Bauers DepeschenFreitag, 12. Februar 2010, 443. DepescheNächster Flaneursalon: Mittwoch, 24. Februar, Theater Rampe Es gibt noch Karten: 0711 / 620 09 09 - 16. Kolumnen in den Stuttgarter Nachrichten Neue Kolumne (Baustellenhinweis: Wegen Relaunch-Arbeiten kommt es derzeit zu Verzögerungen) Leserbriefe zu den StN-Kolumnen bitte an: j.bauer@stn.zgs.de E-Mail Flaneursalon: „Kontakt“ Friendly Fire: www.kessel.tv LESERSALON BETR.: SCHMIEDELWUTZ Da zurzeit meine aktuellen StN-Kolumnen nicht im Netz zu finden sind, reiche ich die vom Mittwoch in meinem eigenen Online-Laden nach: BRUTUS Der liebe Gott ist ein großer Regisseur, sein Geschäft dürfte er deshalb nicht im deutschen Fernsehen gelernt haben. Der liebe Gott beherrscht die Kunst des Timings, der Überraschung und des Humors. Im Jahr 2010 inszenierte er einen sagenhaften Stuttgarter Winter. Es war affenkalt, der Schnee begrub unter sich die Hütten im Tal und die Rasenheizungen auf dem Killesberg, und die Eisbären brummten. Anfang Februar schien das Spektakel vorbei, es taute. Dann aber tat sich der Himmel über Stuttgart auf: Gott saß auf einem Regiestuhl, den er bei Fleiner im City Plaza gekauft hatte, auf dem Kopf trug er eine Baseballkappe wie der Hollywood-Regisseur Emmerich aus Sindelfingen, und brüllte in ein Mikrofon aus dem Musikhaus Schweizer: "Alles auf Anfang!" Sekundenschnell war es wieder hundekalt, die Menschen schienen sich verzweifelt mit Sex zu wärmen, früh am Morgen schreckte ich aus dem Schlaf, weil es in der Nachbarschaft krachte und rätschte. Es war nur der Sound der Schneeschippen, der Vorboten der Bulldozer-Armee, die gegen die Stadt vorrückte. Gott war noch damit beschäftigt, seinem einzigartigen Winter-Thriller den Rohschnitt zu verpassen, da blickte im Landtag ein raumgreifender Komiker aus Mühlacker eiszapfenglasig zum Himmel und schwor mit dicken Backen, alles richtig zu machen, so wahr ihm Gott helfe. Gott wusste wie immer nichts davon, dass er einem Politiker versprochen hätte, ihm zu helfen. Im Gegenteil. Er blickte von seinem Regiestuhl herab, sah die Mappus-Verschwörung und sagte: Dem ist nicht zu helfen! Wer um Gottes willen hat ihn gewählt? Sein treuer Koproduzent Jesus sagte: Das Volk war es nicht. Die SPD, im Landtag als Komparsentruppe ohne Einfluss auf die Handlung beschäftigt, hatte lange vor dem Schwur versucht, den Kandidaten schlecht zu machen. Einmal schrie der rote Herr Schmiedel: Der Mappus ist ein Brutus! Da lachten die Hinterbänkler im Landtag und sagten: Gott sei Dank haben wir Rotnasen einen so lustigen Schmiedelwutz. In politischen Komödien waren Namenswitze nie verpönt, in den Mappus-Shows von heute spiegeln sie den politischen Stil: Schwesterwelle ist nicht weit, wenn Mutti ruft. Wer darüber nachdenkt, wozu der Name Mappus künftig noch alles herhalten dürfte, kann leicht selbst der Idiot werden, den Brutus nur vorgetäuscht hatte, bevor er von Beruf Verräter & Politiker wurde. Gott sei Dank muss heute kaum noch ein Politiker den Idioten vortäuschen, um sich dem Verdacht auf Zurechnungsfähigkeit zu entziehen. Jetzt aber wird die Sache historisch kompliziert. Deshalb hat ein anderer klangvoller Name der heimischen SPD, nämlich der Herr Schmid, den Mappus nicht etwa einen Omnibus, sondern mit gewohnt sozenhafter Nullmeinung einen "Mann ohne Eigenschaften" geheißen. Das würde von Vorgänger Oettinger keiner sagen. Oettingers Berliner Brandrede auf Englisch hat inzwischen, auch mit einem im Internet nachgereichten "Spickzettel", so weite Kreise gezogen, dass sie als größte Kultansprache seit Trapattonis Bayern-Predigt ("Flasche leer") gilt. Solche Sternstunden der Komik nützen uns jedoch nichts, wenn man zur Fasnet Herrn Oettinger und Frau Homburger, die schwäbische Rätsche der FDP, in ein- und derselben "Tagesschau" sieht: Mit ihrem rhetorischen Talent machen sie binnen Sekunden Baden-Württembergs millionsteure Image-Kampagnen zunichte. Oben auf seinem Regiestuhl sitzt derweil der Regisseur und sagt: Nichts zu machen, Abschuss, so wahr mir Gott helfe. |
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