Liebe Freundinnen und Freunde des Flaneursalons,
einen miserablen Orientierungssinn hatte ich schon immer, am vergangenen Sonntag aber habe ich mich beim Joggen im Wald erstmals richtig verirrt. Ich hatte eine neue Strecke gewählt, und auf dem Rückweg ging alles schief. Keine Ahnung mehr, ob rauf oder runter, links oder rechts. Normalerweise treffe ich mich auf dem Rückweg immer mit meinem langjährigen Laufpartner Eddy, mit dem ich gemeinsam starte, unterwegs aber eine andere Strecke einschlage. Das funktionierte bisher tadellos. Mein Weg war so getaktet, dass ich nach etwa sieben Minuten an einem bestimmten Baum umdrehen musste, um auf dem Rückweg wieder mit Eddy zu laufen. Die neu gewählte Piste allerdings gab meinem gestörten Orientierungssinn den Rest, und ich denke, dieser Irrungen waren symptomatisch für meine Ratlosigkeit in diesen Tagen.
Der Krieg in der Ukraine hält mich davon ab, irgendwelche Dinge mit großer Motivation oder Freude zu planen. Dauernd stellt sich mir die banale Frage: Ist das denn wichtig? Oder nur ein Ablenkungsmanöver? Der Begriff Ablenkungsmanöver kommt ja selbst aus dem Vokabular des Militärs, und zurzeit leben wir in einem durchaus militaristischen Klima: in einer gereizten Atmosphäre voller Aggressionen. Fanatismus und Kriegsbegeisterung haben zugenommen. Leute, die sich nie an politischen Aktionen beteiligt haben, müssen jetzt ununterbrochen in den sozialen Medien mitteilen, dass sie bedingungslos Waffenlieferungen an die Ukraine unterstützen. Und gleichzeitig alle, die an dieser Strategie zweifeln (und sei es bloß, weil sie auch mal auf die Stimmen skeptischer Generäle gehört haben), für Idioten oder Abschaum halten. Dieses Verhalten gilt der Waffenfraktion als moralische Pflicht.
Beim Krieg in der Ukraine geht es zum allergrößten Teil nur noch um Gut und Böse, um die Gleichung „Putin = Hitler“, und nicht mal mehr am Rande um weltpolitische Machtinteressen, um gigantische Profite einer Kriegswirtschaft, die auch bei uns in der Republik gefordert wird. Fragen sind nicht angebracht, es gilt der Tagesbefehl: Nieder mit den Russen, ihre Atomwaffen stören uns nicht.
Wie das Ganze militärisch funktionieren oder enden soll, weiß zwar niemand, die Argumentation der Aufrüstungsabteilung aber ist denkbar einfach: Wenn die Ukraine genügend Waffen bekommt, also alle, die sie fordert, wird sie das Problem schon selber lösen. Es ist zurzeit sehr einfach, auf der richtigen Seite zu sein – speziell für die, die politisch nie im Leben einen Finger gekrümmt haben, außer beim Tippen von Netz-Kommentaren und beim Ausfüllen des Wahlzettels. Selbst die These, dass sich Waffenlieferungen und Verhandlungen nicht zwangsläufig widersprechen, hat es schwer. Denn folgt man ihr, beginnt das komplizierte Differenzieren, und dann sind die Lager keine Lager mehr, was die Hetze erschwert.
Ich bin kein General, nehme mir weiterhin das Recht zu zweifeln und sehe auch keinen Grund, vor Wut zu schäumen, wenn irgendwo eine Aktion stattfindet, die sich gegen Waffenlieferungen richtet. Lustigerweise werden solche Aktionen mit ungeheuer großem medialen Aufwand kleingemacht. Wozu eigentlich, wenn sie eh klein sind? Es schäumen angesichts solcher Friedenskundgebungen übrigens auch Leute, die zu bequem sind, pro-ukrainische Aktionen zu besuchen. Sie haben ja die richtige „Haltung“. Die dient ihnen als Freibrief fürs übliche politische Nichtstun auch angesichts der Probleme, die der Krieg vor unserer Haustür schafft, etwa bei der gerechten Behandlung und menschenwürdigen Unterbringung von Geflüchteten aus unterschiedlichen Ländern.
Ich habe keinen Respekt vor Leuten, die sich ständig auf Facebook & Co einmischen, aber bei keiner wichtigen Straßenaktion zu sehen sind. Die sagen, Demos nützten ohnehin nichts, weil sie nicht begreifen, dass Kundgebungen nicht nur Proteste formulieren, sondern auch unverzichtbare Begegnungsorte für Betroffene sind. Orte für Dialoge und Informationen. Wenn ich bei einer Kundgebung gegen die möderischen Unmenschlichkeiten im Iran mithelfe, ändere ich zunächst mal nichts an den Verhältnissen im Iran. Die Aktion aber macht auf den Terror im Iran aufmerksam und bietet Menschen aus dem Iran bei uns einen Raum, sich zu treffen und sich zu artikulieren. Das ist mehr als nichts.
