Bauers DepeschenDonnerstag, 23. April 2009, 316. DepescheBETR.: AUS DEM INNEREN Flaneursalon im Fluss - am 25. Juni auf einem Neckar-Käpt'n-Schiff (siehe Termine). Karten: T: 0711 / 2 555 555 oder www.easyticket.de. Zur Abwechslung heute einige Bemerkungen aus der Werkstatt. Frau Mirjam mit jott, eine langjährige Freundin, die ich an dieser Stelle mal als professionelle Veranstalterin (Music Circus) outen darf, kritisiert gelegentlich, ich missbrauche die Depeschenseiten für Flaneursalon-Werbung. Der Platz müsse für kleine Geschichten frei sein. Intuitiv hat sie recht: Nach meiner Erfahrung interessieren sich 95 Prozent der Depeschen-Leser rein gar nicht für die Flaneursalon-Veranstaltungen. Appelle, Karten zu kaufen, beruhigen lediglich mein Gewissen. Zum Glück sind die kleinen Shows dennoch immer gut besucht. Der Vorverkauf für den „Flauersalon im Fluss“, unseren Sommerausflug am 25. Juni auf einem Neckar-Käpt’n-Schiff, hat begonnen. Es soll eine gute Fahrt ins Blaue werden. Der Eintritt kostet 25 Euro. Manchem mag dieser Preis hoch erscheinen, ich kann versichern: Unsere Flussfahrt haben Johannes Zeller - er tritt mit seiner Firma Orgakomm in dankenswerter Weise als Veranstalter auf - und ich so knapp kalkuliert, dass kaum ein Euro übrig bleiben wird. Wir bezahlen Miete für das Schiff, wir müssen Equipments für zwei Decks mieten, eine Versicherung abschließen etc. Für die Künstler werden höchstens Spesen bleiben. Wir hoffen auf 200 Passagiere, damit wären wir halbwegs aus dem Schneider, eher halbwegs. Sonst gehen wir über Bord. Warum machen wir es dann? Seit jeher habe ich wie einige meiner alten Freunde eine Liebe für bunte Programme – die Mixed Shows. Diese traditionsreiche, immer aktuelle Form der Unterhaltung mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten gefällt uns, und wir verteidigen sie. Michael Gaedt und ich haben schon vor 20 Jahren Shows mit Varieté-Charakter arrangiert. Wir stehen auf die Idee Varieté (weniger auf den Butterfahrten-Kitsch, wir wollen harte Schnitte und Kontraste). In unseren früheren Veranstaltungen las zum Beispiel ein Schauspieler Hölderlin-Gedichte, danach ging eine rotlichtgeschulte Strip-Tänzerin auf die Bühne, ehe eine Trapez-Artistin aus dem Circus Bonanza den Bmx-Rad-Akrobaten von der Straße ablöste. Wie waren in den Anfangsjahren des Alten Schützenhauses zu Gange, als der Laden ein amtliches Programm und die täglich bespielten Volks- und Frühlingsfest-Zelte auf dem Wasen bot. Wir gestalteten eine Reihe im Tübinger Foyer an der Blauen Brücke unter dem Motto „Foyer und Flamme“. Wir haben einiges in dieser Richtung gemacht, etwa Anfang dieses Jahrzehnts die Jahrespartys im Kunstverein; damals habe ich übrigens für das Fest im Kunstgebäude (Motto „Der mit dem Hirsch tanzt“) einen unbekannten Herrn namens Eckart von Hirschhausen aus Berlin geholt. Gaedt moderierte, ich organisierte. Dass ich inzwischen gelegentlich selbst auf der Bühne sitze, hat sich zufällig ergeben. Ich wollte das zuerst nicht, weil ich es nicht konnte. 1998 musste ich mein erstes Kolumnenbüchlein vorstellen, da habe ich gesagt: Okay, aber ich setze mich nicht vorlesend in die Ecke, ich mache lieber das, was ich immer gemacht habe, und so gab es im Siegle-Haus einen bunten Abend mit Musik, Comedy und Lesebeiträgen. Zunächst hat das Lesen der Schauspieler Jo Jung für mich erledigt, erst einige Zeit später habe ich mich selbst getraut. Das war nichts, dann habe ich geübt. So entstand nach und nach der Flaneursalon – als gewachsene eigene Form, die Stadt, in der wir leben, und auch ein paar Dinge über den Tellerrand hinaus unterhaltsam aufzuarbeiten. Zuletzt habe ich im Flaneursalon festgestellt, dass junge Leute - wenn sie mal aufkreuzen – von dieser Mix-Tour begeistert sind. So war das am vergangenen Sonntag in der Rosenau. Acht Akteure wirkten auf der Bühne mit – so etwas kann man nur machen, wenn es nicht um Geld geht, wenn man einen anderen Job zum Leben hat. Neue Besucher, das erfahre ich bei jeder Veranstaltung, kommen mit einer gewissen Skepsis: Sie befürchten den Anblick eines einsamen Vorlesers, der sich nach Omas Schulaula-Regie von Pausenmusikanten unterstützen lässt. Schnell aber sind diese Leute überrascht: Ihnen gefällt die Flaneursalon-Mischung mit ihren verschiedenen Ebenen, mit dieser Art "Lesung" hatten sie nicht gerechnet. Wir wollen eine tempo- und pointenreiche, eine humorvolle (auch informative) Show. Die lebt von ihren Stimmungswechseln. Melancholie und Sarkasmus (manche meiner Zeitungskollegen verurteilen dies als "gallig") liegen dicht beieinander, und wenn Herr Gaedt aufdreht, ist das nicht von Pappe. Keiner jedoch hat wie er das Gespür, wenn es Zeit ist, sich selbst aus dem Spiel zu nehmen. Genug damit. Ich hatte das Gefühl, dies mal sagen zu müssen, weil dieser Gelegenheits-Flaneursalon inhaltlich etwas schwer zu vermitteln ist. Am 25. Juni gehen wir auf den Fluss. Das könnte ein lustiges, aufregendes Miteinander und Gegeneinander werden – und das Publikum wäre uns bis zum Ende sicher: Der Neckar hat keine Balken. Danach ist Pause, und im Herbst erscheint in der Berliner Edition Tiamat ein kleines Buch mit meinen Texten. Dann müssen wir wieder was machen, wenn wir nicht ersoffen sind. „Kontakt“ |
Auswahl |