Joe Bauer
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2580. Depesche
5. Dezember 2025

2581. Depesche

Willkommen!

Liebe Besucher:innen, weil es Samstag ist und das Leben trotz allem auch im Dezember weitergeht, eine neue Homepage-Kolumne, die Nummer 14:

Joe Bauers kleine Website Story
WHO THE FXXX …

Meine Spaziergänge zur Erkundung der Welt im Bierdeckelradius habe ich zuletzt vernachlässigt, wenn auch nicht das Gehen an sich. Dabei wäre es wichtig für die verfickte Lebensqualität, beim Anblick des kleinen Museums Hegel-Haus in der Eberhardstraße Schritt für Schritt darüber nachzudenken, was wohl der Aufsteller „Who the fxxx is Hegel?“ vor der Eingangstür bedeuten könnte. Der Hegel war ja schon irgendwie Stuttgarter, auch wenn das heute kaum noch publik ist. „Der Widerspruch ist das Erheben der Vernunft über die Beschränkungen des Verstandes“, hat er gesagt. What the fuck.

Mein gebremster Schlendrian im Hanns-Guck-in-die-Luft-Swing hat nichts mit dem Dezemberwetter zu tun, zuletzt war es frühlingshaft warm, in der Stadt sind mir vierzehn Tage vor Weihnachten nur Bau- und Umzugsarbeiter in kurzen Hosen und T-Shirts begegnet. Auch mancher Frischluftheld musste seine nackten Waden vorzeigen.

Noch bin ich bereit, meinen Arsch im Freien zu bewegen, nach einer Krankheitspause spüre ich wieder den Bewegungsdrang. Und mögen öffentliche Bordbucheintragungen im Bereich Leibesübungen auch wie Macho-Protzerei wirken: Es liegt mir daran, einen gewissen Lebensrhythmus in halbwegs aufrechter Position zu dokumentieren – und vor allem weiterzuempfehlen. Eine wichtige Sache: im Alter. Also: zweimal pro Woche Krafttraining bei Kieser, jeden Sonntag Dauerlauf im Wald oder Park und mittwochs Schwitzen und Schwimmen im Bad Berg – solange es diese Mineralwasseranstalt noch gibt. Angesichts der drastischen Sparmaßnahmen der Stadt muss man mit allem rechnen, schon weil der größte Teil der Stuttgarter Politik noch nie ein Verhältnis zum Wasser hatte, außer vielleicht beim Trollinger-Pissen. Dies gilt für den Umgang mit den Mineralbädern wie für den Fluss namens Neckar. Da ging eine Menge den Bach runter.

In den vergangenen Tagen haben sich aufgrund der finanziellen Kürzungen im kommunalen Bereich viele aus der sogenannten Kulturszene laut und sichtbar zu Wort gemeldet. Im Grunde zu spät, denn die unheilige Messe im Rathaus war schon gelesen, wenn auch noch nicht alle Rotstiftkeulen beschlossen. Dennoch gab es gute, solidarische Aktionen, die erste am Samstag nach der „Hamlet“-Premiere im Schauspielhaus der Staatstheater. Kaum war der Däne gekillt, versammelten sich, sauber geordnet, etliche hundert Leute im Saal und gut hundert auf der Bühne, um gegen den Kahlschlag in der Kunst- und Kulturarbeit zu protestieren. Betreutes Demonstrieren mit positiver Publikumsresonanz. Ein Transparent klärte auf: „An Kultur, Bildung und Sozialem zu sparen kostet viel zu viel!“ Bastian Stigs vom Theater Rampe und Grete Pagan vom Jungen Ensemble Stuttgart (JES) trugen auf der Bühne gemeinsam eine kurze, prägnante Rede vor. Mit gescheiten Argumenten stellten sie die Kahlschläge in ihren Häusern in einen Kontext mit der Bildungs- und Sozialarbeit, die ebenfalls reduziert werden soll. Alles zusammen Nährboden für die Rechtsextremen und ihre Pläne, demokratische Errungenschaften zu zerstören. (Am Montag, 15. Dezember, demonstrieren Sozialverbände auf der Stuttgarter Wilhelmsplatz. Beginn: 12 Uhr.)

Wie immer geht es um eine gerechte Verteilung, und die ist nicht gottgegeben, sondern verhandelbar. Eine genehmigte Marketing-Leuchtschrift für Selfie-Fetischisten („Stuttgart-Sign“) im Wert von einer halben Million Euro setzt mal wieder den heimischen Dorfgeist ins Licht. Und bevor demnächst der Bau einer neuen Sport- und Entertainment-Tempels als Ersatz für die Halle mit dem vielsagenden Erinnerungskultur-Namen Hanns Martin Schleyer beschlossen wird, sollte man mal darüber nachdenken, ob eine besser ausgestattete Spielstätte tatsächlich in die Stadt bringt, wonach Provinzpolitik traditionell giert: Weltstars. Der Trend geht dahin, dass z. B. Produktionen in der Branche der populären Musik und des Entertainments mehrere Tage hintereinander in einer Stadt gespielt werden, um Kosten zu sparen. Das heißt: Bevor dieselbe Show wie bisher vielleicht in Köln, Stuttgart und Leipzig stattfindet, zieht man sie dreimal in Berlin durch.

