Liebe Freudinnen und Freunde des Flaneursalons,
zurzeit laufen die Vorbereitungen für unsere Auftaktveranstaltung zum Aufbau eines Stuttgarter Netzwerks gegen rechts. Termin: Samstag, 14. Oktober, 14 Uhr, Schlossplatz. Es ist höchste Zeit, etwas zu tun (siehe auch FAZ-Text unten auf dieser Seite). Sicher ist schon mal:
HASKO WEBER REDET BEI UNSERER KUNDGEBUNG
Der Regisseur und Theatermacher Hasko Weber wird am Sa, 14. Okt, auf dem Schlossplatz bei unserer Kundgebung „Gemeinsam gegen rechts. Für eine bessere Demokratie“ eine Rede halten. Von 2005/2006 bis 2012/13 war er Intendant des Stuttgarter Schauspiels, seit 2013 ist er Generalintendant des Nationaltheaters Weimar. – Thüringen gilt als eines der wichtigsten Zentren der deutschen Rechten – nicht nur heute, auch historisch: In Thüringen war die NSDAP 1930 erstmals Partner einer Landesregierung und bereitete mit ihrer Politik die Hitler-Diktatur vor.
Inzwischen haben wir auch eine einfache Webseite: NETZWERK GEGEN RECHTS
Wer sich noch für meine jüngste KOLUMNE interessiert: über die Politik des Gehens, Handy-Sucht und Noppers Tour in Polizeibegleitung zu den Stuttgarter Zentren des Verbrechens. Hier geht’s zum Text: GRAUSIG, GRAUSIG
HEINRICH STEINFESTS BUCHVORSTELLUNG ABGESAGT
Am Mittwoch, 20. September, sollte Heinrich Steinfest bei Wittwer/Thalia in Stuttgart sein neues Buch „Gemälde eines Mordes“ vorstellen. Jetzt, zwei Tage zuvor, wurde die von der Buchhandlung nachlässig und unvollständig angekündige Veranstaltung abgesagt. Unsereiner sollte moderieren, wurde aber in der Info gar nicht erwähnt. Begründung der Absage: zu wenig Vorverkauf, nur 14 Karten. Einen dümmeren HInweis habe ich selten gehört. Als ob sich die Leute für einen solchen Abend Karten im Vorverkauf sichern würden. Heinrichs Lesungen 2022 und 2021 im Literaturhaus waren trotz Corona-Problemen sehr gut besucht. Neulich las er in Frankfurt am Main vor vollem Saal. Wir werden die Stuttgarter Buchvorstellung im November an einem anderen Ort nachholen. Wittwer/Thalia brauche ich eh nicht, kaufe meine Bücher schon lange woanders.
EIN VIERTELJAHRHUNDERT FLANEURSALON
Der Flaneursalon wird in diesem Herbst 25 Jahre alt. Dazu habe ich eine kleine Stadt-Revue zusammengestellt, die am Dienstag, 21. November 2023, im Theaterhaus über die Bühne geht. Mit Meike Boltersdorf, Toba Borke, BRTHR, Stefan Hiss, Rolf Miller, Eva Leticia Padilla & Dany Labana Martínez, Oliver Maria Schmitt. Hier gibt es Karten: THEATERHAUS
UND BITTE, BITTE NICHT VERGESSEN:
Die 22. Nacht der Lieder am 5. und 6. Dezember im Theterhaus. Infos & Karten: VORVERKAUF
Viel zu wenig beachtet wurde nach meinem Eindruck ein GEHEIMTREFFEN VON CDU UND AFD, über das die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtet hat. Hier der Text:
WO DIE BRANDMAUER ENDEN SOLL
Von Natascha Koch, 03. 09. 2023
Mitglieder von AfD und CDU haben sich an einem geheimen Ort getroffen, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Presse war nicht zugelassen. Unsere Autorin hat sich reingeschlichen und zugehört.
Alles beginnt mit einer Ausgabe der „Preußischen Allgemeinen Zeitung“, die mir jemand zeigt. Der frühere „Bild“-Journalist Klaus Kelle, heute ein selbst ernannter Rechtspopulist, sagt darin, dass die Brandmauer zwischen Union und AfD eine „Illusion“ sei. Er kündigt eine Veranstaltung ganz ohne Mauern an, auf der sich alle frei über Politik austauschen können, und nennt sie die „Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz“. Eingeladen sind zum Beispiel die CDU-Mitglieder Hans-Georg Maaßen und Rainer Wendt. Maaßen war mal Verfassungsschutzpräsident, Wendt Polizeigewerkschafter.
Außerdem frühere und noch aktive AfD-Politiker, etwa Joana Cotar aus dem Bundestag und Frank-Christian Hansel aus dem Berliner Abgeordnetenhaus. Kelles Bedingung für das brisante Treffen: Journalisten dürfen nicht teilnehmen. Kein Wunder. Schließlich drohte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz einmal, wenn jemand aus seiner Partei mit der AfD kooperiere – „dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an“. Komme ich trotzdem hinein?
