Liebe Freundinnen und Freunde des Flaneursalons,
an diesem Mittwoch erscheint meine neue Kontext-KOLUMNE, sie hat etwas mit meinem Sommer-Gefühl und dem Stuttgarter Café Weiß zu tun. Das Haus, in dem sich diese Bar mit ihrer kuriosen Historie befindet, steht zum Verkauf. Womöglich aber lässt sich was Vernünftiges regeln.
Hier geht’s zu meiner vorherigen Kolumne: WIE EIN WAHNSINNIGER
Mit dem Flaneursalon sind wir gut in den Sommer gestartet. Die Stimmung bei unserer Lieder- und Geschichtenshow im Garten der Gaststätte Ratze am Raichberg war prächtig. Gutes Wetter, aufregendes Licht, schöne Aussicht. Eric Gauthier absolvierte an diesem Abend als Sänger und Musiker seinen ersten Auftritt nach dem Tod seines Freundes und Gitarristen Jens-Peter Abele im vergangenen Dezember – und widmete ihm, sehr bewegt, einen eigenen Song. Begleitet wurde er im Flaneursalon erstmals von der Cellistin Krassimira „Krassi“ Krasteva von den Stuttgarter Philharmonikern. Ein berührend-harmonisches Duo. Ebenfalls mit sehr schönen Beiträgen auf der Bühne waren die Sängerin Thabilé und ihr Gitarrist Steve Bimamisa. Die Südafrikanerin hat inzwischen einen Plattenvertrag bei Warner. Umwerfend wie immer auch mein Überraschungsgast, der Impro-Rapper Toba Borke mit seinen virtuosen Reimen aus dem Hier und Jetzt.
Die Hälfte der etwa 190 Gäste im Ratze-Garten war übrigens, ich hab mal nachgefragt, zum ersten Mal bei einem Flaneursalon. In diesem Jahr besteht diese kleine Show seit 25 Jahren. Seltsam, wie wenig etliche im Publikum von diesem Flaneursalon wussten. Einige dachten tatsächlich, es handle sich um eine Veranstaltungsreihe der Ratze, so nach dem Motto: Man lädt mal eben ein paar Künstler:innen auf die Hügel ein, der Rest ergibt sich. Die Ratze machte übrigens keine Veranstaltungen, ehe ich im vergangenen Jahr bei einem Mittagessen im Garten die Bühne sah – und der Wirtin Tanja O’Kelly den dezenten Tipp gab, dass Bühnen eigentlich nicht gebaut würden, um mit Gerümpel vollgestellt zu werden. Und so gab es im im Sommer 2022 einen Flaneursalon – und wegen des großen Andrangs gleich darauf einen zweiten in anderer Besetzung.
Tatsache ist, dass sich viele Leute unter einer Mixed Show wie meiner nichts vorstellen können, solange sie das Ganze nicht erlebt haben. Ich denke, das hat schon auch was mit Stuttgart zu tun. Und oft werden nach der Vorstellung Fotos von Mitwirkenden in den asozialen Medien gepostet ohne Hinweis darauf, wo sie aufgetreten sind.
Das Besondere an dieser Show ist ja, dass nicht nur unterschiedliche Musikstile aufeinandertreffen, sondern sich auch sehr kontrovers Lustiges und Ernsthaftes begegnen. Es gibt wenig Hemmschwellen beim Blick auf unsere Geschichte, die herrschenden Verhältnisse und die aktuelle Politik. An sich verbirgt sich hinter dieser Art und Weise ein großstädtischer Gedanke: Unterschiedliches trifft sich am selben Ort und ergänzt sich. Ich kann es nur immer wieder sagen.
Der Schriftsteller, Journalist und Satiriker Oliver Maria Schmitt, u. a. mal für einige Jahre Chefredakteur des Magazins „Titanic“, sagte mir, er sei inzwischen ein richtiger Fan des Flaneursalons. Bei seinem Auftritt jetzt im Ratze-Garten riskierte er es, als seinen ersten Text an diesem Abend „Kein Eis in Auschwitz“ vorzutragen, eine scharfsinnige, keineswegs humorfreie Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur und Tourismus, die er vor Kurzem nach einem Besuch des KZ Auschwitz-Birkenau für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung geschrieben hat. Harter Stoff. Es war sehr still im Garten: die Ruhe der Nachdenklichkeit. In einer seiner üblichen Lese- und Auftrittsreihen, sagte Oliver nach der Veranstaltung, wäre es ihm nicht möglich, diesen Text dem Publikum zuzumuten. In der Regel kommen da die Leute ausschließlich, weil sie lachen wollen. Im Flaneursalon ist das anders. Hier der Link zu KEIN EIS IN AUSCHWITZ.
Im Moment prüfe ich, ob wir im kommenden August einen weiteren Flaneursalon im Ratze-Garten machen werden – ob genügend Künstler:innen aus unserem Kreis im Urlaubsmonat in der Stadt sind.
DIE NACHT DER LIEDER
Und ich lasse nicht locker, auf Die Nacht der Lieder am 5./6. Dezember im Theaterhaus hinzuweisen. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass es – nach zwanzig fetten Jahren – auch diesmal sehr schwer wird, den T1 zwei Abende lang zu füllen. In diesem Jahr moderiert die Benefiz-Show der Kabarettist und Schriftsteller Jess Jochimsen (er ist regelmäßiger Gast im Flaneursalon), fürs kommende Jahr melde ich dann auf dieser Position zu gegebener Zeit eine Überraschung. INFOS UND KARTEN für Die Nacht der Lieder 23.