Nach der „Hamlet“-Zugabe im Schauspielhaus folgten zwei weitere starke Aktionen auf der Provinzbühne namens Rathaus. Eine mit reichlich Getrommel und Gebläse am frühen Montagmorgen vor der Gemeinderatssitzung, eine weitere am Mittwochmorgen am selben Ort mit hochkarätigem Programm: Mitglieder von Staatsorchester und Opernchor intonierten „Nabucco“, und zu Verdi gesellte sich Ver.di. Nebenbei: Auch in diesem Rahmen sorgte der Generalmusikdirektor Cornelius Meister als charismatischer Dirigent und origineller Entertainer für prima Klima. So schön war es im Rathaus noch nie.

Aber schön ist halt nicht alles. Im Engagement gegen rechts glänzt der Großteil des Kulturbetriebs zu oft durch Desinteresse. Die Angriffe auf die Existenz und den eigenen Geldbeutel motivieren deutlich besser als die politischen Bedrohungen im Kulturbetrieb. Da fehlt es noch an Bewusstsein.

Überhaupt ist es nach wie vor schwierig, die Bedeutung des Begriffs „Kultur“ verständlich zu machen. Künstler:innen wie Publikum verwechseln Kultur häufig mit Veranstaltungsbetrieb. Es will nicht in die Köpfe, dass „Kultur“ für eine gesellschaftliche Lebensweise steht – und nicht für die Fähigkeit, Trompete zu blasen. Zu einer demokratischen Kultur, zu einer international offenen Lebensweise mit einer entsprechend humanen Atmosphäre tragen die Disziplinen der Kunst und ihre unterschiedlichen Einrichtungen wesentlich bei – nicht nur zum Vergnügen der Bevölkerung, sondern auch zur Aufklärung, zur Bildung und zur offenen Diskussion. Dennoch stänkern einige Gemeinderatsmitglieder ähnlich wie andere Ahnungslose und Reaktionäre im Zusammenhang mit dem Kulturetat weiterhin gegen „Hobbys“ und „Luxus“. Aber das ist man ja gewohnt.

Bekanntlich gehört der Kulturbereich zu den „freiwilligen Leistungen“ einer Kommune, der Bau von SUV-gerechten Parkplätzen eher nicht. Der engstirnigen „Kultur“-Auslegung ist auch in Teilen der Kunst nicht beizukommen. Vielleicht helfen bei der Auseinandersetzung mit dem Begriff „Kultur“ die sachdienlichen Hinweise auf die Existenz einer Ameisenkultur und Joghurtkultur, einer Streitkultur und Fehlerkultur: „Kultur“ allein sagt rein gar nichts über ihre Qualität. Eine Kultur, eine eigene Lebensform pflegen in ihrem Milieu auch Zuhälter, Trachtenjodler oder Nazis – die Völkischen im Übrigen viel ausgeprägter als etwa eine SPD. Allen im Kulturbetrieb müsste es darum gehen, eine einigermaßen demokratische Lebenskultur zu verteidigen.

Meine vernachlässigten Spaziergänge mit offenen Augen haben mit Zeitmangel zu tun. Kurz vor Ende des Jahres sind noch einige Dinge vorzubereiten, nicht nur Die 24. Nacht der Lieder im Theaterhaus (ausverkauft). Unser Netzwerk Gemeinsam gegen rechts – für eine bessere Demokratie hat schon Anfang Oktober Mitarbeiter:innen von Kultureinrichtungen für Dezember zu einem kleinen Treffen eingeladen, um über eine bessere Zusammenarbeit im Aktivismus gegen die Rechtsextremen zu sprechen. Und bereits vor den Aktionen gegen die Etatkürzungen hatten wir diese Kundgebung veranstaltet: „Gegen die Zerstörung des Sozial- und Rechtsstaats. – Verteidigt demokratische Errungenschaften! Schützt Minderheiten vor Angriffen!“

An diesem Samstag, 13. Dezember, sehe ich mir in München die PRÜF-Demo an. Diese Aktion gehört zu einer bundesweiten Kampagne, die der Hamburger Satiriker Nico Semsrott initiiert und in der Hansestadt bereits erfolgreich gestartet hat. Alle Landeshauptstädte sind dazu aufgerufen. Nico Semsrott hat mit uns gesprochen, und wir wollen uns in Stuttgart an der Sache beteiligen. Kurz zu Sinn und Zweck der PRÜF-Demos: „Alle Parteien, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall oder gesichert rechtsextrem eingestuft werden, sollen durch das Bundesverfassungsgericht überprüft werden.“ Hier der Link zur PRÜF-Demo – und dazu ein sehr guter Vortrag von Nico Semsrott.

