Joe Bauer
  • Bauers Depeschen
    • Archiv
  • Joe Bauers Flaneursalon
    • Kritiken
  • Termine
    • Archiv
  • Die Künstler*innen
  • Impressum
    • Datenschutz
✕
2538. Depesche
21. Juni 2025
2540. Depesche
1. Juli 2025

2539. Depesche

ES GIBT NOCH KARTEN:

Joe Bauers
FLANEURSALON am FLUSS

6. Stuttgarter Hafen-Picknick
Die Lieder- und Geschichtenshow am Neckarufer

Gewidmet Heinz Frank * (13. Dezember 1944 – 21. März 2024)

Samstag, 5. Juli 2025, Neckarhafen Stuttgart
Stahlbau Heil, Am Mittelkai 12 – 16. Das Gelände ist überdacht.

Das unkommerzielle Hafen-Picknick mit offenem Grill für alle ist geöffnet ab 17 Uhr. Mitbringen von Essen und Getränken kein Problem. Zur Versorgung steht auch ein Wagen der PS-Gastro bereit.

Bühnenshow: Beginn 18.45 Uhr. Die Location ist bestuhlt.
Mit: Salamaleque Dance Company – Dancers across Borders. Cemre Yilmaz (voc) & Gee Hye Lee (p) & Sandi Kuhn (sax), Songs. Stefan Hiss, Sänger & Akkordeonvirtuose. Hajnal, Sängerin. Cornelius W. M. Oettle, Satiriker. rahmenlos & frei, der Chor der Vesperkirche. Joe Bauer, Autor & Vorleser

In Kooperation mit Music Circus Concertbüro – unterstützt von Rosenau. *In Erinnerung an Heinz Frank, Freund des Flaneursalons und viele Jahre engagierter Förderer Stuttgarter Kulturarbeit.
Hier der Link zum Vorverkauf: TICKETS
—-

Und hier eine Kolumne vom Mai 2023:

Mit Gas? Ohne Gas?

Während ich diese Zeilen geschrieben habe, drang apokalyptischer Lärm in meine Bude. Unter meinem Fenster rissen sie die Straße auf, und niemand hatte mich gewarnt. Als ich ins Freie stürmte, um mich zu erkundigen, mit welchen weiteren Erdbeben ich in nächster Zeit zu rechnen hätte, sagen mir die Arbeiter, sie müssten eine neue Gasleitung legen. Ich war überrascht, denn eigentlich war ich der Meinung, das Gas-Zeitalter sei vorbei. Aber womöglich habe ich unsere obersten Heizer in der Regierung mal wieder falsch verstanden.

Meine Kolumne, die bis Mai 2025 in der Kontext-Wochenzeitung erschien, hieß „Auf der Straße“. Das deutet an, dass ich ein Verhältnis zum Asphalt habe – und sensibel reagiere, wenn der ohne heruntergekommene Belag ausgerechnet vor meiner Haustür malträtiert wird.

Das Spazierengehen in den Straßen der Stadt wird politisch unterschätzt. Das hab nicht ich herausgefunden, sondern die amerikanische Autorin Rebecca Solnit, die beste Kennerin des Zu-Fuß-Gehens, die ich immer wieder zitieren muss wie jetzt: „Nur Bürgerinnen und Bürger, die mit ihrer Stadt als symbolischem und praktischem Territorium vertraut sind, die in der Lage sind, sich auf dem Fußweg zu versammeln, und gewohnt, in ihrer Stadt herumzulaufen, können auch revoltieren.“

Menschen in Autos, lernen wir daraus, taugen nicht für den Kampf um Gerechtigkeit. Paris ist nur die große Revolutionsstadt geworden, weil sie seit je die große Stadt des Spazierens ist.

Der öffentliche Raum ermöglicht uns, die Versammlungsfreiheit auszuleben. Eine Freiheit, die nach jüngsten Erfahrungen auf Demonstrationen immer öfter von schikanösen Behördenauflagen und rigorosen Polizeieinsätzen angegriffen wird. Öffentliche Räume aber sind nicht dafür da, mit Kneipen-Mobiliar zum Abkassieren der Bevölkerung zugestellt zu werden. „Stadtbelebung“ ist oft nur ein anderes Wort für den Tod der Bewegungsfreiheit. Daran sollten auch mal die denken, die nach immer mehr Außengastronomie und Massenbetrieb gieren. „Gierig bleiben“, steht auf einem Poster des VfB.

Das frisch gebohrtes Loch in meiner Straße setzt Gedanken frei, erst recht, wenn das Loch für eine Gasleitung gegraben wird. Nachdem die russische Armee die Ukraine überfiel, begleitete uns das Wort Gas eine Zeitlang auf Schritt und Tritt. Die Deutschen waren schon immer groß im Gasgeben, nicht nur auf den Straßen, und es müsste jedem anständigen Menschen übel werden, wenn er daran denkt.

Womöglich habe ich mir beim Herumgehen in den Straßen eine Macke eingehandelt. Immer, wenn ich Gas höre, fällt mir ein, wie ich einmal nach einem Besuch des Jüdischen Museums in Berlin das gerade erworbene Suhrkamp-Büchlein „Deutschland und Israel“ von Amos Oz auf einer Bank ausgelesen habe.

