Liebe Freundinnen und Freunde des Flaneursalons,
neulich bekam ich Paul Watzlawicks Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“ (Piper Verlag) geschenkt, eine schöne Textsammlung, die mich zuversichtlich stimmt. In diesem Zusammenhang noch mal der Hinweis auf meine jüngste Kolumne: TOTALEINSCHLAG
Was war los in diesem Jahr? Im Frühjahr haben wir mit einer kleinen Mixed Show im Bix Jazzclub an „Drei Jahre Künstler*innensoforthilfe Stuttgart“ erinnert. With al little help from my friends haben wir diese Initiative am 16. März 2020 gestartet – kurz vor dem ersten Lockdown in der Pandemie. 1,6 Millionen Euro haben wir insgesamt gesammelt und weitergeleitet. Inzwischen haben wir kaum noch Geld: Die Sache ist so gut wie beendet. Einen Antrag nach einer Idee des Kulturamts, die Stadt Stuttgart möge die Künstler*innensoforthilfe Stuttgart mit etwa 30.000 Euro aus dem Haushalt ausrüsten, hatte im Gemeinderat keine Chance. Sei’s drum. Wir brauchen in der Stuttgarter Kulturarbeit keinen Alltagskram, sondern mehr „Leuchttürme“ zur Therapie irgendwelcher Komplexbeladener in der Kommunalpolitik.
Nebenbei: Die Unterstützung von Menschen, die hauptberuflich oder als Studierende in der Kunst- und Kulturszene beheimatet sind, hat mir zuletzt eine Einladung des Bundespräsidenten zu seinem Neujahrsempfang auf Schloss Bellevue in Berlin eingebracht – für Bürgerinnen und Bürger, die sich um das „Gemeinwohl“ verdient gemacht haben. Dankend habe ich abgesagt.
Bei der Künstler*innensoforthilfe ging es nicht nur um den Benefiz-Gedanken, der im Finanzamtsbereich als „Mildtätigkeit“ eine Rolle spielt. Vielmehr sollte die Spendenkampagne ein kleines Zeichen sein, Kultur als demokratische Lebensweise zu begreifen – und etwas zu tun gegen die Angriffe, gegen den strategisch geführten Kulturkampf von rechts. Dieser Gedanke wurde allerdings nur wenig beachtet oder auch gar nicht verstanden. Die Leute brauchten halt Geld. Die Gefahr von rechts wird nach wie vor von vielen in der Kunst- und Kulturarbeit sträflich unterschätzt. Die Spendenbereitschaft in der Pandemie dagegen übertraf – für uns als Mini-Team zweier Rentner – alle Erwartungen. 1,6 Millionen Euro konnten wir verteilen. Allen, die geholfen haben, noch einmal ganz großen Dank!
Dass mit „Kultur“ nicht der Veranstaltungsbetrieb, sondern die Verteidigung demokratischer, oft hart erkämpfter Errungenschaften/Freiheiten gemeint ist, steckt fast immer als Motiv hinter den Dingen, die ich mache. Meine 2001 gestartete Benefiz-Reihe Die Nacht der Lieder etwa soll zeigen, dass wir in den Unterschiedlichkeiten einer Mixed Show die Gemeinsamkeiten entdecken – über künstlerische und nationale Grenzen hinweg. Und natürlich soll auch der Flaneursalon klar machen, dass der Blick auf die herrschenden politischen Verhältnisse keineswegs die Unterhaltungsstimmung und gute Laune stört. Nächster Termin: Vermutlich 20. Februar, Schlesinger.
Alles hängt miteinander zusammen. Im vergangenen Sommer haben wir die Initiative Gemeinsam gegen rechts – Für eine bessere Demokratie ins Leben gerufen; mit einem kleinen Netzwerk-Team wollen wir uns auch hier für die Verteidigung demokratischen Lebens einsetzen. Nun ist „Demokratie“ ein großer Begriff, für den es keine alleingültige Definition gibt. Meinen wir etwa die liberale Demokratie mit ihren wirtschaftlichen Freiheiten – oder die soziale Demokratie mit dem Schwerpunkt gesellschaftliche Gerechtigkeit? Wir haben uns für das Motto „Gemeinsam gegen recht – Für eine bessere Demokratie“ entschieden, um klarzumachen, dass die herrschenden Ungerechtigkeiten in unserer Art Demokratie den Zulauf nach rechts stärken. Wobei rechts für uns immer extrem rechts bedeutet – und nicht etwa konservativ.
Unser Netz-Team hat nach der Auftakt-Kundgebung am 14. Oktober auf dem Schlossplatz zwei ausgebuchte Veranstaltungen hinter sich: am 30. November in der Rosenau zum Thema „Gefahr von rechts in der Region“ und am 16. Dezember im Theater Rampe zum Thema „AfD verbieten?“. Zu unserem Rampe-Podium am helllichten Tag (Beginn: 13 Uhr) kam eigens der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz aus Sachsen nach Stuttgart; er hat vor, im Bundestag ein AfD-Verbotsverfahren zu beantragen. Respekt vor seiner klaren antifaschistischen Haltung. Dietrich Krauß, hauptamtlicher Autor der Satire-Show Die Anstalt, hat die Rampe-Veranstaltung ganz hervorragend, mit erstklassigem Wissen und großer Souveränität moderiert (auf dem Podium: MdB Gökay Akbulut von der Partei Die Linke, Mannheim, und Landtags-Vizefraktionschef Oliver Hildenbrand von den Grünen, Stuttgart). In einer Einführung erinnerte der Schriftsteller Wolfgang Schorlau an den Hitler-Putsch und das anschließende – nicht lange währende – NSDAP-Verbot vor 100 Jahren. Was auffiel: die angenehme Atmospähe der gesamten Veranstaltung. Bitte auch beachten: www.netzwerk-gegen-rechts.info – hier kann man sich auch in unseren Newsletter eintragen.
