Am Samstag, 1, Februar, hat auf dem Stuttgarter Schlossplatz die große, vom BUND initiierte Kundgebung „Wir sind die Brandmauer“ stattgefunden – zigtausend Demonstrierende waren in der Innenstadt. Bei dieser Veranstaltung habe ich diese kleine Rede vorgetragen:
Schönen guten Tag,
es ist ein Bild der Hoffnung, euch alle hier zu sehen: Extrem großer, unbegrenzter Zustrom gegen rechtsextrem! Hier auf dem Schlossplatz: um uns herum die Königstraße, der Königsbau, das Alte Schloss, dass Neue Schloss. Was lehrt uns diese feudale Umgebung: Vergangenheit vergeht nicht. Vergangenheit ist immer gegenwärtig. Und all unsere Erinnerungskultur nützt überhaupt nichts, wenn wir nicht an die bedrohlichen Zusammenhänge von Geschichte und Gegenwart erinnern. Und keine Konsequenzen daraus ziehen.
Heute sind es nicht Könige und Adlige, die den Menschen Rechte und Freiheiten rauben. Heute sind es schon wieder Rechtsextreme, Völkische und Nazis, die demokratische Errungenschaften angreifen. Nicht selten mit Hilfe von Konservativen. Machen wir uns nichts vor: Die Gefahr von rechts, die nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur nicht vorbei war, wurde viel zu lange ignoriert, vor allem von der sogenannten Mitte. Die hatte allen Grund dazu.
Jetzt aber erleben wir die gefährlichste faschistischen Bedrohung seit langem. Die Sprache der Unmenschen ist längst salonfähig geworden in einem Klima, in dem ein niederträchtige Scheißwort wie Zustrombegrenzungsgesetz den Bundestag aufheizt. Man bekämpft nicht die Rechtsextremen mit rechtsextremer Politik. Und unterstützt damit den parlamentarischen Arm des ganzen braunen Sumpfs. Demokratisches Bewusstsein und Handeln im Sinne der Menschlichkeit sind weitgehend verloren gegangen. Stattdessen: menschenverachtende Sündenbock-Propaganda. Der Egoismus des Neoliberalismus hat viele Teilen der Bevölkerung infiziert. Das Recht des Stärkeren wird nicht nur in den USA zum Maß aller Dinge, sondern auch bei uns.
Seit Jahren führen die Rechten einen strategischen Kulturkampf. Das heißt nicht, dass sie wie einst die SA Theatersäle stürmen. Vielmehr greifen sie mit aller Gerissenheit unsere Lebensweise an: sie sind gegen demokratische Zentren, gegen die Häuser unserer internationalen Kunst. Gegen alle Bühnen der Aufklärung. Sie hassen unsere Freiräume. Deshalb ist es dringend notwendig, dass sich auch Künstler:innen gegen die Rechten solidarisieren. Lange genug haben viele von uns grob fahrlässig geglaubt, Kunst und Kulturarbeit seien Inseln der Humanität – oder gar Räume weltoffener Gesinnung. Unsinn. Die Rechten haben sich überall eingenistet.
Liebe Freundinnen und Freunde, lasst uns tun, was wir können. Das bedeutet: Kleinkarierte Streitereien untereinander sofort einstellen, Scheuklappen ablegen, über den eigenen Schatten springen – und uns mit all denen vernetzen, die eine klare antifaschistische Haltung zeigen.
Es gibt konventionelle Parteien, die wir nicht mögen, es gibt Parteisoldatentum. Aber auch in Parteien, sogar in den herrschenden, finden wir Menschen mit Anstand. Menschen, die bereit sind, für die demokratische Sache zu kämpfen – und nicht nur um Ämter, Privilegien und Macht. Auch mit ihnen müssen wir uns verbinden. Raus aus den Blasen, damit die Rechten von allen Seiten Gegenwind bekommen.
