Liebe Besucherin, lieber Besucher,
zunächst noch mal schnell zu meiner aktuellen Kolumne: ENDSTATION.
Und jetzt zum Eingemachten. Der Siegeszug der Rechtsextremen in der Bundesrepublik wird aller Voraussicht nach weitergehen, bei den Wahlen in Brandenburg, in ganz Deutschland. Der Faschismus, manche sprechen auch von rechtsextremem Populismus, ist kein nationales Problem – in anderen Ländern sieht es jetzt schon schlimmer aus als bei uns. Und das dicke Ende kommt erst. Viel zu lange hat man die kontinuierliche, die strategisch gelenkte Ausbreitung der Rechten bei uns nicht wahrgenommen, teils aus Ahnungslosigkeit, teils aus Borniertheit. Wer sich mit der Ideologie der Neuen Rechten beschäftigt hat, konnte es kommen sehen. Pandemie und der russische Krieg gegen die Ukraine dienten als Beschleuniger, die existenzielle Verunsicherung aufgrund sozialer Probleme in vielen Teilen der Bevölkerung kommen hinzu.
Auch haben es die demokratischen Kräfte, von linken Gruppierungen und Organisationen wie Gewerkschaften bis hin zu Parteien wie Grüne und SPD, nicht mal ansatzweise geschafft, Methoden und Mittel gegen die rechten Propaganda zu entwickeln. Die Hilflosigkeit im sprachlichen und emotionalen Bereich ist so frappierend wie die Unterlegenheit in den sozialen Medien, die von AfD & Co beherrscht werden. Schon die Nazis im vorigen Jahrhundert konnten moderne Kommunikationsmittel und Medien viel schneller und besser nutzen als ihre Gegner. Immer wenn ich die Phrase „Aus der Geschichte lernen“ höre, denke ich mir: Es sind die Rechtsextremen, die aus der Geschichte gelernt haben, sie sind auch jetzt gerissener als ihre Gegner. Von der herrschenden Politik zu schweigen.
Gewissermaßen aus einer gewissen Hilflosigkeit heraus haben ein paar Freunde und ich vor mehr als einem Jahr das Netzwerk Gemeinsam gegen rechts – für eine bessere Demokratie gestartet. Inzwischen haben wir zwei größere Kundgebungen und sieben Saal-Veranstaltungen mit Aufklärungscharakter sowie zwei Workshops in unterschiedlichen Häusern hinter uns. Alle Treffen waren im Rahmen dessen, was möglich ist, gut oder sehr gut besucht. Der Wechsel der Veranstaltungsorte hat sich bewährt, weil wir auf diese Art unterschiedliches Publikum gefunden haben – und uns nicht in der immer gleichen Blase bewegen. Dennoch erfordert es ständig aufwändige Werbearbeit, Interesse zu wecken, obwohl unsere Veranstaltungen keinen Eintritt kosten. Gedacht sind unsere Treffen ja nicht als Belehrungsabende, sondern als Möglichkeit, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen.
Wir wollen weiterhin jeden Monat eine Veranstaltung zum Thema „Gegen rechts“ organisieren, auch wenn ich das Gefühl habe, dass dieses Engagement wie eine selbstverständliche Dienstleistung betrachtet wird. Wir bekommen kaum mal schriftliche Rückmeldungen. Anscheinend macht es zu viel Mühe, mal eine Mail mit Anregungen zu schreiben oder sich aktiv einzubringen. Aber ich mache mir nichts vor: Auch meine Homepage-Einträge steigern generell nicht das Interesse an irgendwelchen Aktivitäten.
So sage ich mir: Wenn du was machst, bringt es nichts, wenn du nichts machts, bringt es auch nichts. Was machen ist allerdings interessanter als nichts machen.
Nach wie vor herrscht in vielen, in den allergrößten Teilen der Gesellschaft eine erschreckende Gleichgültigkeit. Es ist naturgemäß wichtiger, Events zum Vergnügen zu besuchen, oft für sehr viel Geld, um dort dann pflichtschuldig und realitätsfremnd von „Zusammenhalt“ zu labern. Man nennt das „Kultur“, als wäre Kultur ein Bühnenereignis und nicht eine Lebensweise.