Und damit zu den Ablenkungsmanövern:
Hier geht’s zu meiner aktuellen Kontext-Kolumne: TANZ DEN LEO
25 JAHRE FLANEURSALON
In diesem Jahr feiert meine Lieder- und Geschichtenshow ihren 25. Geburtstag. Angefangen hat alles 1998 anlässlich der Vorstellung der Kolumnensammlung „Stuttgart – My cleverly hills“ im Gustav-Siegle-Haus – in den Räumen des heutigen Bix. Und dort sind wir am Mittwoch, 5. April, 20 Uhr. Bei der kleinen Hommage an diesen Ort sind die Flaneursalon-Gäste diesmal die Sängerinnen/Musikerinnen Meike Boltersdorf und Eva Leticia Padilla, der Rapper Toba Borke (mit Partner) sowie der Kabarettist und Poet Jess Jochimsen. Ich denke, eine ordentliche Jubiläums-Besetzung. Vorverkauf: KARTEN BIX
EIN ABEND IM BIX: 3 JAHRE KÜNSTLER*INNENSOFORTHILFE
Am Freitag, 17. März, laden wir zu einem offenen Treffen in den Bix Jazzclub: Unsere Initiative zur Unterstützung der Kulturarbeit hat Geburtstag. Einlass: 18.30 Uhr. Es soll ein Abend werden ohne durchinszeniertes Programm – mit Raum für Dialoge und Erfahrungsaustausch im Publikum. Auf die Bühne gehen u. a. die Kammersängerin Diana Haller von der Staatsoper Stuttgart und ihr Pianist Vlad Iftinca, die Jazzsängerin Cemre Yilmaz mit dem Pianisten André Weiß, die Popsängerin Eva Leticia Padilla mit dem Gitarristen Dany Labana Martínez und die Violinistin Martl Jäckl. Katja Schmidt-Oehm und Stephan Moos vom Theaterhaus-Schauspielensemble übernehmen die Zwischentöne. Es gibt sicher einige Überraschungen. Um einen Überblick zu haben, wurde ein Ticketverkauf für ZWEI EURO pro Karte eingerichtet. Das ist die Mindestsumme, um in den „Vorverkauf“ zu können: KARTEN
DIE MUSIK DES MITEINANDERS
(Zeitungsgerechte Ankündigung)
Die Nacht der Lieder – und kein Ende: Am 5. und 6. Dezember 23 findet im Theaterhaus die 22. Show dieser Benefiz-Reihe zugunsten der Aktion Weihnachten der StN statt. Der Vorverkauf läuft bereits.
Die Nacht der Lieder hat im vergangenen Dezember trotz Pandemie, Publikumsschwund und Kostensteigerungen einen fünfstelligen Betrag für die Künstler:innensoforthilfe Stuttgart eingespielt. Beide Vorstellungen im großen Saal des Theaterhauses waren am Ende nahezu ausgebucht. Die Zeiten, als man mit Fug und Recht von einem „Selbstläufer“ sprach, scheinen zwar vorbei, der große Dank gilt dennoch einem sehr treuen Publikum.
Auch die Einnahmen der diesjährigen Folge werden einem guten Zweck im Rahmen der Aktion Weihnachten zugute kommen. Und wie immer geht es auch darum, die Veranstaltung als ein Forum der Begegnung zu verstehen. Im Zentrum steht der Gedanke, im Unterschiedlichen das Gemeinsame zu entdecken. Das Motto lautet „Die Musik des Miteinanders“.
Durch den Abend führt diesmal Jess Jochimsen. Der in Freiburg lebende Kabarettist und Schriftsteller tourt regelmäßig mit eigener Soloshow durch den deutschsprachigen Raum, er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Baden-Württembergischen Kleinkunstpreis. Ein Entertainer mit poetischer Eleganz und scharfem Wortwitz. Die Rolle der Showband übernehmen wieder Mitglieder der fantastischen jungen Indie-Band Rikas.
Die wie immer kontrastreiche internationale Besetzung steht weitgehend. Nach vielen Jahren als einzige feste Größe der Nacht der Lieder sind im Dezember ein letztes Mal Die Fuenf dabei. Die erfolgreiche Stuttgarter A-cappella-Band wird sich Anfang 2024 endgültig von ihrem Publikum verabschieden. Mit im Boot ist dankenswerterweise wieder die Staatsoper Stuttgart – keine Show ohne klassische Musik.
Bereits für vergangenes Jahr war die hoch talentierte Pop- und Soul-Sängerin Yeama angekündigt, dann musste sie kurzfristig absagen. Ehrensache, dass sie diesmal im Programm ist. Einen ganz besonderen Act liefert der virtuose Jazz-Saxofonist Sandi Kuhn: Auf Wunsch stellt er ein Bläser-Ensemble zusammen, es firmiert unter dem Namen Sandi Kuhns Big Brass Project. Lassen wir uns überraschen. Den Tanz-Part übernimmt Catarina Mora: Sie präsentiert mit einer jungen Company ihre Choreografie „Valse Mortale“, eine lustige, tollkühne Walzer-Aufführung. Auch der reimende Komiker Helge Thun geht wieder auf der Bühne, diesmal nicht als Co-Moderator, sondern mit einer Solonummer.
Immer wieder wird vom Comeback des Swing geredet, eine spezielle Variante spielen die Guttenberger Brothers: die Musik der Sinti. Für Weltmusik, die über Grenzen geht, ist die Stuttgarter Sängerin Hajnal bekannt. Sie tritt mit ihrer Band Lakvar auf. Organisiert wird die „Nacht der Lieder“ wie immer von Joe Bauer (er wird auch eine seiner Spaziergänger-Geschichten vortragen).
Da erfahrungsgemäß die besten Karten immer am schnellsten zur Neige gehen, ist es empfehlenswert, früh zu buchen. VORVERKAUF ONLINE, telefonisch 0711/4020720 und täglich an der Theaterhauskasse.