Bauers Depeschen


Freitag, 31. Mai 2013, 1115. Depesche

 

LIEBE GÄSTE,

an diesem Samstag fährt ein Stuttgarter Sonderzug mit 500 Passagieren (!) zur Blockupy-Demonstration in Frankfurt am Main. Bei der Abschluss-Kundgebung spreche ich die Grußworte für die Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21. - Geöffnet ist weiterhin der Lesersalon - lebhafte Beteiligung aus Ihren Reihen, werte Homepage-Gäste, ist immer schön und wertet diese Seite auf. - KOMMENTARE SCHREIBEN IM LESERSALON

Unten auf dieser Seite findet man meine jüngste StN-Kolumne "Joe Bauer in der Stadt" - zuvor aber alles über das näher rückende Hafen-Picknick:



AUF EINEN BLICK:



Samstag, 6. Juli 2013

Joe Bauers Flaneursalon am Fluss:

DAS HAFEN-PICKNICK

Große Samstagsshow am wilden Neckarufer mit:



Yasmine Tourist - die beste Band der Welt

Dacia Bridges - die Balladen-Königin

Roland Baisch - der Entertainer

Georg Dietl (p), Ekkehard Rössle (sax)

& Sara Wohlhüter (voc) - Lieder von Hugo Wolf, Hanns Eisler

Rahmenlos & Frei - der Chor der Vesperkirche

Toba Borke & Pheel - Rapper & Beatboxer

Joe Bauer - der Levitenleser



Picknick-Gelände mit Grill geöffnet ab 16 Uhr

Showbeginn: 18.45 Uhr

Neckarhafen, 70327 Stuttgart

Stahlbau Heil, Mittelkai 12 - 16

Anfahrt über B 10, Ausfahrt Hedelfingen

ANFAHRT ZUM HAFEN-GELÄNDE

VORVERKAUF MUSIC CIRCUS – Kartentelefon: 07 11 / 22 11 05

° Unser Hafen-Gelände ist überdacht °



DAS LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



RUHE VOR DEM PUFF

Der Mai macht alles neu, auch die Liebe, die man kaufen kann. Im Mai haben Verkehrsspezialisten der Stadt den härtesten Strich Stuttgarts, die kleine Leonhardstraße, beruhigt. Seit keine Autos mehr über die Rotlichtpiste ­rasen dürfen, äußer sich die meisten Menschen im Städtle zufrieden über ihren Kiez. Alle Freier, un­abhängig von ihrer sozialen Stellung, müssen jetzt zu Fuß in den Puff. Auch Huren und Zuhälter ­haben ein Mobilitätsproblem.

Die Damen aus dem osteuropäischen Einzugsgebiet des internationalen Sexmarkts haben ihren innerstädtischen Wirtschaftsstandort vor das Gustav-Siegle-Haus verlegt. Das führt gelegentlich zu Irritationen. Als in den ersten Tagen nach dem Umzug zeitweise ganze Männertrupps die neue Dirnenmeile belagerten, lag das nicht etwa an den frisch erwachten Mai­Gelüsten der heimischen Freier. Die Huren konnten auch nicht wissen, warum die Umtriebe in ihrem neuen Umfeld nur die Folgen üblicher Macho-Politik sind: Das Sieglehaus ist Sitz der Stuttgarter Philharmoniker, und wider alle Gender-Revolten stellen in klassischen Klangkörpern bis heute Männer die absolute Mehrheit

Mancher sensible Musikus der Philharmoniker wusste nicht, wie er auf dem Weg zur Arbeit die Tonart der alltäglichen ­Begrüßung einordnen sollte: „Hallo, Schatzi, hast du Lust?“

Außer Bläsern, Streichern und Trommlern aber sind alle glücklich über die Verkehrsberuhigung. Kein Mensch vermisst die hochtourigen Sex-Touristen mit ihren Kreisstadt-Kennzeichen.

Kopf- und Augenschmerzen bereitet dagegen die optische Umsetzung der neuen Rotlichtregeln. Typisch Stuttgart. Am Eingang zur Leonhardstraße, neben der Animier-Bar Zum Schatten, haben die Behörden zwei mehrstöckige Metallständer mit Verkehrstafeln aufgestellt. Man sieht darauf in einem blauen Kreis eine weiß ­gezeichnete Frau mit Kind an der Hand. Darunter steht „Zone“, und man greift sich an den Kopf. Ist Muttertag im Milieu?

Die Beschilderung der Fußgängerzone ist nicht nur peinlich hässlich, sie wirkt auch aus­gesprochen komisch. Neben zeitlimitiertem „Lieferverkehr“ erlaubt sie auch das Radfahren auf dem Strich – was den Luden gefallen wird: Aus sportlichen Gründen im Konkurrenzkampf auf dem Frauenmarkt hat der Pimp von heute nicht selten ein Mountainbike im Kofferraum seiner Karre.

Die zwei überdimensionierten Verkehrszeichenständer links und rechts einer beweglichen Polle verschandeln vollends das historische Altstadtbild mit dem schönen Barockhaus in der Nachbarschaft. Diese Ästhetik wundert nicht in einer Stadt, die nie versucht hat, der immer brutaleren Elendsprostitution mit einer vernünftigen Stadtplanung zu begegnen. Die kein Interesse zeigte, die bereits existierende Mischkultur der Altstadt auszubauen. Originelle Läden wie der Bix Jazzclub, die Weinstube Fröhlich, die Kiste, das Plattencafé Ratzer oder die Uhu-Bar bräuchten dringend neue Nachbarn zur Befriedung des Viertels. Stattdessen versuchen nicht zu über­sehende Zivilfahnder, die truppweise aus Osteuropa eingeschleusten Huren und Luden zurückzudrängen. Dabei weiß man, dass Polizisten und Paragrafen im Kampf gegen die Ausbeutung von Frauen durch Zuhälter und Menschenhändler nur selten gewinnen.

Als ich gerade dabei bin, das scheußliche Schilder-Entree der Leonhardstraße in meinem Taschentelefon zu verewigen, winkt mir der Milieumaler Jürgen Leippert aus dem Fenster im ersten Stock des Eckhauses. Erst neulich wechselte das Gebäude den Besitzer, der Künstler konnte zum Glück sein Atelier behalten. Zügig stiefle ich die Treppe zu Leipperts Domizil hoch, froh darüber, einem Altstadtkenner zu begegnen. Noch weiß keiner, was der Investor mit dem Eckhaus vorhat. Womöglich, so ist zu ­hören, entscheidet er sich für eine gastro­nomische Nische zur Aufwertung der Ecke.

Weiß der Teufel, man kennt die Altstadtpolitik. Die Hoffnung stirbt zuerst.



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