Auch kann ich das strapazierte Wort „Vielfalt“ nicht mehr hören. Wir leben nun mal, jedenfalls in den Städten, in einer international zusammengesetzten Gesellschaft. Das ist der Alltag, und der ist nicht „interkulturell“, sondern er spiegelt unsere gegenwärtige Kultur. Wir sollten nicht ständig die Werbe- und PR-Floskel „Vielfalt“ verwenden, sondern viel öfter von Menschsein reden. Darum geht es letztendlich in diesen Tagen, da nach Terrorakten Unbeteiligte mit Symbol- und Alibipolitik bestraft werden.
Und was auf dem Land passiert, davon haben wir in den Städten oft überhaupt keine Ahnung. Statt nur auf den Osten zu starren und dort die Schuldigen zu suchen, sollten wir uns viel mehr mit unserer Umgebung und der Provinz beschäftigen. Und selbstverständlich muss ich mich bei all meinen Einwürfen hier an die eigene Nase fassen, bevor ich heute zum Heimspiel der Stuttgarter Kickers gehe.
Die September-Veranstaltung unseres Netzwerks findet man unten auf dieser Seite. Eine wichtige Sache, weil man dort einiges über die rechtsextreme Kultur erfahren wird.
Für den 26. Oktober planen wir zurzeit eine Stuttgarter Kundgebung, die den herrschenden Militarismus aufgreifen wird. Es geht darum, das Thema Krieg & Waffenlieferungen, Verhandlungen & Frieden nicht der Verlogenheit der Rechten zu überlassen. Es muss möglich sein, angesichts der Aufrüstung und der Stationierung von Mittelstreckenraketen differenziert zu diskutieren. Das bedeutet keineswegs, einen naiven Pazifismus mit aus dem Fenster hängenden Betttüchern zu propagieren.
Schreiben kann man mir über: flaneursalon@joebauer.de
NETZWERK
Am Samstag, 21. September, ist unser Netzwerk Gemeinsam gegen rechts – für eine besere Demokratie zu Gast Im Wizemann. Wir behandeln das wichtige Thema „Musik als Kampfmittel der extrem Rechten“. Referent ist Timo Büchner, der u. a. das Buch Rechtsrock: Business, Ideologie & militante Netzwerke veröffentlicht hat. Inzwischen geht es längst nicht mehr nur um „Rechtsrock“. Auch bei diesem Abend gibt es wieder Live-Musik – mit Marie Louise (Ukulele, Gesang) und Fabian Wendt (Bass). Für Anmeldungen sind wir dankbar: gegenrechts@imwizemann.de
FLANEURSALON MIT BUCHPREMIERE
Bei unserer nächsten Lieder- und Geschichtenshow stelle ich meine neue Kolumnensammlung vor: Einstein am Stuttgartstrand; das kleine Buch erscheint in der Edition Tiamat, Berlin. Das Ganze in entsprechend kleinem Rahmen am Montag, 4. November, in der Rosenau. Ganz bewusst mache ich diesen Abend mit Künstler:innen, die mich seit vielen Jahren begleiten: Eva Leticia Padilla (mit Dany Labana Martínez), Stefan Hiss, Toba Borke (mit Julian Feuchter) – und Jess Jochimsen. Hier geht’s zum Vorverkauf
DIE NACHT DER LIEDER
Diese Benefiz-Show, die ich erstmals 2001 für die Aktion Weihnachten der StN organisiert und arrangiert habe, war schon immer vielfältig: international, ohne unsinnige, arrogant gezogene Grenzen zwischen E und U: zwischen ernsthaft (edel) und unterhaltend (unterklassig). Am 10. und 11. Dezember 2024 findet die 23. Ausgabe dieser Veranstaltungsreihe statt. Nach den vielen Pandemie-Problemen hat sich Die Nacht der Lieder sehr gut erholt – es gibt für beide Abende nur noch wenige Karten. Hier geht’s zum Vorverkauf.