Liebe Freundinnen und Freunde des Flaneursalons,
es haut einfach nicht hin mit meinem Vorsatz, diese Seite öfter mit frischen Inhalten zu bestücken. Es ist eine Ausrede, aber ich sag’s trotzdem: Die Temperaturen der vergangenen Tage haben mich nicht unbedingt zum Tippen am Rechner motiviert. Auch ist, im Auge des Klimataifuns, die gesamte Lage in meinen Augen so diffus und verworren, dass mir immer öfter ein funktionierender Kompass fehlt. Kurzum: Es fällt mir schwer, darauf zu kommen, was ich zurzeit Vernünftiges und Brauchbares tun könnte. Vielleicht mehr schreiben? Ist Schreiben, wie oft behauptet, tatsächlich Handeln? Daran habe ich inzwischen Zweifel, aber wo habe ich die nicht. Ach ja, falls noch jemanden meine jüngste Kolumne interessiert: FRÜCHTE DES ZORNS – die nächste gibt’s kommenden Mittwoch.
Nach wie vor denke ich, das alles Entscheidende wäre, seine Zeit und Möglichkeiten zu nutzen, um etwas gegen den Rechtsruck bei uns zu tun. Aber wie? Und mit wem? Was wären angemessene Aktionen? Und was bringt die Aktion auf der Straße in Zeiten, da sich ein Christlich Demokratisches Ungeheuer mit Parolen wie „Alternative für Deutschland – mit Substanz“ Nationalisten, Rassisten, Völkischen, Faschisten andient? Anscheinend im Glauben, die Leute mit entsprechender Gesinnung wählten dann nicht mehr das Original, sondern den Abklatsch „mit Substanz“.
Dass die Aktion auf der Straße immer ein wichtiges Zeichen ist, öffentliche Räume und demokratische Errungenschaften zu verteidigen – daran habe ich keine Zweifel. Das große Problem aber ist, solidarisches Handeln herzustellen. Der britische Autor Paul Mason schreibt in seinem sehr empfehlenswerten Suhrkamp-Buch „Faschismus. Und wie man ihn stoppt“: „Die einfachste Methode, den Faschismus zu stoppen, besteht darin, den eigenen Körper – und nicht den Internet-Avatar – zwischen den Faschisten und ihr Ziel zu stellen. Ich habe das getan und weiß, dass es eine sehr wirksame Methode sein kann.“ Und Mason fordert von Linken und Liberalen einen „Waffenstillstand“: „… sowohl für den Liberalismus als auch für die Linke muss das kurzfristige Ziel darin bestehen, die konvergierenden Kräfte von Rechtspopulismus und Faschismus zu bekämpfen, zu besiegen und zu zerschlagen. Die Geschichte zeigt jedoch, dass sowohl ein Kampf an der Basis als auch staatliche Zwangsmaßnahmen erforderlich sein werden, um dieses Ziel zu erreichen.“
Davon sind wir meilenweit entfernt, während der Krieg in der Ukraine die Leute auf der linken Seite spaltet, wenn über Waffenlieferungen, Forderungen nach Waffenstillstand und Friedensverhandlungen diskutiert wird. Die immer stärker werdende Rechte profitiert vom militaristischen Klima und der Kriegsökonomie mit schlimmen Folgen für die sozialen Bereiche in unserer Gesellschaft. Wir sind in einem Teufelskreis. Nationalismus. Zurückweisung von Geflüchteten. Die „Spaltung der Gesellschaft“ ist ein abgedroschener Begriff, der oft genug manipulativ und verlogen verwendet wird. Doch die Uneinigkeit/Zerstrittenheit auf der liberalen und linken Seite sind angesichts eines notwendigen Kampfes gegen die Faschisten (sofern das Wort „Kampf“ überhaupt eine Berechtigung hat) der große Trumpf der Rechten. Und wenn WIR (wer ist das?) nichts tun, werden WIR verlieren. „Wir sind mehr“ ist eine dumme Phrase, solange es keine Solidarität gibt.
DIE HARTEN IM GARTEN?
Die Redewendung „Nur die Harten kommen in den Garten“ ist ein widerlicher Vers auf das Recht der Stärkeren. Wenn der Flaneursalon am Freitag, 18. August, wieder im Garten der Gaststätte Ratze am Raichberg auftaucht, soll das nach meinen Vorstellungen eher ein Treffpunkt am Rande für Menschen mit etwas Sinn für Gerechtigkeit sein. Was wir machen, heißt Unterhaltung: eine kleine Revue-artige Show mit Musik und Geschichten und etwas Humor, der noch nicht im Garten der Harten oder bei Dieter Nuhr begraben wurde.
In unterschiedlichen Bereichen der Musik, von Wagners Bayreuth bis zu den Pop-Open-Airs, gibt es heute teure Veranstaltungen, bei denen es dem Publikum im Star-Theater vorzugsweise darum geht, sich selbst zu „feiern“ – auch als Nachweis, dass die Sache, uh-uh-uh, das viele Eintrittsgeld wert war. Standing ovations. Immer. Die ganze Blase in Ekstase.
Unser Dorf-Abend auf den Hügeln über der Stadt mit insgesamt acht Mitwirkenden auf der Bühne (wir erwarten Überraschungsgäste) und den Mitarbeitern von der Technik kostet zwanzig Euro Eintritt. Günstiger geht es leider nicht angesichts der Tatsache, dass bei uns doch einiges zusammenkommt. Karten gibt es per Mail: ratzestr@gmail.com – und am Tresen im Wirtshaus Schlesinger. In diesem Sinne: Womöglich sehen wir uns. Wir warten im Garten. Und sometimes tut es gut, einen Song zu hören, wie verdammtes Vogelzwitschern, ohne johlen, kreischen, toben: FIRST BIRD
Wer mir schreiben möchte: flaneursalon@joebauer.de