Darin schreibt der Autor: „Wenn ich bei Aufenthalten in Deutschland oder in Österreich im Restaurant auf Englisch um Mineralwasser bitte, kommt es immer wieder vor, dass mich der Kellner unschuldig höflich fragt: ‚With gas? Or without gas?‘ Und ich, einen Moment lang erstarrt, hole tief Luft und antworte: ,Sparkling please.’“

Und wie so oft muss ich solche Gedankengänge nach meinen Spaziergängen bei einem Glas Sprudelwasser in aktuelle Ereignisse einordnen. Vorbei die Zeit, als ich das Wort Gas nur mit Bob Dylans ersten Auftritten im New Yorker Gaslight Café und später mit den Krawalltouren der Protzauto-Poser assoziierte. Ich lernte auch, dass man mit dem Begriff Gaslightning eine Form von psychischer Manipulation bezeichnet, bei der die Opfer gezielt desorientiert, verunsichert und in ihrem Realitäts- und Selbstbewusstsein beeinträchtigt werden. Nicht nur in der psychologischen Kriegsführung, sondern auch im Internet.

Neulich wurde bekanntgeben, dass bei uns die politisch motivierte Kriminalität von rechts schon wieder drastisch zugenommen hat – und im justiziablen Bereich vor die Hetze ausufert. In diesem Klima des Überdrucks, in dem die AfD zur zweitstärksten deutschen Partei aufgestiegen ist, müssen wir fromme Phrasen wie die des baden-württembergischen Innenministers über uns ergehen lassen: „Es gilt, aktiv für das gesellschaftliche Miteinander und das friedliche Zusammenleben in unserem Land einzutreten. Jede und jeder von uns trägt hier die Verantwortung.“ Also: Seid lieb zueinander, sagt Strobl, das Knäbchen von Heilbronn. Da müsste doch allen, die ihre Straßen kennen, klar werden, wozu Räume in der Stadt da sind. Womöglich nicht nur, um sich im Freien Cappuccino servieren zu lassen. Reimt sich servieren auf revoltieren? Herr Ober, hat der große Kabarettist Wolfgang Neuss gesagt, die nächste Lage – ist ist ernst.

Wir müssen uns Freriäume erkämpfen, mehr denn je, auch Orte wie Hütte. Schwer beeindruckt war ich neulich, als sich dank unserer aufmerksamen Qualitätsmedien bundesweit die Nachricht verbreitete, in Stuttgart sei ein Mann mit Cowboyhut samt einem leibhaftigen Pferd in die Straßenbahn gestiegen. Bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass sich der Vorfall in Fellbach ereignete, was die historische Bedeutung der Raumeroberung aber keineswegs schmälert. Fellbach klingt irgendwie nach frisch gestriegeltem Gaul.

Ein Pferd als Passagier in der Straßenbahn steht für demokratischen Fortschritt, so wahr das Ross im Stuttgarter Wappen nicht das regional einst beliebte Metzgergulasch symbolisiert. Es gab Zeiten, da waren es geschundene Mähren, die eine Tram ziehen mussten, um Menschen von A nach B zu befördern. Heute kann jeder Gaul selbst wie ein freier Bürger mit der Bahn fahren. Laut Stuttgarter Straßenbahnen AG ist ihm das nicht verboten, solange es niemanden tritt. Nicht bekannt ist, ob diese Regelung auch für Polizeipferde gilt. Bisher habe ich noch keins von ihnen in einer Straßenbahn gesehen, dort auch keinen der Haufen gerochen, die sie häufig samt ihrer Geruchsgase in unseren Straßen hinterlassen. Und Bullen tragen normalerweise keine Cowboyhüte. Sie ballern nur manchmal, als hätten sie welche auf.

Ich habe mir überlegt, was den Mann mit Cowboyhut bewogen hat, seinen besten Freund, einen Tinker namens Sancho Pancho, in eine Bahn zu führen. Vielleicht war Sancho Pancho müde vom Leben, oder aber er hat generell Spaß daran, in einer gute klimatisierten Kutsche durch die Stadt zu rollen. Das ist besser, als in einem verriegelten Anhänger zum Metzger transportiert zu werden.

Vielleicht aber ging es Pferd und Cowboy wie den beiden Helden einer kleinen Geschichte, die man als Witz interpretieren könnte. Ich habe allerdings keinen Zweifel, dass diese Geschichte wahr ist. Gefunden habe ich sie, ohne mich bisher einer entsprechenden Behandlung unterzogen zu haben, in einem Buch mit dem Titel „Humor in Psychiatrie und Psychotherapie“. Und jetzt Obacht, ich erzähle diese Anekdote:

Geht ein Mann mit einem Pinguin an der Hand zur Polizei und fragt, was er mit dem Pinguin tun soll. „Gehen Sie in den Zoologischen Garten mit ihm“, sagt der Polizist. Am nächsten Tag trifft dieser den Mann wieder mit dem Pinguin an der Hand in der Stadt. „Waren Sie denn mit dem Pinguin nicht im Zoologischen Garten?“, fragt der Polizist. „Doch“, sagt der Mann, „und heute gehen wir ins Kino.“

Und ich gehe wieder hinaus auf die Straße und passe auf, nicht in das Gasleitungsloch zu fallen.

Adios. Reitet ohne mich weiter.

Comments are closed.

  • Alles auf Anfang
  • Bauers Depeschen
  • Joe Bauers Flaneursalon
  • Termine
  • Die Künstler*innen
  • Kritiken
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© Joe Bauer

Website Support 2006-2025
· AD1 media / Ralf H. Schübel ·