Unsere erste Veranstaltung 2024 findet am Mittwoch, 17. Januar, im Jugendhaus dasCann in Cannstatt statt. Beginn 19 Uhr. Diesmal geht es um den Einfluss von Nazis in den Fußballstadien:
NEUE ANGRIFFE VON RECHTSAUSSEN
Informationen, Gespräche, Diskussion: Eine Veranstaltung von Netzwerk gegen rechts in Kooperation mit den Fanprojekten von VfB Stuttgart und Stuttgarter Kickers.
Der Vormarsch von Rechts dringt in Stadien und Kurven. Rassismus, Sexismus, Antisemitismus – die ganze Palette der Unmenschlichkeit mischt sich unter das, was romantisch Fankultur genannt wird. Vielleicht unauffälliger als früher. Vielleicht wirkungsvoller als früher. Vielleicht explosiver als früher. Ist das noch Unterwanderung oder schon rechter Mainstream? Wie stabil sind die Kurven? Wer sind diese Ultras? Was können Vereine und Verbände tun? Wie verhält sich die Polizei? Über alte und neue Formationen auf Rechtsaußen sprechen Ex-Nazi Felix Benneckenstein von der Aussteigerhilfe Bayern, gleichzeitig Fan des TSV München 1860 und der Journalist Christoph Ruf, der die deutsche Fanszene bereits in mehreren Büchern durchleuchtet hat. Die Moderation übernimmt der Stuttgarter Fußballkennner und Autor Bernd Sautter. – Anmeldungen sind sehr hilfreich: jh-dascann@stjg.de
Und hier noch einmal der Youtube-Link zur Doku, die Eva & Goggo Gensch über unsere Kundgebung „Gemeinsam gegen rechts. Für eine bessere Demokratie“ am 14. Oktober auf dem Stuttgarter Schlossplatz gemacht haben: FILM AB
Nach meinem Eindruck waren unsere Veranstaltungen bisher ziemlich informativ und lebendig. Wir dürfen uns allerdings nichts vormachen: Der weltweite Ruck nach scharf rechts und der drohende Untergang der Demokratien wird immer deutlicher. Für mich stellt sich wie immer die Frage: Hat es Sinn, im Kleinen etwas zu tun? Oder dient dies nur der Gewissensberuhigung? Die Antwort: Ein schlechtes Gewissen habe ich seit jeher sowieso. Also tue ich halbwegs guten Gewissens und voller Zweifel lieber irgendwas als gar nichts. Und nicht nur, weil bald Weihnachten ist. In diesem Sinne: Es geht weiter, auch auf dieser Seite, ebenso mit 14-tägigen Kontext-Kolumnen (aus denen im kommenden Jahr wahrscheinlich ein Buch wird).
NOCH KEIN WEIHNACHTSGESCHENK?
KARTEN FÜR DIE NACHT DER LIEDER 2024 –
WIEDER MIT ERIC GAUTHIER
Als schöne Weihnachtsgeschenke eignen sich Karten für Die Nacht der Lieder im kommenden Jahr. Moderator ist 2024 wieder Eric Gauthier. Zuletzt hatte er wegen der von Corona verursachten Terminkollisionen keine Zeit mehr. In diesem Jahr war Jess Jochimsen ein hervorragender Conférencier.
Viele glauben ja, ich hätte Eric, den Chef der Theaterhaus-Compagnie Gauthier Dance, einst wegen seiner Popularität zur Nacht der Lieder gelotst. Aber so war das nicht. Beim Start der Benefiz-Show 2001 im Kino Metropol wirkte er als junger Sänger und Musiker einer Band mit; damals war er Tänzer beim Stuttgarter Ballett und noch relativ unbekannt. 2006, als es Gauthier Dance noch gar nicht gab, überredete ich ihn am helllichten Tag in einer Weinbar, bei de Nacht der Lieder als Entertainer aufzutreten. Erst wollte er nicht wegen seines noch schlechten Deutsches. Wer tanzen kann und singen, hat auch ohne große Worte Bühnenpräsenz, sagte ich. Nach seiner Premiere als Moderator – damals im Schauspielhaus – bezog ich von einigen sog. Experten reichlich Prügel. Wurscht. Niemand konnte so elegant eine Showtreppe hinuntergehen wie Eric. Anschließend hat er die Mixed Show bis 2019 mit viel Freude und Erfolg im immer frühzeitig ausverkauften Theaterhaus moderiert. Oft war er auch im Flaneursalon dabei. Wir kennen uns also seit 22 Jahren. Jetzt, bei der 23. Nacht der Lieder, macht er wieder mit. So simpel ist das. Karten für 2024 gibt es hier: THEATERHAUS