichte der Fußball-Bundesliga“, Siedler-Verlag), Joe Bauer (Stuttgarter Nachrichten) und Thomas Hitzlsperger (Autor der Zeit-online-Kolumne „Alles außer Fußball“). Moderation: Stefan Siller (SWR)



Vorverkauf

FLANEURSALON IM LAB

Der Flaneursalon gastiert endlich in Stuttgarts ältestem Live-Club, im Laboratorium im Osten: Mittwoch, 28. Mai 2014, 20 Uhr. Mit Stefan Hiss & Freunden, Dacia Bridges & Uwe Metzler (g), Roland Baisch. Es gibt bereits Karten im Internet: LABORATORIUM



Der Klick zum

LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



DER UNBEIRRBBARE

Wenden wir uns heute der B-Seite des ­Lebens zu. Kommende Woche, am 19. April, feiern Musikliebhaber und ihre Mitläufer den „Record Store Day“, den Tag des Plattenladens. Dieses Jubeldatum zum Geschäftestürmen auf Rabatt-Basis gibt es seit 2007 jeden dritten Samstag im April. Teilnehmen dürfen unabhängige ­Läden, die nicht zu Ketten oder Online-Konzernen gehören. Stuttgart ist gut bestückt mit Plattenläden, Fluchtorten mit guter Beratung. Man denke nur an Einklang (Charlottenplatz), Second Hand Records (Leuschner­straße), Ratzers Plattencafé (Leonhardsviertel).

Gewidmet ist der Tag vornehmlich der Vinyl-Platte, auch als Botschaft an die Unwissenden, die ­Vinyl-Stücke für nostalgische Souvenirs aus der Vergangenheit halten. Die nicht mitbekommen haben, dass auch in der Gegenwart aufgenommene ­Musik auf Schallplatten gepresst wird. Die nicht erfahren haben, warum die schwarzen (oder auch bunten) Rillen einen anderen ­Zugang zur Musik eröffnen, eine andere ­Konzentration beim Zuhören schaffen als CDs oder aus dem Internet heruntergeladene Tonträger (das Wort Tonträger ist eines der schönsten Überbleibsel aus dem Plattenzeitalter. Heute gibt es Bedenkenträger).

Die meisten Platten haben eine Vorder- und eine Rückseite. A und B. Es gibt viele Beispiele für Songs, die von den Managern auf die B-Seite einer Single verbannt wurden und dann die Charts stürmten. „Hound Dog“ von Elvis Presley, „Summer Wine“ von Nancy Sinatra und Lee Hazlewood, „Über den Wolken“ von Reinhard Mey.

Die B-Seite des Lebens ist oft näher am richtigen Leben als die Handelsklasse A. Die Stuttgarter Kickers sind die B-Seite des Fußballs in der Stadt. Wohl nicht zufällig heißt der Ort, an dem die Fans ihre Mannschaft unterstützen, B-Block. An diesem Samstag ist wieder B-Block-Tag. Die Kickers spielen gegen den MSV Duisburg, treffen auf einen Club, der wie sie selbst mal auf der A-Seite beheimatet war, damals in der 1. Liga. Ein guter Fan trauert nicht: Wer A sagt, muss auch Kreisliga B sagen.

Die B-Ebenen in der Stadt sind gut gegen Langeweile, Gleichmacherei und Hirn­wäsche, unersetzbar im Kampf gegen das Aussterben der Neugier. Deshalb widme ich den Rest der ­Kolumne heute einem Meister des B-Lebens. Einem Unbeirrbaren.

Mit bürgerlichem Name hieß er Werner Voran. In den achtziger und neunziger Jahren galt er in den B-Blocks der wenigen Stuttgarter Clubs als Virtuose, als Aktionskünstler unter den Discjockeys und Musikschaffenden. Er spielte auch Schlagzeug, kam aus einer Zeit, als die Abkürzung DJ noch nicht so populär war wie ­heute. Dank seiner ungezügelten Entdecker­leidenschaft stieg er zum König der Nischen auf. Einer seiner heute legendären Auftrittsorte war die Kneipe Casino in der Mörikestraße.

Keiner in der Stadt kannte die B-Seite der Musikkultur­ so gut wie er. Mit selbstironischen Pseudonymen wie „Allen Voran“ oder „DJ Wennedikt“ streute er sein autodidaktisch gesammeltes Wissen über Rock und Jazz unter seinen Anhängern. Er arbeitete als Übersetzer und Autor für Standard­werke der Jazz- und Rockgeschichte. Er war der beste Kenner des deutschen Krautrock, schrieb für internationale Blogs und machte selten etwas für richtiges Geld. Eines seiner Projekte mit experimenteller Musik nannte er „Sturclub“. Er war der wandelnde Sturclub. „So kompromisslos, wie er sich jeder Kommerzialisierung seiner vielen Talente verweigerte und Selbstlosigkeit zum Prinzip erhob, so kompromisslos ging er mit sich selbst um“, schreibt der Journalist Bernhard Ubbenhorst in seinem Rückblick.

Am 24. April dieses Jahres wäre Werner Voran sechzig Jahre alt geworden. Er starb am 13. April 2013 an einem Schlaganfall. Bei seiner Trauerfeier in der Kapelle des Pragfriedhofs lief am Ende „Eat The Rich“, eine A-Seite von Motörhead. Hätte er seine Abschiedsnummer selbst aussuchen können, sagen Freunde, wäre die B-Seite zu hören gewesen: „Cradle To The Grave“, ein Song über das Leben auf der Rasierklinge.

An diesem Sonntag, seinem Todestag, lädt die Kneipe Schlesinger in der Schlossstraße zu einem Abend der Erinnerungen (ab 18 Uhr). Im Schlesinger hat Werner ­Voran früher sonntags Musik gemacht. Wie zu seinen Lebzeiten heißt das Treffen in der B-Ebene auch diesmal „Tag des Herrn“.



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