Und wenn heute feierlich beteuert wird, wir müssten die Demokratie schützen, welche auch immer, dann darf das nicht heißen, einfach die herrschenden Zustände zu tolerieren. Wir müssen den sozialen Nährboden für den Rechtsrutsch eindämmen und die dafür Verantwortlichen im Auge haben. Dafür entfalten wir unsere außerparlamentarische Kraft. Zusammen etwas tun: Das ist bessere Demokratie. Wir brauchen mehr Gerechtigkeit, eine andere Wohnungspolitik, bessere Bezahlung in vielen Bereichen. Und endlich Umverteilung. Und zwar von oben nach unten. Nicht umgekehrt.
Wir dürfen nicht auf Brandmauern in Gremien vertrauen. Wir müssen Brücken bauen, die so stabil sind, dass auch Menschen aus bürgerlichen Kreisen sich nicht gleich in den Fluss stürzen, wenn einsatzfreudige Antifanten und Antifanantinnen drübermarschieren. An dieser Stelle grüße ich das Aktionsbündnis Stuttgart gegen Rechts.
Und wir dürfen nicht nur mit Empörung agieren. Auch Humor ist eine Waffe, so wahr der Merz im Moment ein lausiger Komödiant ist, der Donald Trumps Superman-Attitüden nachäfft.
Damit verschwinde ich jetzt für heute mit dem Wunsch: Kommt auf die Straße, so oft ihr könnt. Baut die Mauern ab im Kopf, öffnet alle Schlösser im Hirn, damit es nicht bleibt, wie es ist. Und nicht wieder wird, wie es war. Vielen Dank.
Wichtig sind nicht nur die politischen Groß-Events,
ganz entscheidend ist es, aktiv zu bleiben: kontinuierlich was zu tun.
Unser Netzwerk Gemeinsam gegen rechts – für eine bessere Demokratie wird eine Kundgebung für den 1. März organisieren – als Zeichen, dass es nach den Wahlen weitergehen muss. Die Aktion steht bereits:
KUNDGEBUNG
Samstag, 1. März, Schlossplatz, 13 Uhr:
Jetzt erst recht:
Auf die Straße – NACH der WAHL!
Es ist unsere Aufgabe, uns außerparlamentarisch gegen eine Politik zu wehren, die immer öfter demokratische Rechte missachtet und rechte Gesinnungen verbreitet.
Mitwirkende: Frank Bsirske (Gewerkschafter, Politiker), Sabine Foth (Präsidentin 16. Landessynode Ev. Landeskirche in Württ.), Martina Grohmann (Schauspielhaus Wien, Künstlerische Leitung ), Bärbel Mauch & Kollege (Flüchtlingsrat BW), Jess Jochimsen (Kabarettist, Freiburg), Jens Zimmerann (Moderator, 1. Vorsitzender Pro Stuttgart), AABS.
Tanzorchester Urbanstraße – Hajnal (Gesang) & Zura Dzagnidze (Gitarre) – Salamaleque Dance Company – Moderation: Maike Schollenberger (Verdi), Joe Bauer (Netzwerk)
WEITERE VERANSTALTUNGEN
Der außerparlamentarische Einsatz gegen die Rechtsextremen darf sich nicht auf Groß-Demos beschränken. Wir müssen was tun, im Alltag und bei Veranstaltungen, die Orte der Begegnung sind:
Sonntag, 16. Februar, Württ. Kunstverein, 18 Uhr:
Der Einfluss der Rechtsextremen auf die Klimapolitik und die Klimabewegung.
Informationen, Podiumsgespräch.
Anmeldungen sind hilfreich: zentrale@wkv-stuttgart.de
Dienstag, 18. Februar, Schlesinger, 19.30 Uhr – 20.15 Uhr:
Dorthin gehen, wo Menschen sind: Kneipe gegen rechts. Aktive unseres Netzwerks Gemeinsam gegen rechts – für eine bessere Demokratie informieren im Wirtshaus Schlesinger über das Engagement gegen rechts. Stefan Hiss begleitet uns mit Songs. Alle Gäste sind herzlich eingeladen zum Gespräch.
Montag, 10. März, Renitenztheater, 20 Uhr
Wie bedroht sind unsere Kunst und Kulturarbeit?
Informationen und Podiumsgespräch.
Anmeldungen: kasse@renitenztheater.de