So, das war jetzt keine Kolumne wie sonst, eher ein Rapport, aber was schon hat unsereiner zu sagen, wenn er vorübergehend aus dem Tritt geraten ist. Who the fxxx …

SONG: ARLO PARKS

FLANEURSALON LIVE
Weil bald Weihnachten ist, empfehle ich als kleines Weihnachtsgeschenk Karten für den Flaneursalon am Mittwoch, 4. Februar in der Rosenau. Es gibt sicher Menschen, die sich über ein Wiedersehen mit Flaneursalon-Gast Gottfried Breitfuß freuen werden. Der österreichische Schauspieler und Liedersänger hat früher u. a. einige Jahre am Stuttgarter Staatstheater gespielt, bevor er ans Schauspielhaus Zürich wechselte. Unvergessen seine Auftritte zusammen mit Ernst Konarek in der mobilen, vom Staatsschauspiel produzierten Tragikomödie „Indien“, die oft auch in der Rosenau aufgeführt wurde. Im Flaneursalon tritt er zusammen mit dem Stuttgarter Pianisten Peter Weilacher auf. Außerdem auf der Bühne: Cemre Yilmaz & Friends mit sehr schönen Songs. Link zu Infos & Tickets.

Netzwerk Gemeinsam gegen rechts – für eine bessere Demokratie:

Dienstag, 3. Februar, 20 Uhr
Renitenztheater Stuttgart
Reihe „Gesprächsstoff“:
Demokratie am Limit – Persönliches Engagement am Rande der Erschöpfung
In Kooperation mit dem Netzwerk

Mit der Philosophin Amrei Bahr von der Stuttgarter Uni und dem Kabarettisten Philipp Weber aus Tübingen (aktuelles Programm „Power to the Popel – Demokratie für Quereinsteiger“) – Moderation: Roland Mahr, Renitenztheater

Auszug aus der Renitenztheater-Ankündigung: Unsere Demokratie ist akut bedroht. Nur: Wie können wir uns dafür einsetzen, dass sie nicht nur geschützt wird, sondern auch floriert, wenn wir doch ohnehin ständig am Limit unserer Kräfte sind? Wer kann Demokratie und Gesellschaft politisch oder aktivistisch mitgestalten — und wer bleibt dabei auf der Strecke, weil Beruf, Sorgearbeit, Krankheit oder anderes die volle Aufmerksamkeit und die gesamte zur Verfügung stehende Zeit kosten? Wie können wir als Gesellschaft wehrhaft werden und bleiben, allen anderen Anforderungen zum Trotz? Eintritt frei

Mittwoch, 11. Februar 2026, 20 Uhr
Kulturzentrum Merlin Stuttgart

Buchvorstellung, Lesung, Gespräch
Gilda Sahebi: Verbinden statt spalten. Eine Antwort auf die Politik der Polarisierung.
In Kooperation mit dem Kulturzentrum Merlin

Die deutsch-iranische Schriftstellerin und Journalistin  Gilda Sahebi stellt im Merlin ihr aktuelles, im S. Fischer Verlag erschienenes Buch vor: „Verbinden statt spalten. Eine Antwort auf die Politik der Polarisierung“. Die „Spiegel“-Bestsellerautorin ist eine publizistische Größe und wichtige Stimme in der Bundesrepublik, auf Instagram hat sie 120.000 Follower. Sie schreibt für große Magazine und ist auch regelmäßig Gesprächspartnerin im Fernsehen. -Warum uns mehr eint als trennt: In ihrem neuen, hochaktuellen Buch zur Politik der Spaltung und Polarisierung hierzulande räumt die renommierte Journalistin und Autorin Gilda Sahebi mit gängigen Mythen und Fake Facts auf. Wer heute in die deutsche Gesellschaft schaut, könnte denken: Es ist ein Land voller Drama, Gegeneinander und Spaltung. Dass dies so sei, ist eine Erzählung, die politisch generiert und medial verstärkt wird. Gilda Sahebi entlarvt sie als Lüge, als Herrschaftsinstrument autoritärer Kräfte. Das zeigt sie an den einschlägigen Debatten um Sozialleistungen, Migration, Gendern und Wokeness, Krieg und Frieden sowie Corona. Studien zeigen immer wieder: Im eigenen Leben sind Menschen viel öfter zufrieden; sie helfen und unterstützen einander, suchen Verbindung, nicht Hass. Wo geht die Suche nach Verbindung auf der gesellschaftlichen Ebene verloren? Und was kann man tun, um der Erzählung von Spaltung keinen Raum im eigenen Leben zu geben?
Hier geht es zum VORVERKAUF

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