Recht schnell finde ich eine Internetseite, auf der man Tickets kaufen kann. Ich bestelle eins und bekomme es binnen weniger Minuten per E-Mail zugeschickt. Das war nicht schwer. Nur eins fehlt: der Veranstaltungsort. Darum wird ein großes Geheimnis gemacht. Ich muss mehrfach nachfragen und auf mein Ticket verweisen, bis mir jemand in einer E-Mail Ort und Programm verrät. Die „Schwarmintelligenz“ tagt demnach in Wetzlar, einer Kleinstadt unweit von Gießen. Ich soll die E-Mail nur keinesfalls weiterleiten, man wolle „nicht das übliche Theater“ mit Demonstranten haben. Das Programm soll mit einer Diskussion zwischen Maaßen, Cotar, Hansel und der früheren CDU-Abgeordneten Sylvia Pantel beginnen. Eine echte Anti-Brandmauer-Besetzung also: CDU, Ex-AfD, AfD, CDU.
Wetzlar ist eine Goethestadt voll enger Gassen zwischen Fachwerkhäusern. Junge Menschen sitzen vor Restaurants und genießen die letzten Abendstunden. Die Stadthalle liegt auf einem kleinen Hügel abseits der Altstadt. Kelle und sein Schwarm scheinen sich erfolgreich der Aufmerksamkeit der Wetzlarer entzogen zu haben: Nicht eine Menschenseele protestiert. Der Schwarm bleibt unter sich.
Die meisten Gäste scheinen sich zu kennen
Am Eingang hole ich mir mein Namensschildchen; es hängt an einem schwarz-rot-goldenen Schlüsselband. Im Foyer und auf der Terrasse wird geplaudert, die meisten Gäste scheinen sich zu kennen. Ein Mann trägt Lederhosen, zwei andere haben lila Warnwesten, auf denen geschrieben steht: „Politiker müssen haften“. An einer Wand sind Stände aufgereiht: Bündnis für Deutschland, Christdemokraten für das Leben, die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung, die Werteunion. Leute von CDU bis AfD interagieren fröhlich miteinander, der hessische CDU-Politiker Hans-Jürgen Irmer ist auch dabei, von Brandmauern keine Spur.
Ich gehe auf die Terrasse. An einem der Tische neben mir singt ein Mann die Melodie von „Ihr Kinderlein kommet“, aber der Text ist anders. Ich höre die Worte „Panzer“, „Sturm“ und „Wind“. Später versuche ich, das Lied zu finden, und stoße auf das nationalsozialistische Kriegslied „Ob’s stürmt oder schneit“. Darin die Zeile: „Es braust unser Panzer im Sturmwind dahin.“ Nach dem Lied sagt der Mann zu seinem Nachbarn: „Den kannteste noch nicht, ne?“, und klopft sich auf die Schenkel. In diesem Moment bemerkt er, dass ich zuhöre – er wirkt erschrocken. Wenige Minuten später tritt er an meinen Tisch und entschuldigt sich, das mit dem Lied sei nur ein Späßchen gewesen.
Nach einigen Minuten bittet er, dass ich mich zu ihm setze. Es sei sein zweites Mal auf der Vollversammlung, erzählt er. Am meisten schätze er, dass hier Klartext geredet werde. Jahrelang sei er CDU-Mitglied gewesen, Transatlantiker, doch die vielen Eingriffe der USA in anderer Länder Angelegenheiten hätten ihn stutzig gemacht, ob man dem Westen so blind vertrauen könne. Heute ist seine Meinung klar: „Putin ist ein vertrauenswürdiger Mensch.“ Wenn der russische Präsident etwas sage, dann folgten darauf Taten, sagt er, anders als etwa bei Merkel.
Die Podiumsdiskussion beginnt. Maaßen sagt, dass Brandmauern fallen müssten: „Ohne AfD können wir nicht, es geht darum, wie wir mit ihnen können.“ Aber er berichtet auch von seinen „Berührungsängsten“, insbesondere wegen der Russlandnähe der Partei. Dann spricht Cotar und sagt auch Unversöhnliches: Sie wirft manchen AfD-Mitgliedern vor, „korrupt“ geworden zu sein. Einige Männer im Publikum macht das wütend. „Das stimmt nicht!“, ruft einer. Auch unter den Zuhörern gibt es unversöhnliche Lager, manche klatschen nur für Maaßen, andere nur für Cotar. Sie sortieren sich selbst, als Schwarm. Veranstalter Kelle versucht einen gemeinsamen Nenner zu finden: „Die Grünen müssen raus aus der Regierung – und mit der AfD muss geredet werden.“
Aber ganz so will er das nicht stehen lassen. Plötzlich fängt auch er mit Berührungsängsten an. „Mit Joana, mit Frank könnte ich sofort, kein Problem“, sagt er und meint den vergleichsweise gemäßigten AfD-Abgeordneten Frank-Christian Hansel. „Aber es gibt eben diese andere Truppe, und mit denen will ich nichts zu tun haben.“ Das klingt steinhart. Fast wie eine Brandmauer.